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Warum es besser ist, der Disruptor zu sein, als es anderen zu überlassen
Können Sie uns, bitte, Ihren bisherigen beruflichen Werdegang schildern? Welches waren die prägendsten Stationen in Ihrem Leben? Warum?
Ich war schon immer von der Kraft der Ideen fasziniert. Eine eigene Idee zu verwirklichen, damit auch andere sie erleben können, ist seit je mein Traum. Deshalb habe ich Drehbuch und Fotografie studiert. Ich wollte in der Kreativwirtschaft tätig sein, vielleicht Regisseur oder Fotograf werden. Während des Studiums an der Filmschule in Deutschland nahm ich gemeinsam mit einem Freund regelmäßig an Pitchwettbewerben teil. Finanziert wurden diese von Unternehmen, die für die Produktion von Werbefilmen auf der Suche nach unverbrauchten und relativ billigen kreativen Talenten waren. Wir hatten so großen Erfolg, dass wir beschlossen, noch als Studenten eine Videoproduktionsfirma zu gründen.
Unser Wettbewerbsvorteil war, dass wir das Gesamtbild im Blick hatten, anstatt uns nur auf das Video, an dem wir gerade arbeiteten, zu konzentrieren. Das Markenerlebnis in seiner Gesamtheit und wie genau dieses Video die Markengeschichte weiter ausbauen würde. Das führte dazu, dass KlientInnen zunehmend mit der Bitte an uns herantraten, wir mögen sie über Videoproduktionen hinaus betreuen, und so wurde unser Unternehmen rasch zu einer Kommunikationsagentur mit vollem Leistungsspektrum und zwei Büros in Berlin und Wien. Ich hatte Blut geleckt. Eine starke Markengeschichte entwickeln, sie bis zur Umsetzung vorantreiben und damit ein bedeutungsvolles emotionales Erlebnis schaffen – das war es, was ich machen wollte.
In der Anfangsphase des Aufbaus unseres Start-ups erkannte ich rasch, dass es mir mit meinem kreativen Know-how allein nicht möglich sein würde, den von mir angestrebten Businessimpact zu erzielen. Also bildete ich mich an der WU Executive Academy weiter. Zuerst absolvierte ich den Universitätslehrgang Werbung & Verkauf und in weiterer Folge den PMBA Marketing & Sales.
2013 gab es bei mir große Veränderungen: den Abschluss des MBA-Studiums an der WU, den erfolgreichen Verkauf unseres Start-ups an eine große Agentur und den beruflichen Wechsel zu KISKA in Salzburg. KISKA ist eine international führende Kreativberatungsagentur. Wir unterstützen Unternehmen dabei, durch Marke und Design Impact zu erzielen. Wir schaffen mittels Co-Creation attraktive Produkte und Erlebnisse bzw. Erfahrungen, die gleichsam das Wesen einer Marke ausmachen. Um die Performance etablierter Marken zu steigern und das Potential neuer Wachstumsmotoren zu erschließen, verbinden wir Strategie und Umsetzung auf allen Ebenen. Ich habe als Account Manager begonnen und war in dieser Funktion für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder und die Betreuung bestehender globaler Accounts verantwortlich – mit besonderem Fokus auf internationalen Marken in den Bereichen Verkehr und Lifestyle. 2016 wechselte ich nach Shanghai, um die Präsenz von KISKA in China von null an aufzubauen und das dortige Team als General Manager zu führen. Im selben Jahr widerfuhr mir die Ehre, dass man mir das Angebot machte, Partner von KISKA zu werden.
Von Shanghai aus arbeite ich mit den globalen Teams von KISKA an strategischen Marken- und Designinitiativen für etablierte Unternehmen und Start-ups, um so einen Beitrag zur Erreichung der Geschäftsziele zu leisten.
Was war Ihr größter beruflicher/persönlicher Erfolg?
Die Chinapräsenz von KISKA von null an aufzubauen und den Impact zu sehen, den wir für unsere KlientInnen auf globaler Ebene erzielen, gibt mir wirklich viel Energie. Risikolos ist die Sache natürlich nicht gewesen. Investitionen in einen mit großer Unsicherheit behafteten Markt waren vonnöten, und ich musste mit meiner Familie von Salzburg nach Shanghai übersiedeln.
Ich persönlich finde die Entwicklung in der Autoindustrie hin zu neuen Antriebssträngen sehr spannend. Bewegung und Emotion – beides ist tief in der DNS von KISKA verwurzelt. Wir schaffen von jeher physische und emotionale Erfahrungen bzw. Erlebnisse mit großer Wirkkraft. Was nur wenige wissen: KISKA ist ein Pionier im Bereich Elektrofahrzeuge. Das KTM Freeride E war das erste E-Motorrad in Serienproduktion. Wir werden KTM und anderen globalen Marken, die sich in der E-Mobilität mit Entschlossenheit profilieren wollen, auch weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Was war die größte Herausforderung, mit der Sie sich konfrontiert sahen? Was war Ihr größter beruflicher Fehler (aus dem Sie viel gelernt haben)?
Es wird zunehmend klar, dass es zur Bewältigung der komplexen Wirtschaftsprobleme von heute unterschiedlichster Perspektiven und Kompetenzen bedarf. Multidisziplinäre, funktionsübergreifende Teams – keine isolierten Silos – sind für den wirtschaftlichen Erfolg entscheidend. Aus der Forschung wissen wir aber auch, dass die Leistung von Teams, in denen Diversität herrscht, weniger gut ist als jene von homogenen, wenn es an einem bewussten Prozess fehlt, durch den die Teams zum Umgang mit dieser Vielfalt befähigt werden. In heterogenen Teams müssen die Mitglieder zuallererst die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede verstehen und sich überlegen, was der oder die Einzelne zum Erfolg beitragen kann.
Ich habe in der Vergangenheit den Fehler gemacht, zu glauben, Teamvielfalt allein genüge, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Heute weiß ich, dass wir WeltmeisterInnen in Sachen Zusammenarbeit sein müssen, bevor wir BranchenweltmeisterInnen werden können. Deshalb machen wir uns bei jedem einzelnen Projekt ganz bewusst Gedanken über die Zusammenstellung von Teams, die erforderlichen Kompetenzen und die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten. So entstehen multidisziplinäre Teams, die ihr Potential voll ausschöpfen können und Ergebnisse erzielen, die wirklich mehr sind als die Summe ihrer Einzelteile.
Welches waren die drei prägendsten Erfahrungen in Ihrem bisherigen Leben, die Sie dorthin gebracht haben, wo Sie jetzt sind?
Mit Geschwistern aufzuwachsen und festzustellen, dass die besten Spiele die selbst erfundenen sind.
Ein Start-up mitzugründen, zu skalieren und zu verkaufen. Mit all den atemberaubenden Höhen und schmerzlichen Tiefen.
China zu erleben und die Erfahrung zu machen, dass hier alles möglich – aber nichts leicht – ist.
Wie würden die drei Ratschläge lauten, die Sie dem talentiertesten weiblichen High Potential in Ihrem Unternehmen für ein erfolgreiches und erfüllendes Leben mitgeben?
Trau dich, Impact zu erzielen: Der Impact, den wir für unsere KlientInnen erzielen, ist für mich der größte geschäftliche Wert und zugleich persönliche Erfüllung. Gemeinsam können wir es wagen, den Status quo in Frage zu stellen, bedeutungsvolle Erfahrungen zu schaffen und Marken zu gestalten. Um erfolgreich zu sein, müssen wir rasch und mutig entscheiden, volle Verantwortung übernehmen und als Team zusammenarbeiten.
Bleib extrem neugierig: Hervorragende Ergebnisse kann es nur dann geben, wenn wir verschiedenste Perspektiven offen zusammenbringen. Das führt unweigerlich zu Meinungsverschiedenheiten. Such unerbittlich nach der besten Idee. Nicht deiner besten Idee. Hör niemals auf zu lernen und frag dich immer: „Was habe ich nicht im Blick?“ Sei bereit, deine Meinung auf der Grundlage neuer Informationen zu ändern.
Versteh den Faktor Mensch: Fast schon zu offensichtlich, aber trotzdem oft übersehen: Man kann andere nicht mit jenen Argumenten überzeugen, die einen selbst motivieren. Es ist wichtig, zu verstehen, was für Motive, Bedürfnisse und Zweifel die jeweilige Person antreiben. Dann kommt es darauf an, auf deren individuelle Bedürfnisse einzugehen und dabei authentisch zu bleiben.
Wie würde Ihr Team Sie in fünf Wörtern als Führungskraft charakterisieren?
Optimistisch, rasch handelnd, fordernd, kantig.
Was hat sich durch Ihr MBA-Studium beruflich verändert? Wie war Ihnen die Ausbildung dabei behilflich, Ihre Karriereziele zu erreichen? Was für Entwicklungsmöglichkeiten haben sich daraus konkret ergeben?
Das MBA-Studium war eine in hohem Maße transformierende Erfahrung. Das Erste, was mir in diesem Zusammenhang einfällt, ist die Erkenntnis, wie viel sich durch Zusammenarbeit erreichen lässt. Bei den Gruppenarbeiten standen wir vor Herausforderungen, die niemand – auch mit noch so viel Klugheit und harter Arbeit – im Alleingang hätte bewältigen können. Es ist also wichtig, die individuellen Stärken der Teammitglieder zu kennen und sich Gedanken zu machen, was jede und jeder Einzelne beizutragen vermag. Für mich war diese Erfahrung überaus prägend.
Zweifelsohne hat der MBA-Abschluss auch wesentlich zur Beschleunigung meiner Karriere beigetragen. Durch ihn erhielt ich die Möglichkeit, Mitarbeiter von KISKA zu werden und relativ schnell ins Führungsteam aufzusteigen.
Auf persönlicher Ebene war die MBA-Erfahrung besonders wertvoll, da ich mit einer unglaublich vielfältigen und internationalen Peergroup zusammenarbeiten und von ihr lernen konnte. Diese Vielfalt und globale Perspektive wollte ich auch nach Abschluss der Weiterbildung nicht missen. Der Wechsel zu KISKA war deshalb genau das Richtige für mich, denn dort sind Menschen aus über 35 Ländern tätig.
Wie haben Sie es in puncto Arbeitsaufwand geschafft, das MBA-Studium mit einem anspruchsvollen Beruf und Ihrem Familienleben zu vereinbaren?
Um ehrlich zu sein, es war alles andere als einfach. Als ich mit dem MBA begann, war ich gerade mittendrin, mein Start-up aufzubauen. Ich musste mich um Aufträge kümmern und Projekte managen. Meine Tochter Alma hatte gerade ihren zweiten Geburtstag gefeiert. Zusätzlich zur fordernden Arbeit für das MBA-Studium hatte ich mich einem internationalen Forschungsprojekt angeschlossen. Unter der Leitung des Betreuers meiner Abschlussarbeit, Prof. Dr. Andreas Strebinger von der York University in Toronto, untersuchten wir ethnische Vielfalt in der Werbung für Luxusautos. Am Projekt war ein über drei Kontinente verteiltes Team beteiligt, das in China, Japan, Kanada und Österreich Feldforschung betrieb, und die Zusammenarbeit via Onlinemeetings nahm unzählige Wochenenden in Anspruch.
Klarerweise kann man so ein Arbeitspensum nicht ohne Kompromisse bewältigen. Man muss konsequent Prioritäten setzen und sollte das unterstützende Netzwerk aus Familie und FreundInnen auf zwei herausfordernde Jahre vorbereiten. Ohne meine Frau, die mir eine unglaubliche Stütze war, hätte ich das alles nicht bewerkstelligen können.
Was bedeutet für Sie „wahrer Luxus“?
Die KISKA-Zentrale liegt in Salzburg, direkt am Fuße des Untersbergs. Dank der flexiblen Arbeitszeiten ist es möglich, im Winter in der Mittagspause Ski zu fahren. Im Sommer kann man inmitten des atemberaubenden Bergpanoramas laufen oder Rad fahren gehen. Ich halte das für einen wahren Luxus und genieße ihn, wann immer ich in Salzburg bin.
Das letzte Buch/der letzte Film, wofür Sie sich begeistern konnten?
Bei KISKA leben wir ständig in der Zukunft, denn wir planen und designen für Produkte, die erst in drei Jahren oder noch später lanciert werden. Im Zuge von Filmabenden mit der Familie die „Zurück in die Zukunft“-Trilogie wieder einmal anzuschauen, hat großen Spaß gemacht – vor allem, zu sehen, wie sehr meiner Tochter die Blockbuster meiner Kindheit gefallen haben und welche der Zukunftsprognosen von damals wahr geworden sind.
Mit wem würden Sie gern einmal für einen Tag tauschen?
Mit meiner Tochter Alma. Sie ist jetzt zehn und kommuniziert auf Deutsch, Englisch und Chinesisch. Ich hätte gern einen Tag lang ein Gehirn wie das ihre, das Informationen aufsaugt wie ein Schwamm!
Über mich selbst. Man darf sich nicht zu ernst nehmen. Alle aus denen man lernen und aus denen man wachsen kann. Bei meiner ersten Chinareise vor fast sechs Jahren wollte mich ein chinesischer Geschäftspartner schocken. Er bestellte das ungewöhnlichste Gericht, das es im Restaurant gab – es stand nicht einmal auf der Karte: gekochte Seegurken. Sie waren stachelig und schleimig, aber ich aß sie ohne Zögern. Die anwesenden ChinesInnen waren baff und beschlossen, dass ich nunmehr ein halber Chinese sei. Viele andere höchst außergewöhnliche Gerichte sollten folgen. We Chat. Alles in China läuft über WeChat - von der privaten und geschäftlichen Kommunikation, über das Buchen von Flugtickets, bis zum Blumenkauf bei StraßenhändlerInnen. Österreichischen Käse. Es entspricht zwar nicht ganz den chinesischen Zollvorschriften, aber wann immer ich in Österreich bin, packe ich alle möglichen österreichischen Köstlichkeiten in meinen Koffer. Käse ist in meiner Familie der absolute Favorit. Irgendetwas, wenn man kein Bargeld mehr hat, kann man schließlich immer noch über WeChat bezahlen. Dass mein Start-up im Gefolge der Finanzkrise schnell und entschlossen zu gründen, die beste Option sei, um der damals herrschenden Unsicherheit zu begegnen. Dass ich so die Möglichkeit hätte, Chancen zu nutzen, die weniger flexible, größere Unternehmen nicht ergreifen konnten. Dass ich, obwohl ich jetzt Teil eines großen Unternehmens bin, weiterhin mit derselben Schnelligkeit und Entschlossenheit agieren muss wie vor 10 Jahren. Komplexität und Selbstzufriedenheit sind die stillen Unternehmenskiller. Der Wandel ist das einzig Beständige. Deshalb disruptieren wir uns entweder selbst oder warten, bis wir von anderen disruptiert werden. Weitere außergewöhnliche Career Stories unserer TeilnehmerInnen und Alumni lesen Sie hier.Wordrap