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von Prof. Nikolaus Franke
Prof. Nikolaus Franke, Akademischer Direktor des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation der WU Executive Academy und Leiter des Instituts für Entrepreneurship & Innovation der WU Wien, über den Pragmatiker Mike Tyson, die Unplanbarkeit des Planbaren und die Flexibilität im modernen Innovationsmanagement.
Der damalige Box-Schwergewichtsweltmeister wurde von einem Reporter gefragt, wie er mit Gegnern umgehen würde, die seinen Kampfstil analysiert und einen entsprechenden Masterplan gegen ihn entwickelt hätten. Die Antwort des damals unbesiegbar erscheinenden Boxers fasst ein wichtiges Prinzip des modernen Innovationsmanagement zusammen: „Everyone has a plan 'till they get punched in the mouth“.
Es klingt wie eine unternehmerische Selbstverständlichkeit: Je weiter der Planungshorizont, desto klüger ist die strategische Zielsetzung und desto effizienter der Weg dorthin. Langfristige Planung bedeutet, dass mehr mögliche Ereignisse einbezogen werden und „vom Ende her“ gedacht werden kann. Die Orientierung am „Big Picture“ verhindert blinden Aktionismus und man vermeidet es, sich in widersprüchlichem Kleinklein zu verzetteln. Das traditionelle Mantra der Betriebswirtschaft ist es daher, möglichst langfristig und genau zu planen.
Das Zitat von Mike Tyson macht auf ein fundamentales Planungsproblem aufmerksam: Es ist unmöglich, alle dem Plan zugrundeliegenden Entwicklungen langfristig korrekt zu prognostizieren. Selbst bei einem Spiel wie Schach mit klar definierten Figuren und einfachen Regeln wächst die Zahl der möglichen Stellungen explosionsartig. Während es für den ersten Zug (weiß und schwarz) überschaubare 400 Möglichkeiten gibt, steigt die Zahl der denkbaren Stellungen auf über 300 Milliarden nach dem vierten Zug. Für den Zehnten sind es bereits mehr als 1023, also 100.000 Milliarden Milliarden – eine vollkommen unübersehbare Menge.
Und das wahre Leben ist nicht nur weitaus komplizierter als Schach, die Entwicklungen auf der Welt sind in höchstem Maße chaotisch, turbulent, sprunghaft, schnell und unvorhersehbar geworden. Je langfristiger also der Plan ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er auf falschen Annahmen aufbaut, Möglichkeiten und Bedrohungen übersieht oder in die falsche Richtung führt. Es ist daher zu befürchten, dass der schöne langfristige Plan durch einen hässlichen Schlag – ein technologischer Durchbruch, eine Krise bei LieferantInnen, neu eintretende WettbewerberInnen, sich unerwartet ändernde KundInnenbedürfnisse, die Kündigung eines/r SchlüsselmitarbeiterIn, eine Disruption, eine plötzliche Änderung der Rechtslage, eine politische Krise – obsolet gemacht wird. Das Problem ist dabei natürlich nicht der Plan selbst, sondern das starre Festhalten daran und das Fehlen einer Alternative. Im schlechtesten Fall klammert man sich an den Plan wie ein Boxer an die Seile, während der Gegner auf einen einschlägt. Solche Unternehmen landen dann unweigerlich K.O. auf den unternehmerischen Brettern.
Das Problem der eingeschränkten Planbarkeit gilt besonders bei Innovationen. Dies hat zwei Gründe:
Erstens es hier besonders schwer, richtige Prognosen zu machen. Innovation bedeutet nun mal definitionsgemäß, dass man es mit etwas Neuem zu tun hat. Der Weg zum Ziel ist unbekannt, ja oft ist auch das Ziel selbst unbekannt oder muss im Verlauf des Prozesses geändert werden. Oder es tun sich unerwartete Chancen auf. Man denke an ein Unternehmen wie Youtube, das ursprünglich als Video-Dating-Website gestartet wurde. Wären die Gründer bei ihrem ursprünglichen Plan geblieben, dann hätte vermutlich jemand anderes die größte Videoplattform der Welt geschaffen. Sinnvollerweise wird der Plan also permanent umgeschrieben.
Der zweite Grund ist, dass Planen selbst Zeit kostet – und die ist bei Innovationsprozessen besonders wertvoll. Je schneller ein Produkt auf den Markt kommt, desto besser ist dies normalerweise. Zeitverlust durch aufwendige Langfristplanung schmerzt.
Moderne Methoden des Innovationsmanagements wie das „Lean Start-up-Konzept“ oder „Scrum“ akzeptieren daher, dass perfekte langfristige Masterpläne zwangsläufig unmöglich sind. Ihre Kernprinzipien sind Offenheit für Entwicklungen, Ideen und Chancen, wo immer sich diese zeigen, ein möglichst paralleles und breit gestreutes Experimentieren mit „minimalen“ Prototypen und das permanente Einholen von Marktfeedback, schnelles Lernen und vor allem: die sofortige Umsetzung.
Die besten Voraussetzungen für Flexibilität und Schnelligkeit haben kleine Unternehmen. Sie werden nicht durch die Trägheit von Bürokratie, Koordinationsproblemen und alle möglichen Partikularinteressen gebremst, wie dies bei zentral organisierten Großunternehmen der Fall ist. Es verwundert daher nicht, dass ein großer Teil der bahnbrechenden Innovationen der letzten Jahre – Suchmaschinen (Google), Soziale Netzwerke (Facebook), Online-Shopping (Amazon), Kurznachrichten (WhatsApp) etc. – von Start-ups entwickelt wurden. Große Unternehmen versuchen daher, genau diese Prinzipien möglichst zu kopieren und zu implementieren. Dass dies möglich ist, zeigt die anhaltende Innovativität von Unternehmen wie Amazon oder Apple.
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