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Persönliche Erkenntnisse aus der etwas anderen Quarantäne im Mittelmeer
Als WU-Professor Sebastian Kummer, Akademischer Leiter des Universitätslehrgangs Logistik & Supply Chain Management der WU Executive Academy, mit seinem Katamaran „Blu“ Mitte Februar 2020 von Frankreich Richtung Türkei startete, ahnte er nicht, wie viel Selbstführung, Gelassenheit und Nervenstärke er noch brauchen würde. 2.800 Seemeilen (5.200 km) und 81 Tage später nahm sein Segeltörn der anderen Art endlich ein glückliches Ende. Hier sind Sebastian Kummers 9 wichtigste Leadership-Tipps aus der Corona-Odyssee im Mittelmeer.
„Was er kann, zeigt der Steuermann nicht bei schönem Wetter, sondern in Sturm und Gewitter.“ Dieser berühmte Ausspruch des katholischen Kirchenlehrers Petrus Chrysologus aus Ravenna sollte für Sebastian Kummer realer werden, als es ihm lieb gewesen wäre: Denn die Segelreise des Logistik-Experten aus Wien beginnt wie ein idyllischer Urlaubstrip und endet beinahe wie ein Krimi.
Denn zwischen dem Hafen Les Sables-d’Olonne an der französischen Atlantikküste und dem Badeort Göcek an der Südküste der Türkei, an den er einen werftneuen Katamaran überstellen sollte, ließen nicht nur Stürme die Wogen hochgehen, sondern auch die Verwaltungen der verschiedenen Länder, deren Territorien der Katamaran durchquerte. Zwischenzeitlich hatte das COVID-19 Virus Einzug gehalten und mit ihm politische Restriktionen und Grenzschließungen, die sich auch auf den maritimen Verkehr auswirkten. Nach der Entscheidung, die Crew – bestehend aus Freunden und Bekannten – in Mallorca an Land und damit in die Sicherheit zu entlassen und allein auf dem Boot zu bleiben, wurde Sebastian Kummer vom Bootsübersteller zum einhandsegelnden Piraten: Er versteckte sich vor der türkischen Küstenwache, musste das Essen in Dosen und das Trinkwasser rationieren und sich mit einem geheimnisvollen Vermittler herumschlagen, der ihn aus der Quarantäne befreien sollte. Für Sebastian Kummer wurde diese Segel-Odyssee, über die Medien weltweit berichteten, die schönste Quarantäne, die er sich vorstellen konnte. Für so manch anderen wäre diese Odyssee wohl der schiere Albtraum geworden.
So wie sich der passionierte Segelprofi mit Erfahrungen im Atlantik und Pazifik auf eine Reise ins Ungewisse begab, tun das derzeit auch viele Führungskräfte: sie müssen ihr Unternehmen durch schwere Krisen navigieren, fühlen sich manchmal verlassen und auf sich allein gestellt, müssen punktgenau und unter Druck Entscheidungen treffen und befinden sich manchmal auch in Leadership-Dilemmata, für die es keine einfachen Lösungen gibt.
Diese 9 mentalen Tipps hat Sebastian Kummer für Führungskräfte parat, damit auch sie unbeschadet durch die (Corona-)Krise segeln können:
Manchmal muss man neue Wege gehen, was bedeutet: man muss etwas riskieren. So erging es auch Sebastian Kummer, als er beschloss, trotz drohender Corona-Krise allein ohne seine Crew weiterzusegeln.
Sebastian Kummer
Die Reise alleine fortzusetzen, nachdem Italien die Grenzen zugemacht hat, war schon etwas verrückt. Ich wusste, dass Stürme auf mich warten werden. Ich wollte mich aber immer schon im Einhandsegeln üben.
Er wusste auch, seine Kinder sind erwachsen, falls ihm was passieren würde. Wichtig war zudem: „Meine Intuition sagte mir: Das wird gut gehen.“ Auch der preußische Schlag des Deutschen kam durch: „Ich wollte meine Aufgabe durchziehen und mein Ziel erreichen.“
„Der Mensch mobilisiert ungeahnte Kräfte in der Krise“, sagt Kummer. Größter Risikofaktor für den Alleinsegler war der Nachtmodus: Alle 15 Minuten musste er aufwachen, um das Steuer zu übernehmen. „In Küstennähe durfte ich gar nicht schlafen, das wäre zu gefährlich gewesen“, erzählt Sebastian Kummer. Im Sturm auf dem Weltmeer lassen Schiffe sich per Treibanker treiben, das konnte er in Küstennähe nicht.“ „Ich wusste, ich habe genug Erfahrung und Fähigkeiten. Man muss aber auch dem Schiff vertrauen, denn es heißt: Das Schiff ist stärker als der Mensch.“ Daher musste er mit seinen Kräften haushalten, „das ist auch für Führungskräfte essentiell, um gut durch Krisenzeiten zu kommen.“ Also hieß es, alle 15 Minuten den Wecker auf dem Smartphone stellen oder gar wachbleiben. „Wäre ich einmal nicht durch den Wecker aufgewacht, hätte mich ein griechisches Schiff fast gerammt.“ Mit dem sogenannten „Manöver des letzten Augenblicks“ konnte er sich retten und gerade noch rechtzeitig wenden. Dennoch sei Angst ein schlechter Ratgeber. Sebastian Kummer setzte stattdessen auf Vertrauen, Selbstverantwortung und Gelassenheit – und auf Humor. Er drehte lustige Videos, schickte sie herum und fand zahlreiche Fans auf Social Media.
„Bereiten Sie sich möglichst auf eine Krise oder einen Sturm vor: Denken Sie an die Ausrüstung, an das, was Sie benötigen – und dann tanzen Sie“, sagt Kummer. Die mentale Haltung sei entscheidend, wie wir mit Krisen umgehen. Beim herandrohenden Sturm selbst gilt es, möglichst rasch eine sichere Bucht anzusteuern. Im übertragenen Sinne bedeutet das: Wenn es um Leadership geht, wird vieles unsicher. „Setzen Sie daher auf Konstanten, die Sicherheit geben: auf regelmäßige Meetings und transparenten Austausch und auf Mitarbeiter*innen, auf die Sie sich verlassen können“, so Kummer.
Als Kummer – in Badeshorts und T-Shirt auf dem Segelschiff unter türkischer Flagge – von der griechischen Küstenwache mit der Maschinenpistole bedroht wurde, blieb Kummer gelassen: „Ich hatte ja keine Angst, dass er abdrückt, sondern eher, dass eine Welle kommt und er stolpert und sich ein Schuss löst. Da habe ich mich doch etwas unwohl gefühlt.“ Vom Wachschiff wurde er noch hinausbegleitet. Bald kam die schlechte Nachricht vom Pitter-Yachtcharter in Göcek: Auch die Türkei hatte die Grenze für den Schiffsverkehr geschlossen. Kummer war also illegal unterwegs, konnte weder umkehren noch strenggenommen an der türkischen Küste vor Anker gehen, wenn er nicht als illegaler Einwanderer im Gefängnis landen wollte. Er beschloss also, die Problematik zu umschiffen, schaffte es mithilfe des Segelführers, sich in kleinen Buchten im Niemandsland zu verstecken. Er überlegte auch, Asyl bei den Mönchen in der Mönchsrepublik Athos zu beantragen, allerdings gab es dort erste Corona-Fälle und der Weg dorthin entpuppte sich als zu mühsam. Wichtig sei auch für Führungskräfte: „Suchen sie nach unkonventionellen Lösungen und Auswegen. Wenn es nicht anders geht, mobilisieren Sie alle Kräfte, um das Beste aus der Lage zu machen“, sagt Sebastian Kummer.
Der abenteuerlustige Professor versteckte sich in einer ehemaligen türkischen Piratenbucht wie ein Pirat – „das Schiff hätte ja einreisen dürfen, nur ich als Deutscher nicht“, erzählt er. Er schrieb Mails, gab Medieninterviews und arbeitete an dem Buch über die Corona-Odyssee „Mit Kummer ohne Sorgen“ und dem Lehrbuch „Einführung in die Verkehrswirtschaft“. Die Abläufe dieser „neuen Normalität“ gaben ihm ein Stück Sicherheit zurück.
Steve Jobs sagte selbst einmal, „why join the navy, when you can be a pirate“: frei im Denken zu sein, demokratisch auch jeden etwas zum großen Ganzen beitragen zu lassen. Natürlich solle man sich nicht zu illegalem Handeln verleiten lassen, allerdings blieb Kummer in der Türkei nichts Anderes übrig: „Ich hatte mein Funkgerät ausgeschaltet, um mich vor der Küstenwache zu verstecken.“
„Lassen Sie sich nicht von Konzepten, Modellen und politischen Regeln verunsichern, denken Sie lösungsorientiert und klar“, sagt Kummer. Andernfalls verstricke man sich in Vorurteilen und Ängsten. Klares Denken sei, die Motive der anderen rational abzuwägen und basierend darauf auch Risiken einzugehen.
„Beides ist in der Krise noch gefragter als im Normalzustand“, gibt Sebastian Kummer zu bedenken. „Das Wissen ist und bleibt die beste Versicherung in der Krise.“ Was auch bedeutet: Führungskräfte sollten auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter*innen setzen und das im Unternehmen vorhandene Wissen auch aktiv anzapfen.
„In der Krise muss man oft sehr rasch harte Entscheidungen treffen“, sagt Sebastian Kummer. Einmal verlor er die Kontrolle über das Segel, es bewegte sich auf ihn zu. Er musst in Sekundenbruchteilen entscheiden, wann er das Seil loslassen sollte und dem Segel ausweichen sollte, damit ihn das Seil nicht schnitt. Es ging darum, entweder tödlich vom Segel verletzt zu werden oder durch den Seilschnitt Finger zu verlieren. „Dabei helfen keine rationalen Abwägungen mehr, man muss intuitiv handeln“, sagt Kummer. Glücklicherweise schaffte er den richtigen Moment und rettete sein Leben und seine Finger. „Auf stupide Managementkonzepte aus Lehrbüchern sollten sich Führungskräfte jedenfalls im Leadership-Notfall nicht verlassen“, resümiert der Professor.
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