Business Countdown to 2030

07. März 2024

Warum die nächsten 6 Jahre für Unternehmen entscheidend werden

Von einer Krise in die nächste: Nach der Corona-Pandemie bestimmen Inflation, Großinsolvenzen und geopolitische Konflikte das Geschehen. Wer dachte, dass das schon die ultimativen Herausforderungen für Unternehmen waren, der irrt, denn die kommenden 6 Jahre bis 2030 werden aus Unternehmenssicht möglicherweise die bis dato schwierigsten der letzten Jahrzehnte sein. Nur jene, die sich vorausschauend auf die Chancen aus den Bereichen künstliche Intelligenz (KI) und neue Technologien, Nachhaltigkeit und strategischer Resilienz ausrichten, werden dieses Jahrzehnt überleben. Warum das so ist und was es braucht, um auch nach 2030 als Gewinner dazustehen, analysieren die Dekanin der WU Executive Academy Barbara Stöttinger und der Strategie- und Nachhaltigkeitsexperte Vladimir Preveden.

Was muss getan werden, um auch 2030 noch ins Schwarze zu treffen? Bild: shutterstock, meeboonstudio
Was muss getan werden, um auch 2030 noch ins Schwarze zu treffen? Bild: shutterstock, meeboonstudio

„Unternehmen und ihre Führungskräfte tun sich derzeit schwer, einen strategischen Blick darauf zu werfen, was sich in den nächsten Jahren konkret tun wird und welche Chancen, aber auch Gefahren sich daraus ergeben werden“, sagt Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy. Umso wichtiger ist es, sich genau jetzt strategisch auf den bevorstehenden Strukturwandel vorzubereiten. „In den nächsten Jahren werden sich die grundlegenden Rahmenbedingungen nämlich völlig neu formieren“, warnt Stöttinger. Das bedeute im Umkehrschluss: Viel Zeit bleibt nicht, wollen Unternehmen auch in Zukunft relevant bleiben – und das gilt insbesondere für Führungskräfte.

Der große Paradigmenwechsel und seine Auswirkungen

Was löst aber nun diesen Wandel aus? Laut dem Strategie- und Nachhaltigkeitsexperten Vladimir Preveden befinden wir uns derzeit gleichzeitig in der fünften und der sechsten großen Entwicklungswelle seit Beginn der industriellen Revolution. Die ersten vier Wellen brachten Mechanisierung, den Siegeszug von Dampfmaschinen, einen Vormarsch der Industrie sowie von Elektronik, TV und Luftfahrt. Seit etwa 1985 erleben Unternehmen die fünfte Welle: Digitalisierung und das Internet haben die Wirtschaft und die Gesellschaft verändert, wie kaum eine Entwicklung zuvor. Seit einigen Jahren hat uns zugleich die sechste Welle erfasst: Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben vor allem „grüne“ Themen in den Vordergrund gerückt, aber auch Themen der sozialen Nachhaltigkeit rücken ins Bewusstsein.

Business Countdown

Jede dieser Wellen bedeutete einen profunden Wertewandel, der die Struktur der Gesellschaft verändert hat – und damit auch die Struktur der Wirtschaft, erläutert Preveden, der auch Vortragender im Kurzprogramm „ESG und Nachhaltigkeit für Führungskräfte“ der WU Executive Academy ist. Außerdem wurden jeweils eine neue Art von Unternehmen hervorgebracht – Digitalisierung und Internet haben bekanntlich die Dominanz der großen Big Techs gebracht, wie etwa Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und OpenAI. Und genau das wird auch in der aktuellen Überlappung der beiden Wellen geschehen.

Der angesprochene Wertewandel hat sich dabei stets in S-Wellen vollzogen: Zuerst kaum bemerkt, ging es auf einmal rasch – davon wurden auch Unternehmen überrascht. Das ist auch für die beiden Wellen, in denen wir uns derzeit bewegen, zu erwarten. Genau ein solcher Wandel ist aber für Menschen schwer zu verstehen, weil wir ja eher linear denken. Unternehmen müssen daraus lernen.

Vladimir Preveden Portrait

Vladimir Preveden

  • Strategie- und Nachhaltigkeitsexperte

Man kann sich heute nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern muss antizipieren, welche Chancen sich aus der Überlappung der beiden Wellen für die eigene Geschäftstätigkeit ergeben, um vorne bzw. überhaupt mitspielen zu können. Dabei werden vor allem zwei Bereiche in den nächsten sechs Jahren eine zentrale Rolle spielen.

Die 4 Schlüssel-Technologien

Das Besondere unserer derzeitigen Situation ist aber die Überlappung von zwei Wellen – und genau das macht das strategische Planen so komplex und herausfordernd. Stöttinger und Preveden sehen besonders 4 große technologische Entwicklungen, die die Turbos der Veränderung in den kommenden Jahren sein werden:

1. Quantencomputing

Das Besondere an Quantencomputern: Sie arbeiten ganz anders als herkömmliche Rechner. Während deren Bits nur den Zustand 0 oder 1 kennen, können die sogenannten Quantenbits (oder Qubits) dazwischen und dank Überlagerung auch mehrere Zustände gleichzeitig annehmen. So werden Berechnungen um ein Vielfaches schneller durchgeführt. Laut Prognosen sollen derartige Super-Computer bereits 2030 kommerzielle Reife erlangen. Um Umkehrschluss bedeutet das, dass sie dann zu leistbaren Preisen verfügbar sein werden. „Das wird zweifellos einen enormen Einfluss auf Simulationsmethoden, Datenanalysen, Vorhersagemodelle, Forecasting und viele andere Bereiche haben“, sagt Preveden. Zudem wird alles, was wir uns zum Thema Cybersecurity in den letzten Jahren erarbeitet haben, auf den Kopf gestellt: Die meisten heute verwendete Passwörter – und seien sie noch so komplex – werden mit den superschnellen Rechnern zu knacken sein. „Auch Deep Fakes werden dann neue Höhenflüge erleben“, so Stöttinger: „Die Unterscheidung, was real und was virtuell ist, wird um vieles schwieriger – mit noch nicht absehbaren Folgen auf unser gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches Leben.“

Quantencomputer werden schon lange als der nächste Schritt in der digitalen Datenverarbeitung angekündigt. Bald könnte es tatsächlich Realität werden. Bild erstellt mit Dall E in ChatGPT
Quantencomputer werden schon lange als der nächste Schritt in der digitalen Datenverarbeitung angekündigt. Bald könnte es tatsächlich Realität werden. Bild erstellt mit Dall E in ChatGPT

2. Künstliche Intelligenz

Etwa die generative Künstliche Intelligenz, die auf Sprachenmodellen basiert, hat sich bereits seit Jahren ständig und rasch weiterentwickelt. Doch erst jetzt wurde auch Nicht-Experten durch die Einführung von ChatGPT bewusst, welche Möglichkeiten es schon gibt. „Nur ein geringer Teil der Führungskräfte verwendet aktuell derartige KI-Tools oder beschäftigt sich zumindest mit ihren konkreten Anwendungsmöglichkeiten. Das ist ein großer Fehler, weil sie bald nicht mehr (technologisch) anschlussfähig sein werden“, sagt Preveden, der davon überzeugt ist, dass sich immer neue Geschäftschancen – aber auch Risiken – durch KI entwickeln werden. Auch die etablierten KI-Modelle, die auf maschinellem Lernen basieren, entwickeln sich rasant.

3. Krypto und die Blockchain-Technologie

Kryptowährungen haben sich längst etabliert, auch für eindeutige Besitzrechte (Stichwort Non Fungible Tokens, kurz NFT) sind die Einsatzmöglichkeiten für Krypto bereits bekannt. „Krypto und die zugrundeliegende Blockchain werden als Grundlagentechnologien in den nächsten Jahren noch wichtiger werden“, meint Preveden und nennt drei ganz konkrete Beispiele:

  • Dezentralisierte Finanzen (DeFi)

Blockchain ermöglicht es zukünftig, traditionelle Finanzdienstleistungen zu dezentralisieren. Durch Smart Contracts können Nutzer Dienste wie das Verdienen von Zinsen, Kreditaufnahmen und Handel ohne zentrale Institutionen nutzen, was zu deutlich mehr Effizienz und Zugänglichkeit führt.

  • Lieferketten-Transparenz

Blockchain bietet eine zuverlässige Aufzeichnung von Transaktionen, ideal für das Management von Lieferketten. Unternehmen können damit die Herkunft und den Weg von Produkten genau verfolgen, was nicht nur die Qualitätssicherung, sondern auch die Fälschungsbekämpfung erleichtert.

  • Digitale Identitäten

Durch die Blockchain-Technologie können digitale Identitäten sicher verwaltet werden. Nutzer erhalten größere Kontrolle über ihre persönlichen Daten und können diese sicher und verifizierbar teilen, was den Datenschutz und die Online-Verifizierung verbessert.

Barbara Stöttinger Portrait

Barbara Stöttinger

  • Dekanin der WU Executive Academy

Diese Beispiele zeigen, wie Krypto und Blockchain das Potenzial haben, traditionelle Geschäftsmodelle zu disruptieren und eine breite Palette von Industrien zu transformieren, indem sie effizientere, transparentere und sicherere Systeme bieten.

4. Masters of the Metaverse

Das Metaverse als virtueller Raum wird von Technologien wie Virtual Reality und eben auch KI bzw. Blockchain unterstützt; unterschiedliche Unternehmen arbeiten bereits an der Weiterentwicklung solcher digitalen Umgebungen. „Die Einführung von ChatGPT hat das Thema Meterverse im letzten Jahr in die mediale Bedeutungslosigkeit in der öffentlichen Diskussion gedrängt. Viele Führungskräfte denken daher, dass es sich nur um einen Hype gehandelt hat bzw. nur etwas für Gamer oder junge Menschen sei“, so Stöttinger. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Metaversen sind gekommen, um zu bleiben - inzwischen digitalisieren sich ganze Städte im Metaverse. „Viele Markenhersteller wie Nike, Gucci oder Adidas entscheiden sich mittlerweile nicht selten dafür, lieber ins Metaverse zu expandieren, als einen neuen realen Markt aufzubauen“, sagt Stöttinger.

Und das hat einen guten Grund: Diese Unternehmen nutzen das Metaverse, um neue Kund*innenerlebnisse zu schaffen, ihre Marken zu digitalisieren und eine jüngere, technikaffine Zielgruppe anzusprechen. Sie erkennen die Bedeutung des Metaverse als einen neuen, innovativen Weg, um mit Kund*innen zu interagieren und ihre Produkte in einer sich ständig weiterentwickelnden digitalen Landschaft zu präsentieren.

An diesen vier Technologien wird in den nächsten Jahren für Unternehmen kein Weg mehr vorbeiführen. „Ein großer Irrglaube unter Führungskräften ist auch zu glauben, dass es bei der Beschäftigung mit diesen Schlüssel-Technologien um ein tiefes technisches Verständnis ihrerseits geht. Das stimmt aber nicht. Was zählt, ist vielmehr die Bereitschaft, diese Trends nicht zu ignorieren, sondern sie als Chance und nicht als Bedrohung zu sehen“, sagt Vladimir Preveden. 

Nachhaltigkeit als unverhandelbare Konstante

Neben den technologischen Paradigmenwechsel gibt es einen zweiten Themenkomplex, den Führungskräfte unbedingt im Auge behalten sollten: die Auswirkungen des Strukturwandels im Bereich der Nachhaltigkeit. Die EU hat sich dazu bekannt, bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr auszustoßen und 2030 ist ein wichtiger Zwischenschritt auf diesem Weg. Dieses Vorhaben hat für Unternehmen bereits jetzt umfassende Auswirkungen in Form von konkreten Regelwerken, von denen viele bereits in den kommenden Jahren schlagend - und damit verpflichtend - werden.

Das Thema Nachhaltigkeit kann von keinem Unternehmen mehr ignoriert werden. Wer erfolgreich sein will, muss sich damit auseinandersetzen.
Das Thema Nachhaltigkeit kann von keinem Unternehmen mehr ignoriert werden. Wer erfolgreich sein will, muss sich damit auseinandersetzen.

„Darunter stöhnen jetzt zwar die Unternehmen, die daraus resultierende Innovationskraft bietet aber gleichzeitig die Chance, die europäische Wirtschaft und speziell die Exportindustrie langfristig zu stärken. Dies gilt allerdings nur für vorausschauende und strategisch agierende Unternehmen und Führungskräfte, die sich den Chancen widmen und nicht die Regularien als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen nehmen“, so Preveden.

Das Thema Klimaschutz ist enorm facettenreich, was in der öffentlichen Diskussion bisweilen vergessen wird: Denn es geht nicht nur um Emissionen, sondern auch um Aspekte wie Energieerzeugung und -unabhängigkeit, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität. Und zudem ist Nachhaltigkeit nicht auf Umwelt und Klimaschutz reduziert, sondern beinhaltet natürlich auch Themen der sozialen Verantwortung, lokalen Wertschöpfung und Ethik. Heute kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, dieses zentrale Zukunftsthema in seinen verschiedenen Ausprägungen nur aus Sicht von Kommunikation und Marketing zu betrachten – was es braucht, ist eine fundierte, strategische Herangehensweise. Die Frage muss daher lauten: Wie kann es gelingen, einen Beitrag für unseren Planeten und unsere Gesellschaft zu leisten und gleichzeitig strategische Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen durch Nachhaltigkeit aufzubauen? Somit erhöhen Unternehmen auch ihre strategische Resilienz.

Fazit:

Die Gesellschaft ändert sich, die Wirtschaft ändert sich – und Unternehmen müssen das auch tun. 2030 kommt rascher, als wir glauben. Vorausschauende Unternehmen und Führungskräfte suchen sich genau jetzt Geschäftschancen an der Schnittstelle der beiden Wellen Digitalisierung/Internet und Nachhaltigkeit. Die Möglichkeiten sind da, aber es gilt sie zu nutzen. Bevor es zu spät ist.

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