Machen Sie den Test: Ist Ihr Unternehmen bereit für Innovation?

29. July 2024

Wie entscheiden Sie sich?

Innovationen erfordern Mut, doch viele Unternehmen unterschätzen die Sicherheitsorientierung ihrer Mitarbeitenden und verstärken diese unbewusst, anstatt aktiv gegenzusteuern. Das Ergebnis sind Innovationsleistungen, die deutlich hinter den Anforderungen des Wettbewerbs zurückbleiben. Wie steht es um die Innovationskraft Ihres Unternehmens? Nikolaus Franke, wissenschaftlicher Leiter des Executive MBA Entrepreneurship & Innovation, lädt Sie ein, den Test zu machen und erklärt, warum er es in Sachen Innovation schon immer mit Winston Churchill gehalten hat: “Fear is a reaction. Courage a decision.”

Innovation in Unternehmen
Mut zur Innovation muss gefördert werden um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bild erstellt in ChatGPT mit DALL E

Innovation in Unternehmen: Unsicherheit als Treibstoff für Fortschritt

Ein Unternehmen, das Fortschritt durch Innovation erreichen möchte, sollte zunächst lernen Risiken zu akzeptieren. Denn Innovationen sind vor allem eines: Experimente. Jede neue Idee kann sich als unzureichend erweisen, auf falschen Annahmen basieren oder fehlerhafte Einschätzungen aufdecken. Wichtige Parameter können übersehen werden. Wettbewerbssituationen oder Kundenbedürfnisse können sich im Laufe des Entwicklungsprozesses ändern. Neue Rechtsvorschriften können entstehen, oder Schlüsselmitarbeitende in Projekten ausfallen.

Dennoch lohnt es sich – denn auch wenn Fehlschläge möglich sind, ist der potenzielle Nutzen einer Innovation oft größer als die mit ihr verbundenen Risiken.

Default Setting: Von Natur aus scheut der Mensch Risiken

Für einen Workshop mit Führungskräften eines Hightech-Unternehmens hat Nikolaus Franke einen Test entwickelt. In einer Entscheidungssituation stehen zwei Innovationsprojekte zur Auswahl:

  • Projekt A verspricht beträchtliche Profite, ist jedoch mit einem gewissen Risiko verbunden (80% Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn von 500.000 Euro, 20% für einen Verlust von 100.000 Euro).
  • Projekt B ist bescheidener, aber dafür sicher (100% Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn von 200.000 Euro).

Objektiv gesehen wäre Projekt A zu bevorzugen. Warum? Der Erwartungswert bei Projekt A (380.000 Euro) liegt deutlich über dem von Projekt B (200.000 Euro), wobei das 20% Risiko vernachlässigbar erscheint. Doch auch Manager*innen sind nur Menschen. Und Menschen sind grundsätzlich risikoavers. Lange Zeit war es besser, einmal zu oft vor einem unbekannten Tier zu fliehen, als den Säbelzahntiger zu streicheln. Wir gewichten Risiken dementsprechend höher als Chancen („Loss Aversion Bias“).

Portrait Nikolaus Franke

Nikolaus Franke

  • Akademischer Leiter des Executive MBA Entrepreneurship & Innovation

Zur Illustration stelle man sich eine Wette vor: Ich biete Ihnen an, dass Sie eine Münze werfen. Bei Kopf erhalten Sie von mir 10.000 Euro. Bei Zahl geben Sie mir 9.000 Euro. Würden Sie die Wette eingehen oder zögern Sie? Genau.

Fehlt auch Ihrem Unternehmen der Mut zur Innovation?

Bei einem Workshop war der anwesende Vorstand geschockt, als sich tatsächlich alle 20 Manager*innen für Projekt B entschieden. Verständlich! Für das Unternehmen wäre der erwartbare Gewinn von 20 Projekten „Typ B“ – im Vergleich zu 20 Projekten „Typ A“ (7,6 Mio.) - nur halb so hoch (4 Mio. Euro). Das Risiko wäre im Fall von 20 Projekten „Typ A“ jedoch praktisch dasselbe gewesen wie bei 20 Projekten „Typ B“. Nämlich (fast) null.

Innovationen bieten wertvolle Chancen für Unternehmen

Der Grund dafür ist, dass sich Risiken kumuliert ausgleichen. Mithilfe einer einfachen Bernoulli-Kette lässt sich berechnen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen geringeren Erfolg von 20 Projekten „Typ A“ im Vergleich zu 20 Projekten „Typ B“ nur 0,2% beträgt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass 20 A-Projekte insgesamt einen Verlust machen, beträgt sogar nur 0,000000007%. Und die Wahrscheinlichkeit des maximal möglichen Verlusts (alle 20 Projekte „Typ A“ misslingen und ein Verlust von 2 Mio. Euro tritt auf) zeigt nach dem Komma erst mal zwölf Nullen, bevor überhaupt eine 1 auftaucht. Selbst ein wahrer Angsthase wird mit so einem Risiko leben können.

Nimmt man an, dass die Entscheidungen der Führungskräfte im Experiment ihr wahres Verhalten reflektieren, dann stellt das Ergebnis dem besagten Unternehmen ein katastrophales Zeugnis aus. Um ein lächerlich kleines Risiko zu beseitigen, verschenkt es mehrere Millionen Euro. Ein solches Unternehmen kann im Innovationswettbewerb nicht bestehen. Ihm fehlt es an Mut.

Low Risk - High Risk Ladebalken - Indikator für Innovation in Unternehmen
Zu vorsichtiges Risikomanagement bremst Innovation – und damit die Wettbewerbsfähigkeit. Bild: shutterstock, Smile Studio AP

Ein offener Umgang mit Fehlern stärkt den Mut für Innovationen

Als das Ergebnis in dem Workshop diskutiert wurde, brachte einer der Manager die Ursachen für die vorherrschende Mutlosigkeit auf den Punkt: „Erfolge sind gut, da wird einem auf die Schulter geklopft. Aber wehe, man setzt mal ein Projekt in den Sand. Dann ist man bei uns sofort weg vom Fenster“. Kein Wunder, dass es im Unternehmen keinen Platz für Innovation gibt. Die Unternehmenskultur verstärkt die ohnehin bestehende Risikoaversion der Mitarbeitenden.

Mut fördern und belohnen: Was innovative Unternehmen gemeinsam haben

Eine der wichtigsten Komponenten für eine innovationsfördernde Unternehmenskultur ist, Raum für Fehler zu lassen und aktiv gegen Risikoaversion zu steuern. Es ist entscheidend, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ermutigt werden, Risiken einzugehen. Das bedeutet, sie für Mut zu loben. Dafür, dass sie etwas gewagt haben – auch wenn mal was danebengeht. Diese Erfahrungen bieten wertvolle Lernmomente für das gesamte Unternehmen.

Es ist ebenso wichtig, dass es sich individuell lohnt, Projekte des „Typs A“ zu verfolgen, auch wenn man weiß, dass sie schief gehen könnten. „Lohnen“ sollte es sich hier vor allem monetär, aber auch in Bezug auf die eigene Karriere und Reputation. Es braucht klare und eindeutig kommunizierte Maßnahmen hinsichtlich Innovation und auch Vorbilder. Wer einseitig Fehler bestraft, wird zwangsläufig Mutlosigkeit ernten.

Eine Risikoanalyse - eingehen oder vermeiden?
Man kann nicht verlangen, dass Mitarbeitende Risiken eingehen und dann werden sie gerügt, wenn etwas daneben geht – Mut sollte sich „lohnen“. Bild: shutterstock, Kenishirotie

Ist Ihr Unternehmen bereit für Innovation? Machen Sie den Test!

Fragen Sie Ihre Führungskräfte in einem anonymen Setting, welches der beiden Innovationsprojekte sie als Angestellte Ihrer Organisation lieber durchführen würden, wenn sie sich für eins entscheiden müssten. Bitten Sie sie um Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit.

  • Projekt A hat 80% Erfolgswahrscheinlichkeit. Ein Erfolg würde einen Gewinn von 500.000 Euro für das Unternehmen bedeuten. Ein Misserfolg jedoch einen Verlust von 100.000 Euro.
  • Projekt B hat 100% Erfolgswahrscheinlichkeit. Der Erfolg bedeutet einen sicheren Gewinn von 200.000 Euro für das Unternehmen.

Sie können nur eines der Projekte wählen und Ihr eigener Aufwand wäre gleich. Nehmen Sie an, die Zahlen sind absolut sicher und niemand erfährt, welche Alternative Sie ausgeschlossen haben. Für den Erfolg sind Sie allein verantwortlich. Welches Projekt würden Sie wählen?

Zählen Sie nun, wie viele Ihrer Mitarbeiten Projekte des Typus „A“ gewählt haben.

Auflösung: Welchem Innovationstyp entspricht Ihr Unternehmen?

100% wählen A: Ein Unternehmen mit Silicon Valley DNA

Gratulation. Ihre Mitarbeitenden haben beispiellosen Mut zur Innovation. Ihre Unternehmenskultur unterstützt Innovation in perfekter Weise und gleicht die individuelle Risikoaversion vollkommen aus. Ihr Unternehmen ist extrem innovationsorientiert - wie Start-ups im Silicon Valley.

50-99%% wählen A: Ein innovationsorientiertes Unternehmen

Ihre Mitarbeitenden haben eindeutig überdurchschnittlichen Mut zur Innovation. Ihre Kultur gleich die individuelle Risikoaversion teilweise aus. Dies macht Ihr Unternehmen chancenfokussiert und innovationsorientiert. Vergessen Sie aber nicht: Ein Teil ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter agiert noch immer übermäßig ängstlich – da gibt es noch einiges zu tun.

20-49%% wählen A: Ein sehr vorsichtiges Unternehmen

Ihr Unternehmen agiert übermäßig vorsichtig. Ihre Kultur gleicht die individuelle Risikoaversion kaum aus. Dadurch entgehen Ihrem Unternehmen wertvolle Chancen. Ihre Innovationsleistung wäre mit Sicherheit sehr viel besser, wenn Sie gegensteuern und Anreize für den Umgang mit Risiken setzen würden.

0-19%% wählen A: Ein feiges Unternehmen

Ihre Mitarbeitenden agieren wie gelähmt vor Angst. Ihre Kultur gleicht die individuelle Risikoaversion in keiner Weise aus – vermutlich verstärkt es sie sogar noch. Ihr Unternehmen agiert dadurch mutlos und ist kaum gerüstet für den Innovationswettbewerb unserer Zeit.

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