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Eine Replik auf einen Artikel in der PRESSE, der das „Platzen der Start-up Blase“ prognostiziert
In Österreich hat sich eine dynamische Entrepreneurship-Szene entwickelt. Auch die Politik hat verstanden, dass innovative Unternehmensgründungen eine entscheidende Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft haben. Die Medien leisten einen wichtigen Beitrag zu diesem wichtigen Mentalitätswandel. Leider gibt es nach wie vor Missverständnisse. Ein PRESSE-Artikel vom letzten Wochenende hat in der Entrepreneurship-Szene für viel Aufregung gesorgt. In ihm wird gefragt, „wann die große Entrepreneurship-Blase platzt“. Gibt es eine Blase? Und droht sie zu platzen? Man sollte die Argumente in Ruhe prüfen.
Mit Hilfe von Zitaten von Schlüsselfiguren der heimischen Entrepreneurship-Szene, die freilich mitunter etwas aus dem Zusammenhang gerissen wirken, argumentiert der Autor sinngemäß:
Zahlreiche Angehörige der Start-up-Szene haben sich über die fehlende Logik der Argumentation aufgeregt. Andere beklagen den negativen Grundtenor. Aus meiner Sicht ist es am sinnvollsten, ihm ganz sachlich zu begegnen.
Die Wirkung von Entrepreneurship auf Wohlstand, Arbeitsplätze, Wachstum, Fortschritt und Steueraufkommen ist seit längerer Zeit wissenschaftlich nachgewiesen. Unternehmensgründungen beleben den Wettbewerb, schaffen neue Angebote und befriedigen Kundenbedürfnisse. Besonders wichtig für Wirtschaft und Gesellschaft sind Start-ups, also Unternehmensgründungen, denen eine Innovation zugrunde liegt und die eine klare Wachstumsabsicht haben. Von ihnen gehen stärkere Impulse aus. Dieser Umstand gilt heute mehr denn je, denn im internationalen Wettbewerb spielen Innovativität und Flexibilität – die Stärken von Start-ups – eine viel größere Rolle als früher, als Unternehmensgröße und Stabilität die dominanten Erfolgsfaktoren waren. Dass die Politik sie gezielt fördert, ist völlig richtig.
Zunächst ist korrekt, dass innovative Unternehmensgründungen in Österreich bisher nur eine relativ kleine Rolle spielen. Nicht viele wissen hierzulande, dass unsere Selbstständigenquote mit 9,2% beispielsweise deutlich höher ist als im Gründerland USA (6,0%). Doch es ist falsch, daraus abzuleiten, dass das Thema überbewertet ist. Das Gegenteil ist richtig: Wir benötigen dringend mehr innovative Gründungen. Zum Glück ist in dieser Hinsicht viel Konkretes passiert. Wir haben mit den A+B-Zentren, dem Pioneers-Festival, einer zunehmenden Anzahl an (privaten) Co-Working Spaces, Inkubatoren und Akzeleratoren eine Reihe von Einrichtungen und Initiativen, die uns eindeutig voranbringen. Erfolge dieser Bemühungen sind bereits überdeutlich sichtbar und das ist ermutigend.
Kern eines Start-ups ist eine Innovation, also ein neues Produkt, eine neue Dienstleistung, eine neue Technologie, ein neues Geschäftsmodell. So lange es ungelöste Probleme gibt, von Krankheiten über Staus, Bürokratie, Gewalt, Armut, Umweltproblemen, Leid bis hin zu Langeweile, so lange brauchen wir Innovationen. Start-ups sind nachweislich am leistungsstärksten, wenn es darum geht, kreative Lösungen zu finden. Manche dieser Innovationen setzen sich enorm schnell durch und verändern Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig. Man denke an die ehemaligen Start-ups Google (gegründet 1998), Twitter (gegründet 2006), Facebook (gegründet 2004), WhatsApp (gegründet 2009) oder Tesla (gegründet 2003). Andere scheitern. Es ist ein ökonomisches Naturgesetz: Die andere Seite der Chance ist das Risiko. Innovationen sind der Weg ins Unbekannte, niemand weiß sicher, wie sich Technologie, Wettbewerb, Kunden und Komplementäranbieter verhalten werden. Daher kann zu Beginn niemand sicher sagen, wer das nächste Google und wer scheitern wird. Aber eins ist sicher: Eine hohe Überlebensquote ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Gründungen insgesamt nicht ins Risiko gegangen sind, und damit nicht maximal innovativ waren.
Wenn wir akzeptieren, dass die ganz großen Gründungserfolge erstens selten und zweitens schwer vorhersehbar sind, dann folgt daraus eines: Wir brauchen vor allem viele Gründungen. Natürlich nicht irgendwelche, sondern Start-ups, deren Kern eine Innovation ist und die klare Wachstumsabsichten haben – die also eine echte Erfolgschance haben.
Über die Zutaten verfügen wir: gut ausgebildete, kreative und ehrgeizige Menschen, Kapital und ein ungeheuren Reichtum an technologischen Ideen, Erfindungen, Entdeckungen und Entwicklungen aus Österreichs Universitäten. Es geht also darum, diese Dinge zusammenzubringen. Wenn wir genügend Experimente wagen, wird der eine oder andere Lottotreffer à la Google darunter sein. Wenn – und nur wenn.
Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass ein Teil der Experimente schiefgehen wird. Misserfolge sind unvermeidlich, Fördergelder werden verloren gehen. Das ist bei uns nicht anders als im Silicon Valley.
Wir haben in Österreich – wie in vielen europäischen Ländern – keine lange Tradition in Entrepreneurship und Innovation. Wenn wir mehr Experimente wollen, dann müssen wir weiter daran arbeiten, dass eine mutige und innovative Unternehmensgründung als selbstverständlicher Karriereweg anerkannt wird. Dazu gehört eine Kultur des Scheiterns. Wir sollten diejenigen, die einen Versuch wagen und unverschuldet fehlschlagen, für ihren Mut und ihre Courage respektieren. Wir sollten zweite und dritte Chancen geben. Und wir brauchen eine Kultur der Anerkennung. Wir sollten diejenigen, die unternehmerischen Erfolg haben, als das anerkennen, was sie sind: gesellschaftliche Helden, deren Erfolg uns letztlich allen zu Gute kommt.
Als ich 2001 an die WU kam, hieß es „die WU-Studierenden wollen alle in den Staatsdienst“. Das war schon damals nicht richtig, aber heute wirkt es geradezu grotesk. Der Mentalitätswandel seitdem ist ein Ergebnis des Schulterschlusses von Politik, Medien und Bildungsinstitutionen. Heute sind unsere Entrepreneurship Kurse mehrfach überbucht. Im WU-Gründungszentrum hatten wir im vergangenen Jahr fast 150 Veranstaltungen mit tausenden von Besuchern. Der gemeinsame MBA von WU und TU zu Entrepreneurship und Innovation verzeichnet seit Jahren Rekordanmeldezahlen. Die Zusammenarbeit der Universitäten im Rahmen des Entrepreneurship Center Networks (ECN) ist enger als je zuvor. Die Entrepreneurship Avenue der WU, unsere Flagschiff-Veranstaltung, hatte über 1.500 Teilnehmer aus 50 Ländern, was einer Steigerung von 50% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Avenue ist mittlerweile die größte studentische Entrepreneurship-Veranstaltung Europas. An anderen Österreichischen Universitäten gibt es ähnliche Erfolgsgeschichten. Doch all das genügt noch nicht. Noch liegt die Zahl der Studierenden, die einen Entrepreneurship-Kurs besuchen können, bei 1% und ich befürchte, der Anteil von Schülern, die das Wort „Entrepreneurship“ korrekt buchstabieren kann, ist nicht viel höher. Dies bedeutet: Es ist noch viel zu tun. Dass die Politik die Bedeutung von Start-ups erkannt hat, ist daher ein Segen für Österreich.
Man kann also zusammenfassend feststellen, dass es gute Gründe gibt, das Thema Start-ups in Österreich weiter voranzutreiben und einen nachhaltigen Boom zu erzeugen. Und bei allen Problemen und dem noch immer unverkennbaren Nachholbedarf: In den vergangenen Jahren haben viele Menschen in Österreich sehr viel geleistet und einen Start-up-Boom geschaffen, wie er hierzulande historisch einmalig ist. Um die weiterhin bestehenden Herausforderungen zu meistern, wünsche ich mir von Politik und Medien Unterstützung – und keine unnötigen Unkenrufe. Ohne Rückenwind werden wir es nicht schaffen. Und das wäre eine vertane Chance für Österreich.