Salzburger Festspiele: Wenn Jedermann geprüft wird

23. September 2020

Hans Kollmanns Buch: eine humorvolle Aufarbeitung der Rechnungshof-Prüfungen der Salzburger Festspiele

Die Salzburger Festspiele zählen zweifelsohne zu den weltweit bedeutendsten Festivals der klassischen Musik und darstellenden Kunst. Schon wenige Jahre nach ihrer Gründung 1920 erregten sie das Interesse des Rechnungshofes in Wien. Von 1935 bis 2011 überprüfte der Rechnungshof die Salzburger Festspiele 13 Mal, so häufig wie keine andere Einrichtung im Kunst- und Kulturbereich. Zumeist erhielt er dafür einen Auftrag aus Salzburg (z.B. des Salzburger Landtages), und zumeist sickerte der zunächst vertrauliche Bericht an die Medien durch. Häufig kam es zu einer emotionalen und konfrontativen öffentlichen Debatte des Rechnungshof-Berichts.

Der Autor Hans Kollmann war lange im Kulturbetrieb in Wien und Niederösterreich tätig und arbeitet jetzt als Prüfer beim österreichischen Rechnungshof. 2015 hat er den Professional MBA Public Auditing der WU Executive Academy abgeschlossen. In seinem Buch beschreibt er rund um die jeweilige Prüfung der Festspiele humorvoll deren politisches und organisatorisches Umfeld, bringt eine Kurzfassung der Inhalte der Prüfung und geht ausführlich auf die öffentliche Debatte und die Reaktion der Festspiele ein.

Im Exklusivinterview hat er uns einige Highlights aus seinem Buch verraten.

Bild von Hans Kollmann bei der Buchpräsentation
v.l.n.r.: Mag. Hans Kollmann, Präsidentin der Salzburger Festspiele Dr. Helga Rabl-Stadler und Dr. Robert Kriechbaumer, Vorstand der Dr. Wilfried Haslauer-Bibliothek (dem Buchherausgeber) bei der Buchpräsentation.

Was waren denn die ungewöhnlichsten/skurrilsten/lustigsten Details aus den Rechnungshofberichten der Jahre 1935 – 2011?

Die Öffentlichkeit empörte sich gerne über Nebensächlichkeiten, die der RH auch immer wieder aufgriff. Einige Schmankerln:

  • Der Regisseur Claus Peymann verlangte 1972 schon für die Probearbeiten zu ‚Der Ignorant und der Wahnsinnige‘ Sekt (erste Uraufführung eines Stücks von Thomas Bernhard bei den Salzburger Festspielen, Anm.), wies diesen jedoch nach kurzer Zeit zurück, weil man darauf Sodbrennen bekomme. Der RH: „Er verlangte französischen Sekt und erhielt ihn auch.“  
  • Bei den Proben für ‚Don Giovanni‘ musste 1978 der Kelch aus Kristallglas sein, um zerbrochen zu werden. (Dazu ein Leserbrief: „Kein Besucher merkt den Unterschied, ob auf der Bühne aus teuren Bleikristallgläsern mit Goldrand oder billigen Imitationen getrunken wird.“)
  • 1979 musste die silberne Rose in der Oper ‚Rosenkavalier‘ aus echtem Silber sein, während in einer Berliner Oper „mit einer Plastikrose das Auslangen gefunden wurde“.
  • 1981 kostete ein Wäschekorb, dem Falstaff in der gleichnamigen Oper entstieg, 7000 Schilling, ein für die Proben leihweise vorhandener Wäschekorb wurde für die Aufführungen nicht genutzt.
  • 1986 empfahl der RH den Festspielen, KünstlerInnen nicht in überschwänglicher Form schriftlich zu danken, weil diese Schreiben dazu benützt würden, höhere Honorare zu fordern.

Warum wurden die Salzburger Festspiele so oft geprüft (13 Mal)?

Von 1949 bis 1958 (6 Mal) aufgrund einer damals bestehenden rechtlichen Unklarheit, seit 1960 (auch 6 Mal) meistens auf Ersuchen des Landes Salzburg. Dieses ersuchte den RH zumeist unmittelbar nach Wechseln in der Präsidentschaft der Festspiele um eine Überprüfung. Es beabsichtigte damit wohl, die abgelaufene Präsidentschaft aufzuarbeiten und abzuschließen.

Welche waren die „besten“ Salzburger Festspiele, aus Sicht des Rechnungshofes bei seinen 13 Prüfungen?

Aus Sicht des RH ganz klar die Salzburger Festspiele 1945: sie kamen ohne öffentliche Mittel aus und erbrachten einen Gewinn von 80.000 Schilling. Dass es unmittelbar nach Kriegsende Salzburger Festspiele gab, grenzte an ein Wunder. Alle Mitwirkenden hatten deshalb in Anbetracht der besonderen Lage auf ihre Honorare verzichtet.

Portrait Helga Rabl-Stadler

Welche war die humorvollste/originellste Reaktion eines/er Salzburger Festspiel-Festspielpräsident/in auf einen Prüfbericht? Um wen handelte es sich?

Helga Rabl-Stadler, Festspielpräsidentin seit 1995, antwortete auf die Frage, warum sie im Juni 2011 eine Pressekonferenz über den damals noch geheimen Rechnungshofbericht gäbe: „Ich habe nicht gefragt, ob ich etwas sagen darf: Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin.“

Wie würden Sie 100 Jahre Beziehung Festspiele und Rechnungshof in einem Satz zusammenfassen?

Eine paradigmatische Geschichte des Spannungsfelds Kunststreben versus Sparsamkeit.

Was ist Ihre persönliche Beziehung zu den Festspielen?

Ich bin seit 30 Jahren begeisterter Besucher der Festspiele.

Warum dieses Buch? Sie sind ja Prüfer in Ihrem Hauptberuf und nicht Autor...

Als der RH 2011 sein 250-jähriges Bestehen feierte, beschäftigten sich erstmals HistorikerInnen mit den Prüfungsakten aus dem Archiv der Behörde. Seitdem fasziniert mich dieses Schatzkistlein: In keinem anderen Bundesarchiv findet man die Finanzgeschichte der Republik in so kompakter Form. Wer sich zB für die in den 1930er-Jahren geplante Trockenlegung des Neusiedlersees oder den Bau der Großglockner-Hochalpenstrasse interessiert, wird im RH-Archiv fündig. Eine Gegenüberstellung der Salzburger Festspiele und des RH bot sich aufgrund des hundertsten Geburtstags der Festspiele 2020 und natürlich meiner persönlichen Vorlieben (siehe vorige Frage) an. Auch für den RH kann man übrigens das Jahr 2020 als eine Art hundertstes (Wieder)Gründungsjahr festmachen, denn die Bundesverfassung 1920 definierte ihn als Organ des Nationalrates und damit als republikanische Institution.

Für wen haben Sie das Buch geschrieben? Wer sollte es unbedingt lesen?

Für Fans der Salzburger Festspiele oder Interessierte an der öffentlichen Finanzkontrolle. Studierende, die sich für die öffentliche Verwaltung interessieren, erhalten einen kurzweiligen und informativen Einblick in die Tätigkeit des obersten Revisors.

Wordrap

Darüber kann ich lachen:
Gute Witze.
Fehler, die ich am ehesten verzeihe:
Schlechte Witze.
Mein lustigstes/spannendstes Reiseerlebnis war:
Als Student: mehrwöchige Frachtschiffreise im Indischen Ozean mit anschließendem langen Aufenthalt auf der winzigen Insel Mayotte, die zu Frankreich gehört. Habe nie wieder EU-BürgerInnen kennengelernt, die so stolz auf ihre Unionszugehörigkeit sind.
Ohne diese App auf meinem Handy könnte ich nicht leben:
...aber ohne Smartphone schon (glaube ich).
In meinem Kühlschrank findet man immer:
Chinesische Teigtascherl.
Mein letztes Geld würde ich ausgeben für:
Chinesische Teigtascherl.
Vor 10 Jahren dachte ich:
Dass Pandemien ausgestorben sind.
Heute weiß ich:
Dass Home-Office dick machen kann.

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