Blockchain unchained?

11. Februar 2019

Die Grenzen der Blockchain-Technologie

Die Blockchain-Technologie gilt wohl als verheißungsvollste Innovation des 21. Jahrhunderts. In letzter Zeit werden aber kritische Stimmen immer lauter. Der Technologie-Experte und CEO von Dolphin Technologies, Harald Trautsch, beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem Thema „Blockchain“. Im Exklusiv-Interview spricht er unverblümt über Potentiale, sinnvolle Einsatzmöglichkeiten und die Grenzen der Blockchain-Technologie.

Bild einer reißenden Blockchain Kette
Kritische Stimmen werden immer lauter: "Wo sind die Grenzen der Blockchain-Technologie?"

Daten sind das virtuelle Gold des 21. Jahrhunderts – und begehrt. Doch sie sind in ständiger Gefahr: Korruption, Manipulation, Diebstahl lauern. Die Wunderwaffe dagegen heißt Blockchain. Diese dezentrale Technologie ermöglicht einen verschlüsselten, fälschungssicheren und zugleich transparenten Datentransfer innerhalb eines Netzwerks. Verkaufs- und Vertragsabwicklungen werden so einfacher und transparenter, sei es bei Versicherungen oder Immobiliengeschäften. Bei Finanztransaktionen könne man Geldwäsche und Korruption vorbeugen, beim Supply Chain Management können Waren besser getrackt, verteilt und weitertransportiert werden. Auch Warenfälschungen sind nicht mehr so einfach möglich, weil jedes Produkt per Code nachverfolgt werden kann. Die Blockchain könnte die Verwaltung von Energiesystemen und ganzen Staaten revolutionieren und die Finanzmärkte großteils automatisieren.

Globaler Blockchain-Markt wächst rasant

Erstes breites Einsatzgebiet der Blockchain-Technologie war die Kryptowährung Bitcoin, die als dezentrales Geldsystem vor allem wegen der vorerst enormen Kurssteigerungen interessant wurde. Konzerne setzen längst auf Blockchain-Technologien. Laut AnalystInnen und ExpertInnen zufolge soll der globale Blockchain-Markt in den nächsten fünf Jahren auf 6 bis 10 Milliarden Dollar anwachsen, wie Trending Topics berichtet. Auf der von der Linux Foundation gegründeten Open-Source-Plattform Hyperledger finden sich derzeit mehr als 260 Banken und Konzerne, wie die Deutsche Telekom, Alibaba Cloud, Airbus, American Express, Daimler oder Intel. Sie stellen Codes und Tools, Webinare und Tutorials für die Weiterentwicklung von Blockchain-Technologien bereit.

Bild einer Bitcoin als Vorreiter der Blockchain-Technologie
Die Kryptowährung Bitcoin rückte die Blockchain-Technologie ins Interesse einer breiteren Öffentlichkeit. Foto © CC0 Licence

Auch das österreichische InsurTech Unternehmen Dolphin Technologies nutzt für seine App „Mobilio“ zukünftig Blockchain-Technologie. Damit lassen sich Punkte für Handy-freies Autofahren sammeln, die man gegen Mobilio-Token eintauschen kann. Diese sollen UserInnen dann bei ihrem Versicherer als Zahlungsmittel einsetzen können. „De facto handelt es sich bei unserem Token tatsächlich um eine Währung“, sagt Harald Trautsch, CEO von Dolphin Technologies und Absolvent des Global Executive MBA der WU Executive Academy. „Denn Bitcoin und Ether sind aktuell weniger ein Zahlungsmittel als ein Spekulationsinstrument.“ Um das Vertrauen der Community zu erwerben, nutzt Dolphin Technologies hierfür eine Public Blockchain: „Sie garantiert, dass nur die von den UserInnen tatsächlich produzierte Anzahl der Token im Umlauf ist“, erklärt Trautsch. Dadurch kann es keine künstliche Überflutung oder auch Verknappung des Token geben.

Nicht nur positive Stimmen

So weit, so gut. Allerdings dreht sich gerade die Stimmung von Enthusiasmus in Richtung Kritik. Die UnternehmensberaterInnen von McKinsey halten den Hype um die Blockchain für übertrieben und stellen der Technologie ein vernichtendes Urteil aus: sie sei zu teuer, zu aufwändig und in vielen Fällen unnötig (Details dazu lesen Sie hier). Die Technologie würde über ihren Pionierstatus nicht hinauswachsen, ihre Zukunft sei ungewiss.

Portrait Harald Trautsch

Harald Trautsch

  • CEO Dolphin Technologies und Global Executive MBA Alumnus

Natürlich muss man gut überlegen, für welche Business-Anwendung man Blockchain nutzen möchte. Tatsächlich sei eine Transaktion auf einer Public Blockchain sehr teuer. Sie kostet etwa das ein millionenfache einer Transaktion über eine herkömmliche Schnittstelle.

Macht so ein teures System dann überhaupt Sinn? Das hänge von der Vertragsbasis ab. „Eine Information kann so relevant oder ein Vertrag so wichtig sein, dass es sich auszahlt“, meint Trautsch. Ein weiteres Manko: Im Vergleich zu herkömmlichen Schnittstellen bei Finanztransaktionen arbeiten die Public Blockchains sehr langsam. „Auf der Etherum Blockchain können derzeit etwa 20 Transaktionen pro Sekunde abgewickelt werden. Bei Visa sind es hingegen rund 30.000 Transaktionen pro Sekunde.“ Zudem werden bei Public Blockchains alle Daten auf jedem einzelnen Node gespeichert, „das sind also alle Informationen, die je in das System eingespeist wurden.“ Das klingt erstmal höchst ineffizient und ist es in vielen Fällen auch. „Sinnvoll ist eine Blockchain jedenfalls dann, wenn man eine Transaktion zwischen Parteien ermöglichen möchte, die einander nicht vertrauen”, sagt Harald Trautsch. Um auch Transaktionen mit sensiblen Inhalten durchzuführen, die nicht für Dritte einsehbar sein sollen, ist es möglich, diese außerhalb der Blockchain durchzuführen und lediglich die Verifikation – z.B. einen Hash Code – zu veröffentlichen. Da bei Blockchains die Daten an mehreren Stellen gespeichert sind, ist eine Manipulation umso schwieriger. Es gibt zwar das hypothetische 51%-Problem, dass „wenn jemand mehr als 50 Prozent der Blockchain kontrolliert, dieser diese manipulieren könnte“, sagt Trautsch. Das ist allerdings in Public Blockchains aus heutiger Sicht unrealistisch, dass jemand mehr Rechenleistung bereitstellen kann als alle anderen TeilnehmerInnen der Blockchain gemeinsam.

Exponentieller Fortschritt

Doch bedeutet das tatsächlich, dass die Hochphase der Blockchain bald ein Ende findet? Alfred Taudes, wissenschaftlicher Leiter des WU-Forschungsinstituts für Kryptoökonomie, glaubt das nicht.

Portrait von Prof. Taudes von Nathan Murrell

Prof. Alfred Taudes

  • Wissenschaftlicher Leiter des Forschungsinstituts Kryptoökonomie

E-Mail war ja damals eine erste Anwendung und es ließ noch gar nicht erahnen, was folgen würde. Auch bei Blockchain wird es viele, ganz neue Anwendungen geben, die die gesamte Wirtschaft dominieren werden. Wir sind erst in der Phase des Ausprobierens.

Harald Trautsch sieht das ähnlich: „So wie das Internet erst durch die bereitgestellten Inhalte und Funktionen relevant geworden ist, wird auch die Adaptionsgeschwindigkeit bei der Blockchain-Technologie exponentiell mit den Use-Cases zunehmen.“ Wichtig sei: Die Blockchain-Technologie müsse im Business bewusst und strategisch zielsicher eingesetzt werden. Dann hat sie auf jeden Fall eine Zukunft.

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Fotos von Prof. Alfred Taudes © Nathan Murrell

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