COVID-19 und das Ende der Startups?

08. Februar 2021

Trugschluss in Zeiten der Krise, oder bittere Realität?

Wenn die Corona-Pandemie schon internationale Großunternehmen und ganze Volkswirtschaften erschüttert – wie sollen neue und unbekannte Startups da noch bestehen können? Müssen wir uns auf das Ende des weltweiten Gründungsbooms einstellen? Ist Gründen doch nur ein Schönwettersport? „Zu diesem Schluss könnte man kommen“, sagt Prof. Nikolaus Franke, wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation, „doch das genaue Gegenteil ist der Fall.“ Warum sich Krisenzeiten besonders gut zum Gründen eignen und warum sich noch mehr Menschen gerade jetzt in die Selbstständigkeit eines Startups wagen sollten, analysiert der Entrepreneurship- und Innovationsexperte der WU im Folgenden.

Bild einer Rakete als Symbo für Startup
Können neue und unbekannte Startups in schwierigen Zeiten bestehen, oder ist eine Krise Gründungs-Gift?

Die COVID-19-Pandemie und ihre Bekämpfung stellen einen der massivsten Änderungsschocks seit dem Ende des zweiten Weltkriegs dar. Wir erleben ihn als dramatische Wirtschaftskrise und soziale wie politische Zerreißprobe: Das Bruttoinlandsprodukt ist gefallen, die Arbeitslosenzahlen sind explodiert, die Zahl der Konkurse steigt stetig und die Staatsverschuldung läuft in vielen Ländern völlig aus dem Ruder. InvestorInnen und KonsumentInnen sind verunsichert. Man könnte meinen: Keine gute Zeit, um ein Unternehmen zu gründen.

Aus der Geschichte lernen

Doch ein Blick zurück kann bisweilen sehr erhellend sein. Auch in der großen Finanzkrise 2008 schien die Welt vor einem Abgrund zu stehen. Was vielen unter uns aber möglicherweise nicht bewusst ist: Gerade in dieser Zeit der fallenden Börsenkurse und ökonomischen Erschütterung wurden viele äußerst erfolgreiche und innovative Unternehmen wie Uber, Airbnb, WhatsApp, Instagram, Pinterest oder Slack gegründet.

Bild von den Apps zweier erfolgreicher Startup
Während der Finanzkrise 2008 wurden erfolgreiche Unternehmen, wie AirBnB oder Uber, gegründet. Foto © CC0 Licence

Aber woran liegt das? 3 Spezifika einer Krise sind dafür ausschlaggebend:

1. Mehr potentielle Entrepreneure = mehr Startups

Zunächst einmal gibt es mehr potenzielle UnternehmensgründerInnen. In Unternehmen laufen Sparprogramme. Budgets werden eingefroren. Aussichtsreiche Projekte werden auf Eis gelegt. Es gibt Einstellungsstopps und Entlassungen auch von hochqualifizierten ArbeitnehmerInnen. All dies schafft eine große Basis von Menschen, die Chancen sehen, die nach neuen Möglichkeiten suchen und teilweise suchen müssen, von Menschen, die mit einem Mal aus ihrer persönlichen Komfortzone gedrängt werden.

2. Die Nachfrage verschiebt sich = unternehmerische Chance

Der gegenwärtige Zwang zu Homeoffice führt zu einem steigenden Bedarf an Kommunikationsmedien und Teamplattformen. Die Lockdowns fördern unter anderem Online-Shopping, Lieferdienste und Unterhaltungssoftware. Gestiegene Hygieneerfordernisse erhöhen die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln. Gleichzeitig entstehen aber auch neuartige Bedürfnisse. Masken, COVID-Schnelltests und -impfstoffe sind Beispiele dafür. Eine verstärkte Nachfrage wiederum schafft den Spielraum für Innovationen und neue Geschäftsmöglichkeiten, den UnternehmensgründerInnen brauchen. 

3. Angebotsseite: träge Tanker vs. reaktionsschnelle Jetski

Die neuartige Nachfrage trifft drittens auf eine Angebotsseite, die Startups Chancen eröffnet. Viele bestehende Unternehmen sind mit sich selbst beschäftigt. Sie kämpfen ums Überleben. Kostensenkungsprogramme und Restrukturierungen erschweren langfristige Investitionen, wie Innovationen es nun mal sind. Dazu kommt, dass Großunternehmen notorische Schwächen in Bezug auf Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit haben. Schon mittelständische Unternehmen sind oft wesentlich schneller. Der Unterschied zwischen großen und kleinen Unternehmen wird oft mit dem Vergleich von Tankschiffen und Schnellbooten illustriert. Und wenn mittelständische Unternehmen in ihrer Wendigkeit an Schnellboote erinnern, dann sind Startups wie Jetski.

Bild eines Jetskis und Öltanker als Vergleich Startup - Tanker
Kleine Unternehmen sind viel flexibler und können schneller auf neue Gegebenheiten reagieren als große - wie ein Jetski im Vergleich zu einem Öltanker. Fotos © CC0 Licence

Keine ökonomische Organisationsform ist auch nur ansatzweise so agil wie ein kleines GründerInnenteam. Weder Bürokratie noch Koordinationserfordernisse halten sie zurück. In der Vergangenheit etablierte Strukturen, die sich zäh gegen Veränderung stemmen, gibt es nicht. Wenn sie am Morgen eine Idee haben, haben sie zu Mittag bereits die ersten Schritte in Richtung Umsetzung gemacht. Damit können Startups einen wesentlichen Beitrag leisten, um das durch die Krise entstandene Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage schnell auszugleichen – und so helfen, die Krise zu überwinden.

Zauberformel im Kampf gegen globale Herausforderungen

Noch ein weiterer Effekt wäre wünschenswert. Die COVID-19-Pandemie führt der Gesellschaft ihre Verwundbarkeit vor Augen. Das Virus ist aber nicht die einzige „Grand Challenge“, vor der wir stehen, und wo wir entsprechend unternehmerische Ideen und innovative Lösungen brauchen. Klimawandel, Migration, Energiesicherheit und demografische Verschiebungen sind Beispiele für solche Herausforderungen. Erste Anzeichen dafür, dass sich Startups mit ihrer kreativen Energie besonders auch in diese Bereiche einbringen, sind unverkennbar. Ein schönes Beispiel ist das Startup „Dachgold“ mit der Initiative „Tausendundein Dach“. Unsere ehemalige Studentin Cornelia Daniel verfolgt mit ihrem Team das Ziel, Firmendächer mit Solarzellen auszurüsten. Aktuell haben sie das schon bei 648 Dächern geschafft und damit einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz geleistet und die begehrte Auszeichnung zur „Österreicherin des Jahres 2020“ erhalten. Die Menschheit kann durch einen solchen Gründungsboom nur gewinnen.

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