Der Biologe als Entrepreneur

12. März 2021

Wie der Entschluss für einen MBA zum eigenen Unternehmen führte

Kannst Du uns bitte erzählen, wie sich Deine Karriere bis jetzt entwickelt hat? Welches waren die prägendsten Stationen in Deinem bisherigen Leben?

Als ich 2011 mein Biologiestudium abschloss, stand ich vor der Wahl meinen PhD zu machen oder einen Job in der Privatwirtschaft zu suchen. Ich entschied mich für letzteres mit dem Hintergedanken, jederzeit wieder in das akademische Setting zurückkehren zu können falls es mir doch nicht gefiel. Dass ich dann fast 10 Jahre in der Pharmabranche tätig sein würde und zwar in derselben Firma hätte ich damals selbst nicht geglaubt. Ich habe diese Entscheidung aber nie bereut, ganz im Gegenteil. Zu Beginn arbeitete ich noch rein im wissenschaftlichen Bereich, wechselte aber dann sehr bald ins Marketing, ein Schritt der sich später als goldrichtig erwies. Auch hier durchlief ich mehrere Positionen, vom Product Manger bis zum Brand Lead. Ich hatte nun die Möglichkeit, meine kreative Seite weiterzuentwickeln, Verantwortung zu übernehmen und vor allem zu gestalten. Es war bestimmt einer der prägendsten Phasen in meiner Karriere, da ich wusste, dass Marketing ab nun immer ein fester Bestandteil davon sein sollte. Aus diesem Grund entschied ich mich auch dafür, mein MBA-Studium mit der Spezialisierung in Marketing & Sales zu machen. Dass dieser Entschluss zumindest dazu beitragen sollte, dass ich heute selbständiger Unternehmer und Firmengründer bin, ahnte ich damals noch nicht.       

Hattest Du ursprünglich einen anderen Berufswunsch? Wenn ja, warum ist daraus nichts geworden?

Ich gehörte nie zu denjenigen die einen bestimmten Berufswunsch hatten. Wenn man mich als Kind vor die Wahl gestellt hätte, Feuerwehrmann oder Astronaut, hätte ich bestimmt beides gesagt. Meine Interessen liegen sehr breit gestreut, das war immer schon so. Womöglich ist dies auch der Grund weshalb ich vom anfänglichen Informatikstudenten, zum Biologen wurde, der über eine Karriere im Marketing zur Betriebswirtschaft kam und heute als Unternehmer in der Modebranche tätig ist. Vorhersehbar war dieser Werdegang wohl nicht aber im Nachhinein betrachtet passt alles perfekt zu mir und ich könnte mir nichts Besseres wünschen.

Du hast gerade ein Unternehmen gegründet. Wie würdest Du die Idee dahinter in zwei Sätzen beschreiben?

GUTWERK ist ein Netzwerk aus kleinen österreichischen Schneidereibetrieben, die nach einem made-to-order Konzept von uns entwickelte Taschen & Rucksäcke aus nachhaltigen Materialien fair produzieren und innerhalb weniger Tage direkt an die KundInnen versenden. Technischer ausgedrückt, handelt es sich um eine pull-type supply chain, bei der freie lokale Produktions- und Vertriebsressourcen durch Digitalisierung nutzbar gemacht werden, die dabei sonst üblichen längeren Wartezeiten durch eine Art resource pooling jedoch auf ein Minimum reduziert werden.

Woher kam die Inspiration dazu, GUTWERK zu gründen?

Die Inspiration für GUTWERK stammt ursprünglich aus einem Problem das viele verdrängen aber jeden etwas angeht. Die heutige Modeindustrie basiert zum Großteil auf der Ausbeutung von Menschen und unserer Umwelt. Eigentlich ist das bekannt, das Thema ist aber meistens nur dann medial präsent, wenn eine marode Fabrik einstürzt, Menschen sich das Leben nehmen oder ganze Flüsse auf einmal lila eingefärbt sind. Einerseits sehen wir hier gerne einfach weg, andererseits gibt es aber auch noch kaum echte Alternativen. Genau daraus entstand die Idee für GUTWERK. Immer mehr Menschen wollen nicht mehr wegsehen und sind auf der Suche nach Produkten, bei denen sie darauf vertrauen können, dass weder ihre Gesundheit, andere Menschen noch die Umwelt dadurch zu Schaden kommen. Viele Firmen schreiben sich diese Prinzipien zwar in ihre Richtlinien und schmücken sich mit schönen Zertifikaten, es gibt aber nur wenige die überhaupt zu diesem Zweck gegründet wurden. Gepaart mit der Liebe zu Design und Produktentwicklung hat GUTWERK bestimmt gute Voraussetzungen, um sich von der Masse abzuheben. Wir konnten auch schon zwei Preise für das innovative Businessmodell im Rahmen eines großen Wettbewerbes gewinnen, was natürlich weiteren Auftrieb verleiht. Trotzdem stehen wir erst ganz am Anfang und blicken mit leicht naiver Zuversicht in die Zukunft.   

Wie haben die Schneidereien auf Deine Pläne reagiert?

Ich muss zugeben, dass die Idee kleine lokale Schneidereibetriebe über ein digitales Netzwerk zu verbinden, um Taschen und Rucksäcke herzustellen und dann auch direkt zu versenden selbst mich etwas skeptisch machen würde. Wir haben also eigentlich mit viel „Stirnrunzeln“ und Ablehnung gerechnet und uns auf eine längere Suche eingestellt. Genau das Gegenteil war der Fall. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir extrem positives Feedback und so viele Zusagen, dass wir aktuell kaum mit der Einschulung und Musterproduktion nachkommen. Das war auf jeden Fall der Beweis dafür, dass genügend Ressourcen vorhanden sind, um lokal produzieren können und enorme Skalierungskapazitäten haben. Das betrifft nicht nur die Produktion von Taschen & Rucksäcken, denn eine spätere Erweiterung des Portfolios mit Kleidungsstücken, die on-demand in sehr kurzer Zeit produziert werden können, ist durchaus denkbar.  

Wie würdest Du den Stil der Produkte beschreiben und inwiefern sind sie nachhaltig?

Hochwertige Handarbeit in einem zeitlosen Design gemacht für den Alltag. Das Ziel einer jeden Entwicklung ist es, die Ästhetik mit dem Praktischen zu vereinen und das abseits kurzweiliger Modetrends. Wir verwenden dazu ausschließlich Stoffe aus recycelter Baumwolle, die hauptsächlich aus Alttextilien hergestellt wird sowie veganes Leder, das aus Bio-Resten, die bei der Wein- und Apfelsaftproduktion anfallen, produziert wird. Beides beziehen wir von den nächstgelegensten Herstellern, in diesem Fall aus Deutschland und Italien.

Welches war Dein größter beruflicher/persönlicher Erfolg?

Den Schritt vom Angestellten zum Unternehmer zu wagen ist wohl mein größter beruflicher als auch persönlicher Erfolg zugleich. Dabei geht es keineswegs darum, dass eines besser wäre als das andere. Es geht darum, gewohntes und vermeintlich sicheres Terrain zu verlassen, um neue Erfahrungen zu machen und sich weiter zu entwickeln. Den Willen und die Kraft dafür aufzuwenden sehe ich in jedem Fall als Erfolg, unabhängig davon wie weit die aktuelle Reise geht.

Wenn Du an das größte Talent in Deinem Unternehmen denkst, welche 3 Ratschläge würdest Du ihr/ihm mit auf den Weg geben, um ein erfolgreiches und erfülltes Leben zu führen?

  • Sag immer was du denkst, zum richtigen Zeitpunkt und der richtigen Person

  • Gehe Risiken ein, aber habe immer einen Plan B

  • Setz dir mind. ein großes Ziel im Leben und alle dafür notwendigen Zwischenschritte um dieses zu erreichen.

Mit welchen 5 Wörtern würde Dich Dein Team als Führungskraft am besten beschreiben?

  1. gerecht

  2. zielstrebig

  3. vertrauenswürdig

  4. zuverlässig

  5. teamplayer

Was hat sich nach Deinem MBA-Studium beruflich verändert? Wie war Dir die Ausbildung dabei behilflich, Deine Karriereziele zu erreichen? Welche konkreten Entwicklungsmöglichkeiten ergaben sich daraus?

Ich habe das MBA-Studium nicht gemacht um ein bestimmtes Karriereziel zu erreichen. Mein Ansporn war viel banaler, ich wollte einfach etwas lernen. Als jemand der sich sein betriebswirtschaftliches Wissen rein aus der Praxis und dem Job angeeignet hatte, konnte ich mich zwar ganz gut in meinem Umfeld behaupten, ich wusste aber, dass mir der theoretische Background fehlte, um wirklich wachsen zu können. Ich denke, dass ein solides Grundwissen extrem nützlich ist, um neue kreative Ideen zu finden und diese dann vor allem auch umsetzen zu können. Mit dem Studium an der WU Executive Academy habe ich nicht nur dieses Ziel erreicht, ich hatte auch die Möglichkeit, viele tolle Menschen kennenzulernen und Teil eines Netzwerks zu werden. Man hört sich zwar natürlich deutlich seltener als während des Studiums, aber man hat das Gefühl immer jemanden zu kennen, der einem bei den unterschiedlichsten Themen weiterhelfen kann, wenn man einmal einen Rat benötigt.    

Wie ist es Dir gelungen, den MBA mit einem anspruchsvollen Job und Deinem Familienleben in Einklang zu bringen?

Ja, das war nicht einfach. So eine Doppelbelastung kann auf Dauer ganz schön anstrengend werden. Zwei Faktoren waren in meinem Fall ganz wichtig, um die Situation gut zu meistern. Erstens habe ich mich vorab bei anderen AbsolventInnen erkundigt und wusste daher in etwa was auf mich zukommen würde. Ich konnte somit meine Familie und mich zumindest mental darauf vorbereiten. Der zweite wichtige Faktor war wohl den richtigen persönlichen Antrieb zu finden. Meiner war die Begeisterung für das Thema und der Wille neues zu lernen. Hätte ich das nur für den Titel getan, wäre mir die notwendige Motivation mit Sicherheit rasch verloren gegangen.    

Was bedeutet für Dich „wahrer Luxus“?

Die Freiheit seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können indem man das macht was man machen möchte. Ich hatte das große Glück, in Österreich geboren worden zu sein und diese Möglichkeit zu bekommen. Die meisten Menschen auf dieser Welt haben diesen Luxus nicht. Als jemand mit Migrationshintergrund und nahen Verwandten denen es ganz anders geht, weiß ich wovon ich spreche, denn in den Augen der meisten anderen bin ich bereits mit einem Lotto-Sechser auf Welt gekommen. Dies ist wohl mit ein Grund warum es für mich Zeit wurde, zumindest zu versuchen, die Welt ein Stück gerechter werden zu lassen.    

 

Das letzte Buch/der letzte Film, wofür Du Dich begeistern konntest?

Seven Strategies for wealth and happiness von Jim Rohn. Ein älteres Büchlein mit absolut zeitlosem Inhalt.

 

Mit wem würdest Du gern einmal für einen Tag tauschen?

Kurzgesagt, mit niemandem. Müsste ich tauschen, dann wohl mit einem guten Sänger. Ich liebe Musik aber singen ist wohl so ziemlich das einzige, dass ich niemals lernen werde so sehr ich mich auch anstrengen würde.

Wordrap

Darüber kann ich lachen:
Sarkasmus und schwarzen Humor.
Fehler, die ich am ehesten verzeihe:
Jeden, solange man sie zugibt.
Mein lustigstes/spannendstes Reiseerlebnis war:
Akute Blinddarmentzündung während eines 14-stündigen Fluges nach Argentinien, mit anschließender Not-OP in einem Vorort von Buenos Aires.
Ohne diese App auf meinem Handy könnte ich nicht leben:
Da gibt es zum Glück keine einzige.
In meinem Kühlschrank findet man immer:
Karottensaft von ja-natürlich. Der einzige abgepackte, den man trinken kann.
Mein letztes Geld würde ich ausgeben für:
Meine Frau.
Vor 10 Jahren dachte ich:
Ich sei unverwundbar...
Heute weiß ich:
...es besser.

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