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Entscheiden wie die Wharton-Profis
Führungskräfte stehen täglich vor der Herausforderung, fundierte und zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen. Doch angesichts immer komplexerer Rahmenbedingungen wird es zunehmend schwieriger, deren Tragfähigkeit und Treffsicherheit sicherzustellen. Gleichzeitig sind die Zeiten vorbei, in denen sich die Zukunft allein aus Erfahrungen ableiten ließ – klassische Analyse- und Prognoseverfahren greifen in unserer BANI-Welt oft zu kurz. Hier kommen Künstliche (KI) und kreative Intelligenz ins Spiel: Sie eröffnen neue Perspektiven, ermöglichen bessere Entscheidungen und bahnen innovative Lösungswege. Gideon Nave, Marketing- und Kreativitätsexperte an der Wharton School, und Monika Koller, wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Marketing & Sales, zeigen auf, wie genau die Verbindung von Kreativität, KI und kreativer Intelligenz als Zauberformel für bessere Entscheidungen in der Praxis funktioniert.
„Durch die fortschreitende Digitalisierung, den Einsatz von KI und andere technologische Lösungen entstehen gerade zahllose neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen und Hindernisse in Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb ist es gerade jetzt so wichtig, sich mit den psychologischen Aspekten des menschlichen Denkens und Handelns zu beschäftigen, die die Basis für unsere Entscheidungen sind“, sagt Monika Koller, wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Marketing & Sales an der WU Executive Academy.
Gemeinsam mit Gideon Nave, Marketing- und Kreativitätsexperte an der Wharton School in den USA, zeigt Monika Koller, wie Führungskräfte anhand von drei zentralen Dimensionen Künstliche Intelligenz, Kreativitätstechniken und kreative Intelligenz gezielt nutzen können, um künftig validere und tragfähigere Entscheidungen zu treffen.
Viele Führungskräfte glauben, dass eine größere Auswahl an Möglichkeiten automatisch zu besseren Entscheidungen führt oder dass zusätzliche Funktionen eines Produkts oder einer Dienstleistung mehr Kaufanreize für Konsument*innen schaffen. Gideon Nave ist davon überzeugt, dass genau das Gegenteil der Fall ist: „Die innovativsten Ideen entstehen in der Regel nicht durch das Hinzufügen neuer Elemente, sondern durch das bewusste Weglassen von Optionen."
Dieses Prinzip zeigt sich anhand einiger sehr erfolgreicher Produktinnovationen:
Twitter beschränkte die Textlänge eines Posts auf 140 Zeichen und schuf so eine völlig neue Kommunikationsform.
Der iPod Nano entstand, indem der Bildschirm des ursprünglichen iPods entfernt wurde, wodurch das Gerät kleiner und tragbarer wurde.
Uber ohne Fahrer? Ein autonomes Fahrzeug. Uber ohne Passagier? Ein Lieferdienst wie Uber Eats.
Die Subtraktionsmethode ist jedoch nicht nur in der Produktentwicklung nützlich, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Optimierung von Geschäftsprozessen oder der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen. Kreatives Denken ist hier der Schlüssel, um die wahre Essenz eines Prozesses oder Produkts zu erkennen. Es ermöglicht, unnötige Komplexität zu identifizieren und gezielt zu entfernen, um Platz für bahnbrechende Innovationen und strategische Entscheidungen zu schaffen.
Unternehmen können durch Subtraktion genau analysieren, welche Schritte in einem Prozess wirklich erforderlich sind. So lässt sich etwa prüfen, ob bestimmte Genehmigungsschleifen gestrichen oder automatisiert werden können, um Entscheidungswege zu verkürzen und die Effizienz zu steigern.
Erfolgreiche Geschäftsmodelle entstehen oft durch das Weglassen bestimmter Elemente. Ein klassisches Beispiel ist das Freemium-Modell, bei dem Unternehmen zunächst auf direkte Umsätze verzichten, um durch spätere Premium-Angebote Gewinne zu erzielen. Auf diese Weise revolutionierte Netflix den Markt, indem das Unternehmen physische Videotheken überflüssig machte und Streaming revolutionierte. Ein weiteres Beispiel ist Airbnb, das auf Hotels verzichtet und auf Vermietung von Privaträumen setzt.
Mehr Kund*innennutzen durch reduzierte Serviceangebote
Unternehmen haben die Möglichkeit, durch die Reduktion von Optionen oder Dienstleistungen ihren Kernnutzen stärker zu betonen. Beispielsweise setzen viele Fast-Fashion-Händler auf eine limitierte Auswahl an Zahlungsmethoden oder Rückgabeoptionen, um so operative Kosten zu senken und Effizienz zu steigern.
Auch Kund*innensegmente können gestrichen werden, um den Fokus auf eine spezifische Zielgruppe zu legen und so den Markt mit kund*innengerechteren Produkten und Dienstleistungen in der Tiefe zu bearbeiten. Die Sportschuhmarke Nike setzte bei der Markenpositionierung ab den 1980ern verstärkt auf professionelle Sportler*innen und nahm 1984 Basketballstar Michael Jordan unter Vertrag, statt auf den breiten Freizeitschuhmarkt zu setzen.
Aus der Perspektive des Konsument*innenverhaltens steht vor allem der wahrgenommene Produktnutzen im Mittelpunkt. „Kund*innen konsumieren nicht nur Produkte und Services an sich, sondern vielmehr den Nutzen und Wert, den sie daraus ziehen“, erklärt Monika Koller. Dabei geht es nicht nur um Funktionalität oder Preis-Leistungsverhältnis – auch emotionale und soziale Faktoren spielen eine entscheidende Rolle. Kreativität ist hier ein wertvolles Werkzeug, um den mehrdimensionalen Nutzen von Angeboten gezielt herauszuarbeiten.
Künstliche Intelligenz kann nicht nur Daten in unglaublicher Geschwindigkeit analysieren, sondern auch kreative Lösungen generieren – hierbei sprechen wir auch von kreativer Intelligenz. "Der Schlüssel liegt aber nicht darin, Entscheidungen komplett an die KI abzugeben, sondern sie als Co-Creator zur Ideen- und Entscheidungsfindung einzusetzen." sagt Experte Gideon Nave.
Insbesondere in den unterschiedlichen Phasen der Marktforschung findet kreative Künstliche Intelligenz vermehrt Anwendung - von der Konzeption, über die Datenerhebung und -auswertung hin zur Ergebnisdarstellung und Interpretation. KI kann dabei helfen, Muster zu erkennen, Zukunftsmodelle zu simulieren und unkonventionelle Ansätze vorzuschlagen. Die Überarbeitung sowie die finale Bewertung und letztendliche Entscheidung müsse jedoch immer mit kritischer Haltung geschehen und beim Menschen bleiben.
Monika Koller
Wenn Führungskräfte die Erkenntnisse aus der Marktforschung zur Entscheidungsfindung im Unternehmen heranziehen, ist es umso wichtiger, dass die kritische Reflexion nicht zu kurz kommt.
ChatGPT und Co.: Durch gezielte Prompts lassen sich unkonventionelle Perspektiven auf Herausforderungen gewinnen. Beispielsweise könnte eine Führungskraft zu ihrer Strategie fragen: "Was wäre das Gegenteil meiner aktuellen Strategie und welche Vorteile hätte sie?"
Datenbasierte Entscheidungsunterstützung: KI-Modelle können Muster und Gesetzmäßigkeiten erkennen, die für das menschliche Auge nicht offensichtlich sind, und so Risiken und Chancen früher identifizieren.
Ein datenbasiertes Vorgehen kann so beispielsweise in den Bereichen Marketing und Sales nicht nur als wertvolle Entscheidungshilfe dienen, sondern auch das Potenzial für eine gezielte Positionierung entfalten. Daten, die tiefgehende Einblicke in Bedürfnisse und Einstellungen der Zielgruppen bieten, ermöglichen es Führungskräften, besser auf die Erwartungen der Stakeholder*innen einzugehen – besonders in den herausfordernden Zeiten, die wir derzeit erleben.
Ein kreativer Ansatz, den Gideon Nave darüber hinaus empfiehlt, ist die "Task-Unification"-Methode: Bestehende Komponenten oder Features eines Produkts, einer Dienstleistung oder eines Prozesses werden gleichzeitig für mehrere Zwecke genutzt. Zwei Beispiele:
CAPTCHA-Abfragen dienen nicht nur zur Identifizierung von Menschen, sondern trainieren gleichzeitig KI-Modelle bei der Bilderkennung.
Das Duolingo-Modell nutzt Übersetzungsaufgaben in erster Linie zum Sprachenlernen, gleichzeitig dienen sie aber auch zur Verbesserung der eigenen automatischen Übersetzungssoftware – indem sie Antworten von User*innen entsprechend verwertet.
Auf Entscheidungen übertragen bedeutet das: Gibt es vorhandene Ressourcen oder Prozesse, die doppelt genutzt werden könnten, um die Effizienz zu steigern und einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren? „Beim Problem CO2-Emissionen könnte man beispielsweise die in der Produktion entstehende Abwärme über einen Wärmetauscher speichern und ins Heizungssystem umleiten“, sagt Gideon Nave. Microsoft etwa plant in Dänemark ab Herbst 2025 die in ihren Rechenzentren entstehende Wärme zur Beheizung von Wohngebäuden zu nutzen.
Einerseits bieten Digitalisierung und kreative Künstliche Intelligenz neue Möglichkeiten zur rationalen Entscheidungsunterstützung, andererseits wird es zunehmend wichtiger, die handelnden Personen nicht aus den Augen zu verlieren. KI kann wertvolle Daten und Muster liefern, die den Entscheidungsprozess verbessern, doch entscheidend bleibt die menschliche Intuition. Führungskräfte müssen die psychologischen und sozialen Aspekte menschlichen Verhaltens berücksichtigen, um fundierte und ethische Entscheidungen zu treffen. Nur durch die Kombination von KI und menschlicher Expertise wird eine ausgewogene und zukunftsfähige Entscheidungsfindung ermöglicht.
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