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Cross-Industry Lösungen: wie Unternehmen voneinander profitieren und miteinander lernen
Schneller als die anderen, besser als die anderen, billiger als die anderen: Wettbewerb und Konkurrenzdenken sind grundlegende Eckpfeiler der Wirtschaft – und dennoch wird gemeinsames Arbeiten wichtiger. Schlanke, effiziente Wertschöpfungsprozesse erfordern heute ein kooperatives Vorgehen von Unternehmen. Wie eine konkurrenzübergreifende Zusammenarbeit bereits in der Praxis funktioniert, warum Cross-Industry-Formate die Weiterbildung der Zukunft sind und welche Chancen sich durch die Zusammenarbeit im Personalbereich für Unternehmen ergeben, erklären Helga Pattart-Drexler, Head of Executive Education der WU Executive Academy, und Thomas Funke, Gründer des TechQuartiers Frankfurt.
Zusammenarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg – auch für Unternehmen. Der Grund dafür ist die Digitalisierung, die die Grenzen zwischen verschiedenen Branchen aufweicht, das Innovationstempo erhöht und herkömmliche Geschäftsmodelle auf den Kopf stellt. Denken wir nur an Konzerne wie Amazon oder Apple, die plötzlich weit weg von ihren angestammten Plätzen tätig werden und ganze Industrien aufmischen. Dass Kooperation und Austausch oft wertvoller sein können als stures Konkurrenzdenken, zeigt sich am prominenten Beispiel der Pharmakonzerne Sanofi und Boehringer-Ingelheim, die kurzerhand zwei ihrer Geschäftsbereiche samt den zugehörigen MitarbeiterInnen getauscht haben: Die Sparte Tiergesundheit ging an Boehringer, Sanofi übernahm dafür den Bereich Selbstmedikation. Ein Deal, der ungewöhnlich, aber richtungsweisend ist.
Immer mehr Unternehmen erkennen: Gemeinsam geht es leichter. Frappant ist diese Öffnung, wenn es um Wissen und Weiterbildung geht: „Unter dem Schlagwort Open Innovation hat sich dies in der Wissenschaft ja bereits als ausgesprochen sinnvoll erwiesen“, sagt Thomas Funke, Mitbegründer des TechQuartiers Frankfurt und selbst Gründer mehrerer Startups. „Ich sehe es in unserem Startup-Zentrum: Geht es um die Arbeit mit potenziellen Konkurrenten, müssen zuerst Schwellen abgebaut werden.“ Es würde einige Zeit dauern, bis sich die Erkenntnis durchsetzt: Das bringt allen was. Die Digitalbranche sei in dieser Hinsicht anderen Bereichen voraus. Beispiele, wie Firmen auf smarte Weise diverse Modelle verbinden, gibt es einige: So nutzt etwa das Wiener Startup Payuca die Tools der Sharing Economy, um ungenutzte Parkplätze in privaten Garagen für eine kurzfristige Vermietung anzubieten. Oder Amazon, das von Musik- und Videostreaming bis zu Girokonten inzwischen in vielen neuen Bereichen tätig ist. Die in der digitalisierten Wirtschaft so wichtige Disruption geschieht immer öfters außerhalb der eigenen Branche – mit weitreichenden Folgen für jene Unternehmen, die sich dagegen sträuben.
Wie funktioniert die Kooperation in der unternehmerischen Praxis? Es geht um die Einbindung eines gesamten Ökosystems – schließlich ist es gerade für junge Unternehmen schwierig und kostenintensiv, neue Entwicklungen alleine zu stemmen. Daher können sie einerseits mit anderen Startups, andererseits mit etablierten Unternehmen kooperieren, um deren Know-How oder Ressourcen zu nutzen. Für große Unternehmen bedeutet das Zugriff auf eine Innovationskraft, die angesichts der Größe oftmals schon verloren gegangen ist oder kaum genutzt wird.
Auch wenn es ums Lernen geht, macht es gleich mehrfach Sinn, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Die vom kanadischen Wissenschaftler George Siemens entwickelte Theorie des Konnektivismus besagt, dass Lernen dann am besten funktioniert, wenn ständig neue Verbindungen über Knoten – das können Personen, Bücher, Grafiken etc. sein – angelegt werden und somit ein Netzwerk entsteht.
„Statt um das „Was?“ und das „Wie?“ geht es vorrangig um das „Wo?“, also wo Wissen bei Bedarf verfügbar ist. Eine Theorie, die vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Online-Plattformen besondere Bedeutung hat“, betont Helga Pattart Drexler, Head of Executive Education der WU Executive Academy, die sich mit ihrem Team zunehmend damit beschäftigt, wie Firmen möglichst effizient voneinander lernen können.
„Wir sehen in der Praxis, welche positiven Auswirkungen die Entwicklung gezielter Cross-Industry-Formate hat“, berichtet Pattart-Drexler. Im Zuge der digitalen Transformation sei es nämlich doppelt wichtig zu wissen, was andere Unternehmen machen und was sie erlebt haben. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen wertvollen Wissens und wichtiger Erfahrungen. „Unternehmen wissen oft gar nicht, welches Know-how bereits vorhanden ist“, sagt Pattart-Drexler. Gerade wenn es um bahnbrechende Neuerungen geht, muss es diesen Schritt über die Grenzen geben – denken wir nur an die Evolutionstheorie, die vom Geologen Charles Darwin aufgestellt wurde.
Ein durchaus radikaler Schritt wäre es für Unternehmen, in weiterer Folge auch im Bereich Human Resources das Gemeinsame über das Trennende zu stellen.
Dr. Thomas Funke
Eine Möglichkeit wäre, Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zusammenzubringen, deren MitarbeiterInnen in gemeinsamen Projekten arbeiten.
Kooperation beim Personal sei eine Möglichkeit, sich auf die Veränderungen am HR-Markt einzustellen. MitarbeiterInnen könnten einige Monate in diesem, danach für einige Zeit in einem anderen Unternehmen arbeiten. „Eine Vision, die derzeit aber in vielen Unternehmen noch undenkbar scheint“, sagt Funke. Dabei kommt es in der Praxis ohnehin vor, dass Unternehmen quasi MitarbeiterInnen austauschen – bisher aber unfreiwillig und ungesteuert. Ein gutes Beispiel ist dafür die Finanzbranche, zunehmend aber auch die IT-Sparte, wo es zu einem ständigen Wechsel von MitarbeiterInnen zwischen den Unternehmen kommt. „Durch den Zusammenschluss in Projekten könnte das institutionalisiert werden und Unternehmen profitieren von einem gemeinsamen Pool an Talenten“, ergänzt Helga Pattart-Drexler.
Um bei Charles Darwin zu bleiben: Es überleben nicht die stärksten oder die klügsten, sondern jene, die sich am besten adaptieren – und das gilt heute für Unternehmen mehr denn je.
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