Süße Früchte und das Bett

13. Mai 2016

Den vor kurzem von uns gegangenen Peter Alexander würde vermutlich niemand als Protestsänger bezeichnen; vielmehr bleibt er uns als musikalische Inkarnation des „goldenen Wienerherzens“ in Erinnerung. Und dennoch verstecken sich in zumindest zwei seiner Titel gesellschaftskritische und nachgerade prophetische Inhalte. So tönte es da schon in den 1960er-Jahren: „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“; dabei war das damalige Realeinkommen von TopmanagerInnen im Vergleich zu ihren heutigen Pendants nur ein Zehntel so hoch. Und in einem anderen Titel heißt es unverschämt verklärend: „So richtig nett ist’s nur im Bett“. Das mag nachvollziehbar klingen, aber was soll daran gesellschaftskritisch sein?

Forschungen über Einflussfaktoren des Glücks erbrachten bis dato eher ernüchternde Befunde. Selbst als wichtig erachtete Variablen wie Einkommen, Familienstand, Ausbildungsniveau oder Arbeitslosigkeit erklären bestenfalls 15% der Unterschiede im Zufriedenheitsniveau von Menschen. Wo bleibt der Rest?

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Daniel Kahneman, Nobelpreisträger für Ökonomie, vermutete die Erhebungsmethoden als Grund für diese schwachen Zusammenhänge. Die meisten Studien erfragen „globales“ Glück im Sinne von „Alles in allem: wie glücklich und zufrieden sind sie?“ Solche retrospektiven Gesamtbetrachtungen unterliegen allerdings der Gefahr, dass positive und negative Erfahrungen verblassen und zu einem höchst geglätteten Gesamturteil führen. Würde man hingegen positive und negative Erfahrungen in konkreten Alltagssituation eruieren, träten Kahneman zufolge die Unterschiede viel deutlicher zutage. Dem liegt die plausible Annahme zugrunde, dass z.B. reiche Menschen mehr Zeit in „Wohlfühlbereichen“ wie Golfplatz oder Restaurant verbringen, während ärmere in ihrer Freizeit vor dem Fernseher sitzen oder im Supermarkt Schlange stehen. Somit müssten episodische Messungen deutlichere Ergebnisse zum beglückenden Effekt des Wohlstands bringen.

Indes: Das genaue Gegenteil war der Fall. Episodische Messungen aller möglichen Tageserfahrungen und die daraus abgeleitete kumulierte Affektbalance (positive minus negative Erlebnisse) lassen ab einem gewissen Grundniveau praktisch keine Unterschiede zwischen mehr und weniger gut Betuchten, Gebildeten, Liierten, Beschäftigten eca. erkennen. Die besondere Süße der süßesten Früchte trägt also weit weniger zum Genuss bei als der Umstand, überhaupt etwas zum Knabbern zu haben. Ab einem ziemlich niedrigen Grundniveau basieren die mageren 15 % der Unterschiede im global gemessenen Glücksniveau anscheinend eher auf naiven Alltagstheorien (Motto: „Ich bin reich, also geht es mir gut“) denn auf realen Lebensempfindungen.

Und hier kommt nun das Bett ins Spiel: wie wirkt sich ein Einkommenszuwachs von 60.000 Dollar pro Jahr im Vergleich zu einer Stunde mehr Schlaf (sechs oder weniger im Vergleich zu sieben und mehr Stunden Schlaf) auf die episodisch erlebte Lebensqualität aus? Einschlägige Befunde deuten darauf hin, dass diese Stunde zusätzlicher Schlaf das VIERFACHE(!) an Lebensqualität im Vergleich zu 60000 Dollar zusätzlichem Jahreseinkommen bringt. So gesehen ist es nur folgerichtig, dass es nie ein Lied von Peter Alexander mit dem Titel „So richtig nett haben’s nur die großen Tiere“ gab.

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