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Kein Licht ohne Schatten: Robert Schwertner und Alfred Taudes über die möglichen negativen Entwicklungen der Technologie des 21. Jahrhunderts
Egal ob E-Government, Car-Sharing, oder Kryptowährungen: Die Blockchain bringt neue Geschäftsmodelle ins Spiel und erlaubt innovative Anwendungen. Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten. Die zwei ausgewiesenen Blockchain-Experten Robert Schwertner, Head of Business Development der europäischen Blockchain Plattform 0bsnetwork.com, und Prof. Alfred Taudes, Gründer des Forschungszentrums Kryptoökonomie der WU, haben sich daher die Schattenseiten der verheißungsvollsten Technologie des 21. Jahrhunderts genauer angesehen.
Nicht nur eigefleischte Fans der ersten Stunde sind längst überzeugt, dass die Blockchain in vielen Bereichen der Wirtschaft und des täglichen Lebens in naher Zukunft eine zentrale Rolle spielen wird – etwa bei der sicheren Übermittlung von Daten oder bei Überweisungen. Der explodierende Kurs der Kryptowährung Bitcoin löste 2017 enormes Interesse an der Technologie und so manche gewagte Spekulation aus. Der nachfolgende Kursabsturz sorgte dann einerseits für Ernüchterung, andererseits für den Fokus auf die eigentliche Bedeutung und die Chancen der Blockchain.
Nun stehen in der öffentlichen Diskussion zumeist die Vorzüge und vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten der Technologie im Mittelpunkt, doch es gibt auch dunkle Seiten und mögliche negative Entwicklungen der Blockchain.
Für Robert Schwertner, Experte für Blockchain-Anwendungen, der als Unternehmensberater mit Großkonzernen auf der ganzen Welt Strategien im Umgang mit der Blockchain-Technologie entwickelt, stellt der übertriebene Glaube an die Blockchain eine große Fehlentwicklung dar. „Das wird ja teilweise fast schon als Religion verstanden“. Es sei aber ein Trugschluss, dass diese, zugegebenermaßen großartige Technologie die Mehrzahl der Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft lösen kann. „Jetzt erst wird langsam klar, was man damit wirklich machen kann und was nicht“, ergänzt Prof. Alfred Taues, Gründer des Forschungszentrums Kryptoökonomie der WU und Vortragender des Kurzprogramms der WU Executive Academy Blockchain Transforming Business. Er sieht hier Parallelen zu der Entwicklung des Internets am Beginn der 1990er Jahre.
Setzt sich die Blockchain etwa im Geldverkehr durch, kann dies einen Ausschluss gewisser Bevölkerungsschichten bedeuten, die nicht mehr daran teilhaben können. „Ohne Computer und Internetzugang geht dann gar nichts mehr“, erläutert Schwertner. Auch Taudes sieht die digitale Kluft als Problem. „Die Träume, dass man mit Kryptowährungen die Dritte Welt weiterentwickeln kann, sind naiv. Ohne Strom und ohne Handy ist das nicht möglich.“
Hoher Energieverbrauch und die Verwendung von Bitcoin-Transaktionen für verbrecherische Geschäfte wie den Drogenhandel sind für Alfred Taudes weitere Schattenseiten.
„Wenn jemand einen illegalen Handel mittels Kryptowährung begleicht, entfällt die bei Kontoeröffnung für Banken obligatorische Überprüfung der Verfügungsberechtigten, auch erfolgen Überweisungen ohne Kontrollschritte durch die dazwischengeschaltete Bank. Die Probleme, die dadurch entstehen, werden aber überschätzt.“ So würde ja auch das normale Bankensystem Ressourcen verbrauchen und die Möglichkeiten, illegale Transaktionen zu machen, seien begrenzt, zumal die Kontrollen der Banken beim Umtausch der Kryptowährung schlagend würden. Außerdem seien die Behörden mittlerweile in der Lage, Blockchain-Transaktionen effizient zu analysieren, um Adressen mit Geldern problematischer Herkunft zu identifizieren.
Die Blockchain schafft gewisse Möglichkeiten, sich aus bisherigen Systemen zu befreien bzw. sie zu erweitern – das könnte zu gefährlichen Gegenströmungen führen. „In Venezuela zahlen viele Leute nur noch mit Bitcoin, den Mächtigen gefällt so eine Entwicklung natürlich nicht“, nennt Taudes ein Beispiel. Konflikte zwischen jenen, die den Status quo einzementieren wollen, und den Nutzer*innen neuer Anwendungen sieht auch Robert Schwertner als dunkle Seite der Blockchain. „Das kann bis zu Kriegen führen.“ Spannungen könnte es auch zwischen einzelnen Staaten geben, wenn Blockchains beeinflusst werden – es droht eine neue Art von Währungskriegen.
Robert Schwertner, der in der Blockchain-Community auch als „CryptoRobby“ bekannt ist, sieht beispielsweise die übertriebene Hoffnung auf Dezentralisierung als Schwachpunkt. „Wir leben in einer realen Welt, nicht in einer idealen. Die totale dezentralisierte Nutzung des Blockchain-Netzwerks wird nicht kommen, denn das würde ins Chaos führen.“ Außerdem seien schon jetzt vielfach Strömungen erkennbar, die eher zu einer Zentralisierung innerhalb der Blockchain-Entwicklung führen. Alfred Taudes gibt Schwertner recht: „Dazu passt, dass der Code zwar Open Source ist, aber nur wenige Entwickler*innen die Richtung vorgeben – sie stimmen sich einfach untereinander ab.“
Robert Schwertner
Meiner Meinung nach führt an der Blockchain jedenfalls kein Weg mehr vorbei. Wir werden sehr bald eine Welt erleben, in der diese Technologie eine große Bedeutung haben wird – ganz unabhängig von Bitcoin.
Dem kann Alfred Taudes nur zustimmen: „Eine gewisse Euphorie ist in dieser Hinsicht daher nicht schlecht, denn nun geht es um das Ausprobieren von konkreten Anwendungen.“
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