So schöpft der Mittelstand sein Innovationspotenzial aus

25. Oktober 2017

Wer klein ist, kann schnell sein - wer klein ist, kann innovativer sein!

Über eines waren sich die sonst so gegensätzlichen Ökonomen Joseph Schumpeter und Karl Marx einig: langfristig würden sich im Wettbewerb die großen Unternehmen durchsetzen. Wer nicht über Kapital, Marktmacht und große Labore verfüge, werde früher oder später aussterben. Jahrzehnte nach dieser Prognose ist evident: sie war falsch. Der Mittelstand existiert nicht nur weiterhin, sondern ist kerngesund. Für seinen dabei noch wachsenden Erfolg gibt es einen systematischen Grund. Wer klein ist, kann schnell sein. Eine geringere Unternehmensgröße und organisatorische Komplexität schafft die Voraussetzung für sofortige Reaktionen auf Trends, disruptive Veränderungen und neue unternehmerische Gelegenheiten – kurz: Wer klein ist, kann innovativer sein.

Eine Glühbirne in einer Gedankenblase
Der Mittelstand existiert weiterhin. Eine geringere Unternehmensgröße schafft Voraussetzung für Innovationen und eine schnelle Reaktionsfähigkeit. Foto © CC0 License

Potenziale muss man jedoch auch einlösen und nicht alle Mittelständler tun dies. Neben herausragend innovativen Unternehmen gibt es viele mittelständische Unternehmen, bei denen sich erst in den nächsten Jahren entscheiden wird, wohin die Reise geht: Arbeiten sie konsequent an ihrer Innovationsorientierung und schaffen damit die Voraussetzung für den Erfolg von morgen? Oder warten sie ab und werden Opfer der schöpferischen Zerstörung?

Als wissenschaftlicher Leiter des größten Innovationswettbewerbs im Mittelstand (TOP 100) analysiere ich seit 15 Jahren die Faktoren, die für den Innovationserfolg mittelständischer Unternehmen verantwortlich sind. Das Benchmarking der vielen tausend untersuchten Firmen zeigt die systematischen Unterschiede zwischen den besonders erfolgreichen InnovatorInnen, den TOP 100-Unternehmen, und dem „Normalbereich“ auf. Es erlaubt damit Rückschlüsse auf Erfolgsfaktoren für Innovationen. Die zahlreichen Stellschrauben lassen sich in vier Bereiche einteilen.

Grafische Darstellung Innovationsprozesse
Es gibt viele Faktoren die für den Innovationserfolg mittelständischer Unternehmen verantwortlich sind. Foto © CC0 License

Innovation beginnt ganz oben

Ausgangspunkt ist zunächst die Unternehmensleitung. Innovation ist der Aufbruch ins Unbekannte, sie kostet Kraft und birgt Risiken. Ohne Initiative, Unterstützung und Vorbild der Leitungsebene fallen Unternehmen sehr schnell in ihre „Komfortzone“ zurück. Sie tun dann das, was sie schon immer getan haben, und definitionsgemäß ist Routine eben nicht Innovation. Um innovativ zu sein, muss die Leitung strategische Innovationsziele entwickeln, Projekte begleiten und permanent helfen, marktliche und interne Widerstände zu überwinden. Bei der Analyse sehen wir an zahlreichen Indikatoren, wie groß der Einfluss der Unternehmensleitung ist. Ein Beispiel sind die Ressourcenwidmungen: die TOP 100 investieren im Schnitt 13,5% des Umsatzes in Innovation – neun Mal so viel wie der Durchschnitt im Mittelstand.

Aufs Klima kommt‘s an

Die Leitung prägt auch den zweiten Faktor, das Innovationsklima. Innovationserfolge brauchen eine Unternehmenskultur, die zu Ideen und Kreativität anregt und diese belohnt. Zahlreiche Studien zeigen, dass Innovativität MitarbeiterInnen nicht einfach „verordnet“ werden kann. Um das Kreativitätspotenzial der MitarbeiterInnen als Quelle für Innovation zu erschließen, muss man Autonomie und Risikobereitschaft fördern, Freiräume gewähren und Austausch herbeiführen. Unsere Zahlen zeigen, dass diejenigen, die dies in intelligenter Weise tun, beispielsweise pro MitarbeiterIn jährlich 2,5 Verbesserungsvorschläge und Ideen für neue Angebote und Prozesse erhalten – normal ist ein knappes Drittel davon.

Strukturen und Prozesse – aber flexibel

Ein positives Klima und Ideen allein genügen natürlich nicht. Auch organisatorische Strukturen sind notwendig. Innovationsprozesse erfolgen arbeitsteilig, Koordination ist daher notwendig, sonst droht das Chaos. Es ist auffällig, wie einseitig viele Unternehmen ihre Organisation auf Kostenminimierung und kurzfristige Effizienz ausrichten. Nicht einmal jedes vierte KMU verfügt über klar definierte Innovationsprozesse. Innovation erfordert jedoch eine flexible, projektartige Struktur und in allen Phasen – von der Ideenfindung bis zur Markteinführung – eine Abfolge von Kreativität und kühlen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Praktisch alle TOP 100-Unternehmen (97%) haben eine solche Prozessregelung.

Der vierte Faktor ist die Außenorientierung. Im Zeitalter von Open Innovation und Crowdsourcing ist entscheidend, Wissen, Know-how und Ideen jenseits der Unternehmensgrenzen ins Unternehmen zu holen – egal ob aus Forschungseinrichtungen, von KundInnen oder einem anderen Ort. Jedes Unternehmen ist nun mal klein im Verhältnis zum Rest der Welt. Insofern verwundert es nicht, dass beispielsweise zwei Drittel der TOP 100-Unternehmen Kooperationen mit Universitäten unterhalten – bei normalen KMU sind es nur 11%.

Grafische Übersicht über Erfolgsfaktoren
Die zahlreichen Stellschrauben für erfolgreiche Innovationen lassen sich in vier Bereiche einteilen.

Die vier Bereiche bilden ein sich wechselseitig ergänzendes und verstärkendes System. In manchen Unternehmen nimmt die Firmenleitung dabei eine prägende Rolle ein, andere schaffen es, vor allem ein einzigartig stimulierendes Innovationsklima zu etablieren. Wiederum andere verfügen über Prozesse wie aus dem Lehrbuch oder sind in vorbildlicher Weise außenorientiert.

Fazit

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist entscheidend, dass sich diese Potenziale jeweils in Innovationserfolge umsetzen – also in erfolgreiche neue Produkte, Dienstleistungen, Prozesse oder Geschäftsmodelle. Diese wiederum müssen Wert schaffen. Unsere Zahlen verdeutlichen, dass die Top-InnovatorInnen einen sechsmal so hohen Innovationsanteil am Umsatz haben und in der Folge auch sechsmal so schnell wachsen wie durchschnittliche Unternehmen.

Innovation ist also nachweislich der Erfolgsfaktor für den Mittelstand schlechthin – und der entscheidende Grund für die historische Fehlprognose von klugen Köpfen wie Marx und Schumpeter.

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