Kleines Absurditäten-Kabinett am Weg zur Energiewende

13. August 2018

Prof. Jonas Puck über paradoxe Phänomene des Energiemarktes

Die Europäische Union will die Energiewende bis 2030 vorantreiben. Dabei könnte sich dieses Vorhaben noch schwieriger gestalten als ursprünglich angenommen:  Anhand von vier besonders paradoxen Phänomenen des globalen Energiemarkts erklärt Prof. Jonas Puck, akademischer Direktor des MBA Energy Management und Leiter des Instituts für International Business an der WU, wie komplex das Thema Energiewende tatsächlich ist und welche Rolle die Psychologie des Menschen in diesem Zusammenhang spielt.

Eine Pflanze wächst in einer Glühbirne
Auf dem Weg zur Energiewende gibt es noch einige Hürden zu überwinden. Foto © CC0 Licence

Kürzlich haben sich EU-Mitgliedsstaaten, EU-Parlament und EU-Kommission auf ein neues Ziel in Richtung Energiewende geeinigt. Bis 2030 soll der EU-weite Anteil an Erneuerbaren Energien auf 32 Prozent am Gesamtverbrauch steigen. Die Energieeffizienz soll in der EU um ein Drittel gesteigert werden. (siehe  https://www.ee-news.ch/de/article/38709/eu-einigung-bei-zielvorgabe-fur-anteil-erneuerbarer-energienauf-32 und https://www.handelsblatt.com/politik/international/32-5-prozent-bis-2030-europa-soll-energie-sparen-32-5-prozent-mehr-effizienz-bis-2030/22711528.html)

Prof. Jonas Puck, Akademischer Direktor des MBA Energy Management und Leiter des Instituts für International Business an der WU, erklärt anhand von vier paradoxen Phänomenen des Energiemarkts, wie schwierig sich die Energiewende noch gestalten wird und welche Auswirkungen es hat, wie wir als Menschen ticken – abseits jeglicher Rationalität:

1. Der Rebound-Effekt

Es gab ihn schon zu Zeiten Thomas Edisons, als die Menschen die Glühbirne intensiver nutzten als es eigentlich nötig gewesen wäre. Effizienzsteigerungen bewirken in der Regel eine Senkung der Verbraucherpreise. Der Rebound-Effekt (oder Bumerang-Effekt) besagt: Sobald wir eine günstigere Energiequelle nutzen und dabei Energie und auch Geld sparen können, tendieren wir dazu, mehr davon zu verbrauchen und den Spareffekt damit aufzuheben. Ein einfaches Beispiel: „Man kauft ein sparsames Auto und fährt damit ab sofort auch kurze Wege“, sagt Prof. Jonas Puck.

Glühbirnen hängen an Kabel, eine schwingt auf die Seite
Rebound Effekt: Wird Energie durch Effizienzsteigerung günstiger, neigen wir dazu, mehr zu verbrauchen. Foto © CC0 Licence

Aber auch makroökonomisch wirkt der Effekt. Die Energieersparnis der einen KonsumentInnen kann den Energiepreis senken und dadurch zu höherem Verbrauch bei anderen KonsumentInnen führen. Ein indirekter Rebound-Effekt wäre, das durch Energieeffizienz gesparte Geld in anderen Bereichen auszugeben, die wiederum mehr Energie verbrauchen. Auch bei der Entwicklung von Produkten kommt der Rebound-Effekt zum Tragen: „Flachbildfernseher sind zwar energiesparender als Röhrenfernseher. Da die KundInnen aber immer größere Bildschirme kaufen, steigt der Stromverbrauch pro Jahr“, so der Energie-Experte.

2. Das Speicher-Dilemma

„Bei einem Gaskraftwerk ist es zB möglich, den Output an Energie zu steuern“, sagt Puck. Das sei bei Wind-, Wasser- und Solarenergie weitaus schwieriger. An stürmischen, aber sonnigen Tagen laden Ökostromkraftwerke sehr viel Strom in die Netze – der Strompreis sinkt in den Minusbereich, ein Systemkollaps kann drohen. Der paradoxe Effekt: Der betroffene Anbieter muss seinen AbnehmerInnen Geld bezahlen, damit er den Überschuss an Strom loswird. Auch Pumpspeicherkraftwerke, die Wasser in gebirgige Stauseen zur Energiespeicherung hochpumpen, sind, was die Speichereffizienz betrifft, keine optimale Lösung sind. „Die große Herausforderung der Zukunft wird es sein, effiziente Möglichkeiten zur Energiespeicherung zu entwickeln“, so Puck. Dann müssten auch nicht Länder ihren Stromüberschuss ins Ausland weiterverkaufen. An der Küste von Massachusetts entsteht derzeit ein Offshore-Windpark mit dem größten Batteriespeicher der Welt. (siehe https://www.iwr.de/news.php?id=35133)

3. Das Ölpreis-Paradoxon

„Man würde annehmen, dass vor allem ein hoher Ölpreis dazu führt, dass Konsumenten eher auf erneuerbare Energien umsteigen“, sagt Prof. Puck. Das liegt daran, dass unter einem Hochpreis-Szenario KonsumentInnen nach alternativen und günstigeren Energiequellen suchen um Kosten zu sparen. Hohe Ölpreise haben aber auch Schattenseiten. „Öl- und Gaskonzerne gehören zu den größten Investoren in Renewables, weil sie langfristig betrachtet innovativ sein und neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen.“ Diese Investitionen drohen sich zu verzögern oder nehmen ab, solange die aktuellen Geschäftsmodelle extrem erfolgreich sind. Trotz eines günstigen Preisszenarios findet der Wandel zu erneuerbaren Energien so erheblich langsamer statt als angenommen.

Bild einer Ölpumpe im Dämmerlicht
Solange das Geschäft mit dem Öl gut läuft, werden sich Investitionen in Renewables verzögern. Foto © CC0 Licence

4. Das Digitalisierungs-Falle

Innovation müsste zu mehr Energieeffizienz und somit zu einer besseren Energiebilanz führen. Das ist eine Annahme, die der Realität in Zeiten der Digitalisierung nicht standhält. „Innovation führt leider nicht unbedingt dazu, dass wir weniger Energie verbrauchen.“ Die weltweite Produktion von Kryptowährungen wie Bitcoins könnte im Jahr 2018 in etwa so viel Strom verbrauchen wie ganz Argentinien, schätzt eine Studie von Morgan Stanley. (siehe https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/devisen-rohstoffe/kryptowaehrungen-bitcoin-mining-verbraucht-bald-mehr-strom-als-argentinien/20837230.html?ticket=ST-5297447-62forPd2mX4P0HMeZcN2-ap3). Das ruft wiederum den Ausbau von Erneuerbaren Energien auf die Agenda.

Konsequenz

Die Energiewende kann nur dann zügig erreicht werden, wenn die beteiligten Staaten den Wandel aktiv durch politische Maßnahmen unterstützen. Dies gilt sowohl auf Seite der Unternehmen, als auch auf Seite der KonsumentInnen. Maßnahmen können dabei sowohl Informationskampagnen beinhalten, als auch konkrete regulative Aktivitäten.

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