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Warum sich Führungskräfte jetzt schon auf den AI Act 2026 vorbereiten sollten.
Wir alle erinnern uns noch daran, als im Mai 2018 die DSGVO in Kraft trat. Einige Unternehmen in Europa waren darauf vorbereitet, viele allerdings nicht – mit unangenehmen und oft langwierigen Konsequenzen. Diese Geschichte könnte sich jetzt mit dem AI Act der EU wiederholen: Alle Unternehmen, die ab 2026 Produkte oder Dienstleistungen auf KI-Basis anbieten, müssen ihre KI-Systeme kategorisieren und von den Behörden prüfen lassen – ein aufwändiger und zum Teil kostenintensiver Prozess.
Warum Führungskräfte unbedingt jetzt schon mit den Vorbereitungen anfangen sollten und warum dafür eine umfassende KI-Strategie notwendig ist, erklären der Digitalisierungsexperte Martin Giesswein und Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy.
So viel ist sicher: An künstlicher Intelligenz führt in Zukunft kein Weg mehr vorbei. Und wie bei jeder anderen fundamental neuen technologischen Entwicklung birgt sie gleichermaßen Chancen und Risiken für jedes Unternehmen. Heute gibt es kaum mehr Unternehmen, die KI nicht oder noch nicht nutzen - sei es, dass Mitarbeiter*innen (heimlich) ChatGPT verwenden, die IT-Abteilung neue Microsoft-Funktionen wie Copilot einführt oder KI-Spezialanwendungen als Software-Lösungen implementieren.
Den meisten Unternehmen ist heute schon bewusst, dass die Nutzung von KI auch regulatorische, ethische und soziale Verantwortung den unterschiedlichsten Stakeholder*innen gegenüber bedeutet. Bis dato waren aber sehr viele Bereiche in diesem Zusammenhang freiwillig. Ab 2026 geht die EU mit ihrer Verordnung über künstliche Intelligenz („AI Act“) einen Schritt weiter. Alle Unternehmen, die KI einsetzen, haben dann erhebliche Compliance-Pflichten zu erfüllen – und zwar nicht nur die KI-Anbieter*innen selbst, sondern alle Unternehmen, die KI verwenden.
Der finale Text des weltweit ersten Regelwerks für KI ist dieser Tage in Finalisierung; rechtswirksam wird er 2026. Die zentralen Eckpunkte des AI Act: Das Regelwerk umfasst konkrete Verbote für den Einsatz von KI in gewissen Bereichen, unter anderem zur Kategorisierung von Menschen anhand sensibler Merkmale wie religiöser Überzeugung. Das ist die erste von insgesamt vier Risikokategorien, in die die jeweiligen KI-Anwendungen unterteilt werden. Neben diesem „unannehmbaren Risiko“, das zu Verboten führt, gibt es die Kategorien hohes, begrenztes und minimales Risiko – jeweils mit unterschiedlichen Anforderungen für Unternehmen, je nachdem in welche Kategorie sie fallen.
Für Führungskräfte im Jahr 2024 bedeutet das, dass sie weniger als zwei Jahre Zeit haben, um sich strategisch auf den AI Act vorzubereiten und gleichzeitig unnötige Zusatzkosten und Belastungen, die ohne entsprechende Vorbereitung entstünden, zu vermeiden.
„Mich erinnert der AI Act stark an die Zeit vor dem Inkrafttreten der DSGVO: Alle wussten, dass die Verordnung kommen wird. Alle wussten, dass es im Vorfeld einiger strategischer und praktischer Bemühungen bedarf, um sich entsprechend vorzubereiten – aber viele Unternehmen haben einfach den Kopf in den Sand gesteckt. Nach dem Motto: So schlimm wird’s schon nicht werden“, sagt Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, die Führungskräften aus allen Branchen und Industrien daher rät, sich möglichst schnell mit dem AI Act im Detail auseinandersetzen. Denn: Ähnlich wie bei den letzten großen technologischen Wellen wie der großflächigen Einführung des Internets in den 1990er Jahren, oder Social Media ab etwa 2006, sind auch jetzt alle Unternehmen betroffen.
Die EU hat sich dazu entscheiden, bei diesem Thema einen eigenen Weg zu gehen, der stärker ethisch als anderswo auf der Welt geprägt ist – durchaus auch zum potentiellen Nutzen der europäischen Wirtschaft. Die erhoffte positive Seite: B2B- und B2C-Kund*innen sehen ihr ethisches und transparentes Verhalten bei der Nutzung von KI als wertvollen Wettbewerbsvorteil.
Martin Giesswein
Was jedes Unternehmen bis zum Inkrafttreten des AI Act braucht, ist eine umfassende KI-Strategie. Mit ihr können sich Unternehmen zuverlässig KI-fit machen. Eine umfassende Strategie ist keine „rocket science“, aber sie umfasst einige zentrale Kernmodule, die eine Ergänzung und Optimierung der bestehenden Geschäftspläne auf der Grundlage der neuen Spielregeln, die von der KI-Technologie aufgestellt werden, umfasst.
Die folgenden 6 Module stellen das Fundament einer umfangrechen KI-Strategie dar, mit der Führungskräfte ihr Unternehmen jetzt AI-Act-fit machen können:
„Grundlegende KI-Anwender*innen-Kenntnisse sind heute für jede Führungskraft Pflicht: Um die Zusammenhänge und die (mögliche) Tragweite eines KI-Einsatzes zu verstehen, aber auch um mit den eigenen Fachexpert*innen aus der IT-Abteilung anschlussfähig zu bleiben. Führungskräften müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen (in einer Welt voller KI) bewusst sein, aber auch, was es bedeutet, wenn der Mitbewerb KI einsetzt und das eigene Unternehmen nicht. Dazu müssen sie Bescheid wissen“, so Stöttinger. An der WU Executive Academy ist KI daher bereits in vielen Lehrangeboten vertreten und wird gemeinsam besprochen, strategisch analysiert und – idealerweise – auch konkret angewandt. Unternehmen sollten außerdem eigene Trainingsangebote innerhalb der Organisation aufbauen. So bietet beispielsweise das österreichische Start-up mytalents.ai KI-Ausbildungen an, die sich an jenen Tools orientieren, die im jeweiligen Unternehmen zugänglich sind. Martin Giesswein empfiehlt hier einen proaktiven Zugang: „Moderiertes Besprechen und Ausprobieren von KI gemeinsam mit Kolleg*innen aus verschiedenen Abteilungen ist eine exzellente Möglichkeit, sich dem Thema professionell anzunähern.“
Hier können Führungskräfte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Eine ethische KI-Verwendung sicherstellen und gleichzeitig die rechtlichen Vorgaben erfüllen. „Daher empfehle ich Führungskräften, sich schon jetzt der Compliance zum EU AI Act anzunähern, indem sie bei der Planung und Einführung neuer Systeme die Dokumentationen für eine spätere Klassifizierung erstellen“, so Giesswein. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang:
Eine freiwillige, unternehmensspezifische KI-Richtlinie, die sie jetzt schon erstellen, schafft Klarheit und Vertrauen bei Mitarbeitenden, Kund*innen, Lieferant*innen und anderen Partner*innen, wenn sie diese Punkte beinhaltet:
„Beispiele für Unternehmen, die bereits eine KI-Richtlinie haben, gibt es einige – etwa die APA oder die Stadt Wien“, so Martin Giesswein. Die Austria Presse Agentur hat sich bereits früh mit KI beschäftigt. Schon vor dem Start von ChatGPT wurde eine interne Leitlinie zum Umgang dafür verabschiedet. Heute gibt es auch eine KI-Taskforce, die APA sieht sich auf dem Weg vom „Trusted-Content-Anbieter“ zum „Trusted-AI-Anbieter“. Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit anderen europäischen Medien- und Technologieorganisationen – auch das kann beispielhaft für andere Branchen sein. Anders die Stadt Wien: Sie bietet auf übersichtlichen zwei Seiten eine Orientierung für Mitarbeitende und Bürger*innen, wie mit KI in der Stadtverwaltung umgegangen wird.
„Ganz gleich, wie Sie mittelfristig, also drei bis fünf Jahre, in Ihrem Unternehmen planen, die Wahrscheinlichkeit, dass KI einen Einfluss auf Ihr Geschäft hat, ist groß. Integrieren Sie daher das Thema KI unbedingt in ihre Planung“, sagt Stöttinger. Dies Fragen können dabei helfen:
Unternehmen, die jetzt schon Abteilungen haben, die sich mit CSR, ESG-Richtlinien und Non-Financial Reporting befassen, sollten die Auswirkungen der KI auf ihre Arbeit beachten.
Barbara Stöttinger
Es wäre möglicherweise sogar sinnvoll, eine strategisch vorausschauende Stabstelle der Geschäftsführung zu schaffen, die aus unterschiedlichen Bereichen wie Recht, Technik, Controlling und Compliance zusammengesetzt ist und so das Potential der KI für das gesamte Unternehmen hebt.
Die Befürworter*innen des Einsatzes von KI im Unternehmen argumentieren in der Regel mit großen Produktivitätssteigerungspotenzialen. Aber von reinem Technikeinsatz wurde noch selten ein Euro eingespart oder mehr Umsatz generiert. Nur wenn die Technologie auch richtig eingesetzt wird, kann KI die Produktivität eines Unternehmens verbessern. Hier einige bewährte Schritte auf diesem Weg:
„Für die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist es notwendig, dass die jeweiligen nationalen AI Offices gut abgestimmt sind und den AI Act einheitlich in ganz Europa verwalten“, sagt Barbara Stöttinger. Mit dem AI Act und seinem strikten Regelwerk wird die EU weltweit zur Vorreiterin, was wiederum europäische Unternehmen aktiv als Asset nutzen sollten. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung in der betrieblichen Praxis ist aber eine unbürokratische und einheitliche Vorgehensweise der lokalen Behörden. „Hier kann für Unternehmen viel Potential entstehen, aber auch einiges auf der Strecke bleiben. Umso wichtiger ist daher jetzt eine sorgfältige Vorbereitung – denn der AI Act kommt ganz bestimmt“, resümiert Stöttinger.
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