Neuer Job - Gehalt verhandeln wie die Harvard-Profis

03. Februar 2022

Die besten Gehaltstipps von Personalprofi Martina Ernst

Laut der jüngsten Marketagent-Studie im Auftrag von karriere.at, in der im Februar rund 500 ArbeitnehmerInnen in Österreich zum Thema Arbeiten in Zeiten von Corona befragt wurden, denken zwar 52%, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, sich nach einer neuen Herausforderung umzusehen, aber trotzdem geben fast die Hälfte aller Befragten (48 Prozent) den Wunsch nach höherem Gehalt als Grund für einen möglichen Jobwechsel an. Und vielen bleibt Corona-bedingt ohnehin keine andere Wahl, als sich eine neue Tätigkeit zu suchen: 33% geben an, dass die Corona-Krise einen „sehr großen“ bzw. „eher großen“ Einfluss auf einen Wechsel des Arbeitsplatzes hat. Also wird es Zeit, sich zu überlegen, wie man sein Gehalt im Bewerbungsprozess verhandelt.

Martina Ernst im Beratungsgespräch mit einer Dame
Personalprofi und Gehalts-Expertin Martina Ernst weiß genau, wie man am besten Gehaltsverhandlungen führt und gibt dieses Wissen weiter.

Wann ist der beste Zeitpunkt, über meinen Gehaltswunsch zu sprechen?

RecruiterInnen, Headhunter oder Online-Bewerbungsportale fragen meistens gleich zu Beginn des Bewerbungsprozesses nach den Gehaltsvorstellungen. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, denn wer kennt schon die genauen Rahmenbedingungen des Jobs - geschweige denn, ob man zu dem neuen Unternehmen kulturell passen würde.

Wie hoch sollte meine Gehaltsangabe sein?

Die Frage nach dem Gehalt sollte man tunlichst allgemein mit dem Wunsch nach einer marktüblichen Bezahlung beantworten. Wenn die Eingabe im Online-Bewerbungsportal partout eine Zahl erfordert, dann auf keinen Fall den unteren Wert der möglichen Gehaltsbandbreite angeben, denn damit signalisiert man der Arbeitgeberin eigentlich nur, dass man sich die neue Aufgabe eher nicht zutraut. Warum sollte man sich sonst unter Wert schlagen?

Martina Ernst Portrait

Martina Ernst

  • Personalprofi und Gehalts-Expertin

Also unbedingt hoch ankern und ruhig einen Wert 10% über dem marktüblichen Median nennen, wenn man auch bereit ist, sich entsprechend in der neuen Position einzubringen.

Welches Gehalt kann ich in den finalen Verhandlungen erzielen?

Als erstes sollte man für sich eine Gehaltsbandbreite definieren, die sich am Marktwert der Position orientiert.

  • Schmerzgrenze: Bin ich bereit, für das meist kollektivvertraglich festgelegte Minimum-Gehalt zu arbeiten? Nur Achtung: KV-Gehalt ist kein All-In, das muss gesondert vergütet werden.
  • Median des Marktwerts (vereinfacht gesagt ein Gehalt, das am häufigsten für eine vergleichbare Position bezahlt wird): Wie schätze ich meine Fähigkeiten in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle ein? Warum sollte ich weniger verdienen, als der Markt bereit ist zu zahlen?
  • Wunschgehalt: 10-15/20% über dem Median – wer bereit ist, für das Unternehmen deutlichen Mehrwert zu liefern im Vergleich zu anderen KandidatInnen, sollte auch über dem Median verdienen

Seit über 30 Jahren liefern die Verhandlungsempfehlungen der Harvard-Profis Roger Fisher und William Ury mit ihrem Das Harvard-Konzept: Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse eine wunderbare Anleitung für erfolgreiches Verhandeln. Aber muss ich jetzt gleich einen ganzen Kurs in Verhandlungstechnik belegen, um mich für meine nächste Verhandlung fit zu machen?

Ein Mann, stehend, gibt einer Frau, sitzend, die Hand
Um erfolgreich die Gehaltsverhandlungen abzuschließen, ist es wichtig mit einem Plan in die Verhandlungen zu gehen. Foto © pexels - fauxels

Melanie Feldman, Co-Autorin von Bold: Get Noticed, Get Hired hat zusammen mit Anna Schuliger in ihrem Onlinekurs für junge Jobsuchende Get Hired eines der Harvard Verhandlungskonzepte - BATNA - erfrischend neu interpretiert.

Was bedeutet BATNA genau? BATNA steht für ‚best alternative to a negotiated agreement‘-und bedeutet: Gehe nie in eine Verhandlung ohne Dir vorher deine Schmerzgrenze zu überlegen und einen Plan B in petto zu haben, sollte Deine Forderung nicht erfüllt werden und die Verhandlung zu scheitern drohen. Feldman und Schulinger greifen diese Idee auf mit ihrem 4-Punkte Gehalts-Aktionsplan.

Bevor Du mit künftigen ArbeitgeberInnen über Deinen Gehaltswunsch final verhandelst, solltest Du Dir folgende 4 Fragen stellen und Deine Punkteanzahl addieren:

  1. Bist Du derzeit angestellt? Ja = 1, Nein = 0
  2. Hast Du noch ein anderes Stellenangebot? Ja = 1, Nein = 0
  3. Ist dieser Job Deine erste Wahl? Ja = 1, Nein = 0
  4. Würdest Du eine Auszeit nehmen? Ja = 0, Nein = 1

Zähle Deine Punkteanzahl zusammen:

  • Wenn die Summe 0 ergibt, nimm den Job zum gebotenen Gehalt an, raten Feldman und Schuliger.
  • Bei Summe 1 hängt die Verhandlung davon ab, wie lange Du in Deiner aktuellen Situation bleiben kannst und wie nah das Angebot an Deinem recherchierten Marktwert liegt.  Und ich würde ergänzen: Verhandle möglichst gleich die nächste Gehaltsstufe nach einer Einarbeitungszeit von 6-12 Monaten.
  • Bei einer Gesamtzahl von 2 gibt es Raum für Verhandlungen und die Verhandlungen werden sich am Median des Marktwerts orientieren
  • Bei einer Gesamt-Punkte-Anzahl von 3-4 hast Du eine starke Verhandlungsmacht. Du bist angestellt, hast ein anderes Angebot auf dem Tisch und könntest Dir vielleicht sogar eine Auszeit nehmen. Du bist markt- und wettbewerbsfähig. Wenn Du darüber hinaus über eine für die neue Firma spezifische Erfahrung verfügst, kannt Du durchaus das von Dir angestrebte Wunschgehalt erreichen.

Wenn Sie mehr über Martina Ernst erfahren wollen, klicken Sie hier, mehr Tipps für die Gehaltsverhandlungen unserer Karriere-Expertin lesen Sie in unserer "Salary Insights - Let's Talk About Money"-Serie und hier.

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