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Interview-Serie mit CEO Clemens Först
Bahnlogistiker Rail Cargo Group macht sich zukunftsfit – mit Expansion nach China, Shuttle-Verkehren und digitalen Tools, wie CEO Clemens Först im Interview erzählt.
18 Monate lang hatten die TeilnehmerInnen des Universitätslehrgangs für Logistik & Supply Chain Management ihr Fachwissen und ihr praktisches Know-how vertiefen können. Nun stand der erfolgreiche Abschluss bevor: Kürzlich lud Lehrgangsleiter Prof. Sebastian Kummer die TeilnehmerInnen des Jahrgangs 2016-18 zur Schlussveranstaltung ins Library & Learning Center der WU Wien. Im Rahmen von „Meet Logistics Leaders“ konnten die Alumni Keynotes von Speakern aus der Wirtschaft verfolgen und sich über Branchenthemen austauschen. Clemens Först, CEO der Rail Cargo Group, berichtete über die Digitalisierung der Schiene und die Konkurrenz der Straße.
Die staatsnahe ÖBB-Tochter Rail Cargo Group ist mit einem Einsatzgebiet von 18 Ländern zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer, mit einem Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro und mit knapp 30 Milliarden Tonnenkilometern Eigentraktion der zweitgrößte Bahnlogistiker Europas nach der Deutschen Bahn. Die Rail Cargo Group deckt die gesamte Wertschöpfungskette der Bahnlogistik ab, vom Bahnspediteur (Marke Rail Cargo Logistics) über den Intermodaloperator (Marke Rail Cargo Operator) bis zum Traktionär (Marken Rail Cargo Austria, Rail Cargo Hungaria, Rail Cargo Carrier), Wagenhalter (Rail Cargo Wagon), Terminalbetreiber (Rail Cargo Terminal) und Instandhalter (ÖBB Technische Services). „Wir sind der einzige Bahnbetrieb Europas, der in den vergangenen fünf Jahren durchgehend positive Zahlen vorweisen konnte“, sagt Clemens Först.
Im Interview erzählt er, wie die Rail Cargo Group in Zukunft auf Schiene bleiben will.
Herr Först, die Rail Cargo Group hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend internationalisiert. Wie das?
Clemens Först: Ja, wir haben uns sehr international aufgestellt. Heute findet knapp 50% unserer Güterverkehrsleistung im Ausland statt, vor 10 Jahren waren es noch de facto 0. Wir haben in Österreich mit 32,4% auch den größten Modalanteil innerhalb Europas, nur in der Schweiz ist er größer. Derzeit arbeiten wir an der Expansion in China: Wir wollen für hochwertige Güter eine echte Konkurrenz zur Schifffahrtslogistik werden.
Wie weit sind Sie bereits in China?
Först: Von Juli bis November konnten wir bereits 36 Züge anbieten, die entweder komplett über die GUS Strecke oder auf der EU-Strecke von uns geführt wurden. Die Routen führen beispielsweise über Italien, Österreich, Tschechien, Polen, Weißrussland, Russland, Kasachstan und China. Durch ein ausgeklügeltes Transportkonzept und den Zusammenschluss professioneller Partner ist es hier möglich in nur 17 Tagen die eurasische Landbrücke per Containerzug zu bewältigen. Für das kommende Jahr planen wir darüber hinaus ein beträchtliches Wachstum.
Wie wird der Markt der Zukunft für die Bahnlogistik aussehen?
Först: Der Anteil der Schwerindustrie und der klassischen Bahnbranchen, wie Holz, Stahl, Rohstoffe ist in unserem Verkehrsmix rückläufig. Das liegt an der zunehmenden Deindustrialisierung Europas – die Schwerindustrie nimmt ab, die Veredelungsindustrie zu. Wachstum erleben wir in Industrien wie Automotive, Consumer Goods und Intermodalverkehren. Diese sind margentechnisch jedoch deutlich herausfordernder, weil sie im direkten Wettbewerb zum LKW stehen, bezüglich Preis und Flexibilität.
Wie bereiten Sie sich auf diese Entwicklungen vor?
Först: Einerseits investieren wir viel Zeit und Energie in das Thema Digitalisierung, sowohl unserer internen Prozesse als auch unserer Kundenschnittstelle. Die Kunden in den Wachstumsindustrien sind üblicherweise keine Großkunden mit hoher Expertise im Bahnbereich, wir müssen also den Zugang zum System Bahn deutlich vereinfachen. Benchmark ist auch hier die der LKW.
Auf der Produktseite sehen wir die Zukunft im hochfrequenten Shuttleverkehr zwischen europäischen Wirtschaftszentren für einzelne Wagen oder Wagengruppen. Der Antwerpen Shuttle etwa verbindet fünfmal wöchentlich Antwerpen mit Österreich. Durch den durchgehenden Triebfahrzeugeinsatz in Deutschland und Österreich erreichen wir eine Gesamtlaufzeit von nur 24 Stunden, während im traditionellen Einzelwagenverkehr zwischen Staatsbahnen eine Laufzeit von mehr als 48 Stunden üblich ist. Dadurch können wir den immer volatilerem Mengenaufkommen unserer Kunden begegnen und den Bahntransport zunehmend flexibel gestalten.
Ist der Gigaliner eine Bedrohung für die Rail Cargo Group?
Först: Zumindest ein großer Ansporn. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Preisentwicklung auf der Schiene jener der Straße folgt. Wenn die Kosten auf der Straße aufgrund von Innovationen sinken – zum Beispiel durch den Gigaliner oder Platooning – so hat das direkte Auswirkungen auf unsere Preisstruktur. Daher arbeiten wir intensiv an der Entwicklung von konkurrenzfähigen, innovativen Produkten. Neben unserem Gestaltungsspielraum als Güterbahn, ist auch die Verkehrspolitik gefragt, einen makroökonomisch optimalen Verkehrsmix für die Zukunft sicherzustellen. Im Straßenverkehr sind signifikante gesellschaftliche Kosten nicht in die betriebswirtschaftlichen Kosten internalisiert. Dieses Ungleichgewicht muss verkehrspolitisch kompensiert werden.
Welche Maßnahmen der Digitalisierung hat Rail Cargo bereits ergriffen?
Först: Wir arbeiten einerseits über diverse Kanäle wie zum Beispiel Hackathons an der Ideengenerierung, sowohl intern als auch mit Kunden und allen Interessierten. Im ÖBB Design Thinking Lab werden diese Ideen konkretisiert und im Rahmen von Piloten getestet. Ein Beispiel dafür ist eine Buchungsplattform für nicht genutzte Kapazitäten in Shuttle-Verkehren, wie zum Beispiel dem Antwerpen Shuttle mit dem wir heutige Nicht-Bahn-Kunden von unserem Angebot überzeugen wollen.
Werden Spediteure irgendwann aufgrund der Digitalisierung obsolet?
Först: Mittelfristig wird die klassische Speditionstätigkeit, vor allem für standardisierbare Geschäfte, über Online-Plattformen abgewickelt werden. Das Berufsbild wird sich zunehmend verändern, während gleichzeitig neue Berufe entstehen werden.
Warum hat es Sie eigentlich in die Bahnbranche verschlagen?
Först: Management von Komplexität, aber vor allem die Reduktion von Komplexität hat mich schon immer fasziniert und die Bahnwelt ist dafür ein ideales Betätigungsfeld.
Im zweiten Teil unserer Interview-Serie wird Klaus Schierhackl, Vorstand der ASFINAG, über die Zukunft der Straße durch autonomes Fahren berichten.
Erfahren Sie hier mehr über die Inhalte im Universitätslehrgang für Logistik & Supply Chain Management.