Von Russland nach Deutschland

12. August 2024

Wie mein MBA mir beim Neustart geholfen hat

Yury Ostrovskiy ist einer unserer MBA Marketing und Sales alumni (Abschlussjahrgang 2021), Head of Operations and Digital Transformatio bei der Humanika Unternehmensgruppe in Düsseldorf und erzählt, wie in seine Karriere ihn von seiner Heimat Russland nach Deutschland geführt hat und welche Herausforderungen er dabei zu bewältigen hatte.

Kannst Du uns bitte erzählen, wie sich Deine Karriere bis jetzt entwickelt hat? Welches waren die prägendsten Stationen in Deinem bisherigen Leben?

Ich habe meine Karriere in der Telekommunikationsbranche in den frühen 2000er Jahren begonnen. Damals befand sich die Branche in ihrer Blütezeit. Sie boomte und trieb den Wandel in vielen Bereichen der Wirtschaft und Industrie voran. Diese beiden Bereiche - Wachstum und Wandel - bleiben die wichtigsten Leitmotive meiner gesamten Laufbahn. In den 23 Jahren meiner Laufbahn war ich fast acht Jahre lang als CEO oder stellvertretender CEO mit voller Verantwortung für die Geschäftsergebnisse tätig, arbeitete in Technologie-Start-ups und großen Unternehmen, führte eine Reihe erfolgreicher Geschäftsentwicklungs- und Geschäftsumwandlungsprojekte in meinem eigenen Unternehmen oder in einer Kundenorganisation durch.

Die erste wichtige Etappe war die Arbeit beim Telekommunikations-Start-up Bercut. Ich war für die internationale Geschäftsentwicklung in der EMEA-Region verantwortlich, beteiligte mich an der Eröffnung eines Büros in Südafrika, schloss eine Reihe von wichtigen Verträgen mit großen Mobilfunkanbietern und Partnerschaftsvereinbarungen mit Branchenführern.

Im Jahr 2015 zog ich nach Deutschland und fing bei Huawei an, wo ich für die Geschäftsentwicklung in Westeuropa verantwortlich war. Besonders erwähnenswert ist ein Projekt mit der Deutschen Telekom, bei dem wir die Transformation des Qualitätsmanagements für mobile Dienste leiteten.

Seit 2022 schließlich unterstütze ich als Head of Operations and Digital Transformation die Humanika Unternehmensgruppe bei ihrer ehrgeizigen Mission, nicht nur das Unternehmen selbst, sondern die gesamte Branche zu verändern. Parallel dazu habe ich mein eigenes Unternehmen gegründet: Divital (https://www.divital.care). Divital ist Entwickler, Hersteller und Betreiber von digitalen KI-gestützten Systemen und Lösungen für die Pflege, das Gesundheitswesen und die Immobilienbranche, die das ganze Spektrum decken: von marktführender AAL-Anlage bis hin zu Hausnotruf / Schwesternruf-Lösungen und volldigitalen Personenrufanlagen für Pflege WGs, Heime und Krankenhäuser.

Was war Deine größte Herausforderung beim Neustart in einem anderen Land? Welchen Fehler würdest Du nicht mehr wiederholen?

Eine der größten Herausforderungen für mich war das Aufeinanderprallen von Vorstellung und Realität. Wenn die Zeit vergeht und man beginnt, das Land und die Menschen an einem neuen Ort besser zu verstehen, gibt es unweigerlich einen Moment des Loslassens von Illusionen, was oft dazu führt, dass Expats zurückkehren. Auch ich hatte einen solchen Moment, aber für mich standen universelle Werte an erster Stelle, so dass der Wunsch nach Rückkehr nie aufkam.

Die Hauptfehler waren zwei. Erstens habe ich lange Zeit nicht angefangen, Deutsch zu lernen. Als ich in einem internationalen Unternehmen arbeitete, war die Hauptsprache meiner beruflichen Tätigkeit Englisch. Aber ohne Sprachkenntnisse ist eine vollständige Integration nicht möglich, und ohne Integration bleibt man immer ein Gast und fühlt sich als solcher. Ich habe erst nach 5 Jahren Aufenthalt ernsthaft angefangen, Deutsch zu lernen, als ich merkte, dass ich kein Gast sein wollte, sondern zu Hause.

Yury mit seiner Familie
Yury mit seiner Familie

Der zweite Fehler war, dass ich nicht genug Zeit mit meiner Familie verbracht habe. Ich unterschätzte die Schwierigkeiten, mit denen meine Frau und meine Tochter konfrontiert waren, und in den ersten Jahren unterstützte ich sie nicht ausreichend. Jetzt hat sich die Situation geändert, aber ich bedaure es immer noch.

Warum hast du dich dazu entschlossen, im Ausland beruflich neu Fuß zu fassen?

Dafür gab es zwei Hauptgründe. Erstens habe ich bei meiner Arbeit auf dem internationalen Markt festgestellt, dass es für mich sehr interessant war, Menschen aus verschiedenen Ländern kennenzulernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, ihre Kultur und Denkweise besser kennenzulernen. Der Umzug in ein anderes Land schien mir ein interessantes Abenteuer und eine lohnende Herausforderung zu sein.

Zweitens war ich über viele Jahre hinweg mit der Entwicklung der politischen und sozioökonomischen Situation in Russland nicht einverstanden. Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 wurde mir klar, dass ich nicht mit einer Verbesserung rechnen konnte, und ich begann nach Möglichkeiten zu suchen, das Land zu verlassen.

Welche waren in diesem Zusammenhang die 3 wichtigsten Erfahrungen in Deinem Leben, die Dich dorthin gebracht haben, wo Du jetzt bist?

Die drei wichtigsten Erfahrungen:

Das Interesse an Technik und Sprachen - das hat mir die Welt geöffnet, mich viel reisen lassen und viele interessante Menschen kennenlernen lassen und mich schließlich dazu gebracht, nach Deutschland zu ziehen.

Das Lesen der richtigen Bücher - "1984" und "Animal Farm" von George Orwell, "Slaughterhouse-Five" von Kurt Vonnegut, "Wir" von Yevgeny Zamyatin, "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" von Milan Kundera, "Hundert Jahre Einsamkeit" von Gabriel Garcia Marquez, "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque, "Die Welt von Gestern" von Stefan Zweig und viele andere, zunächst in der Muttersprache, dann im Original, ermöglichten es, eigene Prinzipien zu entwickeln und, wenn schon nicht zu lösen, so doch wenigstens für sich selbst die richtigen Fragen nach Sein und Bewusstsein zu stellen.

Der Sport (ich war halb-professioneller griechisch-römischer Ringer) lehrte mich, vor allem mit mir selbst, meinen Schwächen, meiner Faulheit und meinen Ängsten zu kämpfen.

Wenn Dich jemand, der einen ähnlichen Schritt wie Du planst, fragen würde, welche 3 Ratschläge würdest Du ihr/ihm mit auf den Weg geben, um beim Neustart erfolgreich zu sein?

Beginnen Sie so bald, wie möglich ernsthaft mit dem Erlernen der Sprache, auch wenn es nicht sicher ist, dass Sie für längere Zeit in dem Land bleiben werden. Erstens, sogar als Anfänger in der neuen Sprache haben Sie große Vorteile im Vergleich zu denen die keine Sprachkenntnisse besitzen. Zweitens können Sie durch das Erlernen einer Sprache Ihr Netzwerk schnell erweitern. Schließlich wird die Kenntnis einer weiteren Sprache immer ein Pluspunkt in Ihrer Berufsbiografie sein, auch wenn Sie in Zukunft in ein anderes Land ziehen.

Yury auf einer Reise nach China
Yury auf einer Reise nach China

Schauen Sie nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Darunter verstehe ich unter anderem Folgendes: Ein Umzug ist oft mit Schwierigkeiten verbunden, man muss Gewohntes aufgeben oder neue Gewohnheiten entwickeln. Früher oder später kommt der Moment des Abschieds von Illusionen - in diesem Sinne kann man die Emotionen eines Migranten mit dem Hype-Zyklus für neue Technologien von Gartner vergleichen. Wichtig ist, dass diese Schwierigkeiten nur vorübergehend sind und nach dem Tiefpunkt der Desillusionierung folgt immer ein Plateau der Produktivität. 

Haben Sie einen Plan B für den Fall einer plötzlichen Veränderung der Arbeitsplatzsituation (z. B. Massenentlassungen in einem internationalen Unternehmen). Recherchieren Sie den Arbeitsmarkt im neuen Land im Voraus. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, eine Liste von Unternehmen zu erstellen, die Sie interessieren, veröffentlichte Stellenangebote zu abonnieren, eine Liste der wichtigsten Personalvermittlungsagenturen zu haben usw.

Welche Rolle für Erfolg oder Misserfolg spielen das richtige Netzwerk/Unterstützer/eigenes Unternehmen?

Es ist sehr gut, die Unterstützung eines Freundes, eines Vertreters Ihrer Interessen oder Ihres Unternehmens in einem neuen Land zu haben. Diese Unterstützung hängt jedoch von Faktoren ab, die Sie nicht beeinflussen können. So bieten beispielsweise nicht alle Unternehmen Unterstützung bei der Umsiedlung an. Ein anderer Faktor ist Ihr Netzwerk. Dies ist Ihr eigenes Kapital, das Sie verwalten und das eine große Rolle spielt. Als ich zum Beispiel in Deutschland nach einem Job suchen musste, waren es die Kontakte in meinem Netzwerk, die mir geholfen haben, mehrere Jobangebote zu bekommen.

Wie hat Dir das MBA-Studium bei diesem Schritt geholfen?

Dank des MBA konnte ich eine sehr große Lücke in meinem Lebenslauf schließen, nämlich eine europäische Ausbildung. Nach dem Umzug habe ich die offizielle Anerkennung meines technischen Diploms zwar erhalten, aber nicht nur das Ergebnis war für mich wichtig, sondern auch der Lernprozess. Denn der Lehransatz, die Anforderungen, die Benotungsgrundsätze und die Verteidigungskriterien sind in der DACH-Region ganz anders als in Osteuropa.

Yury mit seinen Klassenkamerad*innen bei ihrer MBA Graduierung in Wien
Yury mit seinen Klassenkamerad*innen bei ihrer MBA Graduierung in Wien

Außerdem ist es kein Geheimnis, dass einer der Vorteile eines MBA-Studiums das Networking ist. Durch die Teilnahme am WU EA Programm konnte ich mein Netzwerk in der DACH-Region deutlich ausbauen, was, wie ich bereits oben erwähnt habe, viel zu einer erfolgreichen Integration beiträgt.   

Schließlich bietet das MBA-Programm der WU EA auch den direkten Kontakt zu Top-Recruiting-Agenturen. Durch Seminare und direkte Beratungen mit Personalberatern, die mit der WU EA kooperieren, wie z.B. Career Angels, habe ich ein viel tieferes Verständnis für den Arbeitsmarkt in Deutschland und Österreich gewonnen, konnte meinen Lebenslauf überarbeiten und deutlich verbessern und mich auf Vorstellungsgespräche für Top-Managementpositionen vorbereiten. All dies hat nicht nur dazu beigetragen, dass ich in einem konkreten Fall mehrere Jobangebote erhalten habe, sondern hat mir auch grundsätzlich Vertrauen in meine Fähigkeiten gegeben und meine Relevanz auf dem Arbeitsmarkt bei DACH bestätigt.

Wie ist es Dir gelungen, den MBA mit einem anspruchsvollen Job und Deinem Familienleben in Einklang zu bringen?

Es stellte sich als viel einfacher heraus, als ich erwartet hatte. Erstens musste ich praktisch keine Zeit mit meiner Familie für das MBA-Studium opfern. Es hat sich herausgestellt, dass die Zeit und der Aufwand, die für die Bewältigung des Programms erforderlich sind, aus der Zeit genommen werden können, die zuvor "verschwendet" wurde: mit Faulenzen und dem Anschauen von Fernsehserien.

Yury bei seiner MBA Graduierung mit WU Executive Academy Dean Barbara Stöttinger
Yury bei seiner MBA Graduierung mit WU Executive Academy Dean Barbara Stöttinger

Zweitens kann man mit dem MBA-Studium die berufliche Tätigkeit sehr gut mit dem Lernen verbinden, denn man kann reale Arbeitsprobleme und -situationen in Fallstudien verwandeln, Arbeiten darüber schreiben und das im Programm erworbene Wissen sofort anwenden, um spezifische berufliche Probleme zu lösen. In diesem Sinne hat sich meine Arbeitsproduktivität während des Programms stark erhöht.

Und schließlich werden durch das intensive Lernen und den Austausch mit den Professoren und Kommilitonen im MBA-Kurs "die Augen geöffnet". Es führt zu neuen Ideen und Lösungen, beschleunigt alle Denkprozesse und gibt einem einen Energieschub. Man kann einfach so viel mehr zur gleichen Zeit tun.

Wordrap

Darüber kann ich lachen...
mich
Fehler, die ich am ehesten verzeihe...
mir - keine
Mein lustigstes/spannendstes Reiseerlebnis war...
Spannendstes Reiseerlebnis war in Bangladesch während einem Diphterie-Ausbruch. Mein Hotel blickte auf einen Krankenhaushinterhof, wo viele Kranke einfach auf dem Boden lagen. Ich kann die Gesichter des Hotelpersonals nie vergessen, als sie erfuhren, dass ich mir die Zähne mit Leitungswasser geputzt habe.
Ohne diese Handy-App könnte ich nicht leben...
Google Maps. Orientierung im Gelände ist nicht meine Stärke.
Das findet sich bei mir immer im Kühlschrank...
Frische Eier.
Mein letztes Geld würde ich ausgeben für...
Für Chips. Nicht die Blue Chips, sondern die Kartoffelchips. Ich liebe sie.
Vor 10 Jahren dachte ich...
...dass ich vor 20 Jahren dumm war jetzt aber schon klug geworden bin..
Heute weiß ich...
...dass, ich weder vor 10 Jahren noch heute klug bin.

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