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The Dark Side of Entrepreneurship - Teil 2 - Legal, aber illegitim: Glücksspiel, Rotlicht & Waffenhandel

The Dark Side of Entrepreneurship - Teil 2

Legal, aber illegitim: Glücksspiel, Rotlicht & Tabakkonsum

Beim Stichwort „Entrepreneur“ denkt man unweigerlich an unternehmerische Helden wie Elon Musk, Steve Jobs und Jeff Bezos, die durch ihre Innovationskraft für Fortschritt, Wohlstand und Beschäftigung sorgen. Doch auch jenseits des gesetzlichen Rahmens oder bestehender Konventionen finden InnovatorInnen neue Geschäftsmöglichkeiten, die sie mit Kreativität und Energie erfolgreich nutzen. Weltweit untersuchen daher immer mehr Forschungsprojekte, welche Formen von „Dark Entrepreneurship“ es gibt, was man von ihnen lernen kann und unter welchen Bedingungen die dunkle Seite des Unternehmertums sogar gesellschaftlichen Nutzen stiften und damit die helle Seite stärker strahlen lässt.

Im zweiten Teil der Serie nimmt Nikolaus Franke, wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation der WU Executive Academy, legales, aber illegitimes Unternehmertum genauer unter die Lupe. Nach den „Informal Entrepreneurs” im ersten Teil geht es nun um die „Controversial Entrepreneurs”.

Darth Vader steht mit einem roten Laserschwert vor dem Mond
Was kann man von Dark Entrepreneurship lernen und wo bringt es sogar gesellschaftlichen Nutzen? Fotos © shutterstock – Capitano Footage & Stefano Buttafoco

Schon immer gab es in der Gesellschaft Bereiche, bei denen die rechtliche Situation vom allgemeinen Moralempfinden abweicht. Im europäischen Mittelalter waren die sogenannten „ehrlosen“ Berufe wie Gassenkehrer, Köhler oder Henker und das „fahrende Volk“ - Lumpensammler, Spielleute oder Kesselflicker – keineswegs illegal. Doch ihre Angehörigen waren sozial ausgegrenzt. Ihre Tätigkeit galt als illegitim. Dieses Auseinanderklaffen von Recht und Moralempfinden gibt es auch in modernen Gesellschaften.

Legal, aber illegitim: „Controversial Entrepreneurship”

Ein gutes Beispiel für „Controversial Entrepreneurship” ist der Bereich des Glücksspiels. Es wird angeboten, weil es Nachfrage danach gibt. Die Menschheit ist seit jeher vom Kitzel des ungewissen Ausgangs fasziniert – die ältesten erhaltenen Würfel sind über 5.000 Jahre alt. Und genauso alt wie der Reiz des Glücksspiels sind die Bedenken in Bezug auf die möglichen negativen Folgewirkungen wie Spielsucht, Verarmung oder Verbrechen. Trotz vielfältiger rechtlicher Regulierungen wird entsprechend auch der völlig legale Teil dieses Wirtschaftsbereichs von der Gesellschaft kontrovers beurteilt.

Eine Hand balanciert ein Smartphone, flach, auf allen Fingern - aus dem Smartphone steigen Würfel und Spielkarten empor
Glücksspiel – heutzutage vor allem auch online – ist ein Beispiel des “Controversial Entrepreneurship” Foto © shutterstock – Marko Aliaksandr

Das gleiche gilt für Bereiche wie das sogenannte „Rotlichtmilieu“, gesundheitsschädliche Produkte wie Tabak und viele andere mehr. Wenn größere Teile der Gesellschaft in Bezug auf einen Wirtschaftssektor moralische Bedenken haben, kann dies einen wichtigen Effekt auf die Angebotsseite haben: sie wird schmaler. Viele Menschen und viele Unternehmen schließen eine Betätigung in diesem Bereich aus. Bei einer gegebenen – hohen – Nachfrage kann dies zu einer außerordentlich hohen wirtschaftlichen Attraktivität führen und entsprechend EntrepreneurInnen anziehen. Las Vegas und Monte Carlo/Monaco sind historische Zeugnisse dieses Prinzips – sie entstanden maßgeblich durch unternehmerischer Initiativen auf Basis von Glücksspiel. Heute sind beispielsweise die immer neuen Formen des Online-Gamblings Ergebnis von Controversial Entrepreneurship in diesem Bereich. Interessant ist, dass das Glücksspiel auch auf wissenschaftliche EntrepreneurInnen eine starke Anziehungskraft ausübt. Der wichtige Bereich von Wahrscheinlichkeitsrechnung bzw. Statistik geht beispielsweise maßgeblich auf Arbeiten des Mathematikers Pascal zu Würfelspielen zurück.

Entrepreneurship als Regelbruch

Eigene Spuren zu hinterlassen, etwas zu schaffen und Anerkennung für ihre Leistung zu bekommen, sind wichtige Motive für EntrepreneurInnen. Entsprechend sind den meisten von ihnen moralische Werturteile nicht egal. Im Gegenteil: Der rasant wachsende Bereich von Social und Sustainable Entrepreneurship zeigt, wie sinnorientiert viele GründerInnen sind. Doch der Kern des Startups ist die Innovation, und eine Innovation ist per Definition eine Abweichung vom bestehenden Zustand. EntrepreneurInnen sind daher RegelbrecherInnen. Sie denken „out of the box“. Oft ecken sie an.

Viele weiße Papierschiffe fahren nach oben, ein einzelnes, rotes, Papierschiff bricht aus der Reihe aus
EntrepreneurInnen denken “out of the box” und verlassen mit ihren Innovationen per Definition den Regelbereich. Foto © shutterstock - Pasuwan

Die Tabubrüche und Provokationen von Entrepreneuren wie Richard Branson oder Elon Musk sind Legion, und die Erfolgswirkung des so genannten „Red Sneakers Effect“ – gib Dich unkonventionell, und Du erntest Respekt - ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen. Entsprechend gibt es auch unternehmerisch denkende Menschen, die diese Haltung auf geltende moralische Normen beziehen. Beate Uhse, Hugh Hefner (Playboy) oder Larry Flynt (Hustler) beispielsweise scherten sie sich nicht um die öffentliche Meinung und die damals herrschenden Moralvorstellungen, als sie ihre Unternehmen gründeten.
 

Drei Dinge, die wir vom „Controversial Entrepreneurship” lernen können

1. Trends frühzeitig erahnen – und prägen

Ein wichtiger Grund für ihren enormen Erfolg war, dass gesellschaftliche Normen nicht starr sind. Sie wandeln sich und sie können verändert werden. Die „Controversial Entrepreneurs” aus der Erotik-Branche ahnten früher als andere, dass die so genannte sexuelle Revolution Raum für eine riesige Industrie schaffen würde. Das, was in den 50er Jahren als gesellschaftlich undenkbar galt, ist heute Mainstream – auch wegen der zahllosen Tabubrüche und Skandale, die diese EntrepreneurInnen vom Zaun brachen. Wer Trends frühzeitig erkennt, kann auch mit kleinen Investitionen enormen wirtschaftlichen Erfolg haben. So ist der profitabelste Film aller Zeiten, mit einer Rendite von 2,4 Mio. Prozent weder „Titanic“ noch „Avatar“ – sondern ein billiger Porno aus dem Jahr 1972.

2. Umgang mit Widerstand

Eine Innovation ist nach Schumpeter eine „schöpferische Zerstörung“. Entsprechend treffen EntrepreneurInnen auf Widerstand von denen, die vom gegenwärtigen Zustand profitieren. Bei „Controversial Entrepreneurs” kommt der gesellschaftliche Gegenwind dazu. Man kann von ihnen nicht nur Beharrlichkeit und Unbeirrtheit abschauen. Interessant ist auch, wie sie mit den wirtschaftlichen und organisatorischen Folgeeffekten ihrer Außenseiterrolle umgehen. Marketing, Vertrieb, externe Kooperationen und Personalakquise ist für ein von der Gesellschaft als illegitim empfundenes Business beispielsweise sehr viel schwieriger als für „normale“ EntrepreneurInnen.

Nikolaus Franke Portrait

Prof. Nikolaus Franke

  • Akademischer Leiter des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation

Es kann sich also lohnen, ihre Kreativität und Innovationsfähigkeit in diesem Bereich zu studieren.

3. Identifikation schaffen

Für den wirtschaftlichen Erfolg ist es wichtig, dass sich die MitarbeiterInnen mit dem Unternehmen und dessen Leistungen identifizieren. Für Sozial- und humanitäre Unternehmen ist dies beispielsweise meist ein geringeres Problem. Die gesellschaftlichen Werte sind auf ihrer Seite. Sie tun etwas, das hohe gesellschaftliche Anerkennung genießt. „Controversial” Unternehmen dagegen sind umstritten, manchmal stigmatisiert. Erneut gilt, dass man am Extremfall sehr gut lernen kann. Wie schaffen sie es, innerbetrieblich und im engeren Umfeld dennoch ein Gefühl von Legitimität, vielleicht sogar von einer gemeinsamen „Mission“ zu erzeugen? Ihre Maßnahmen und Framing-Techniken können auch für EntrepreneurInnen im legalen und legitimen Bereich aufschlussreich sein.

Was „Controversial Entrepreneurs” lernen sollten

Kein formales Rechtssystem kann alles regeln. Es muss durch gesellschaftliche Normen ergänzt werden. Werte wie Anstand, Höflichkeit, Mitgefühl, Solidarität und viele andere spielen nicht ohne Grund für das Funktionieren von Gesellschaften eine zentrale Rolle.

„Was nicht verboten ist, ist erlaubt“ (Schiller), ist daher eine Devise, die zu kurz greift.

Als ich einen ungewöhnlich erfolgreichen Entrepreneur einmal gefragt habe, was aus seiner Sicht die wichtigste Regel sei, dachte er lange nach. Dann sagte er: „Manchmal muss man zu unternehmerischen Gelegenheiten auch nein sagen können.“ Ein ethischer Kompass ist unerlässlich.

Dies gilt umso mehr, als der Übergang vom Controversial Entrepreneurship zu „Criminal Entrepreneurship“ oft fließend ist. Diesem Bereich widmen wir uns im dritten Teil unserer „The Dark Side of Entrepreneurship“-Serie.

Eine Übersicht über die verschiedenen Sektoren der Dark Sides of Entrepreneurship
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