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Ein Vorbild für Führungskräfte
Egal, ob man glühende*r Monarchist*in oder überzeugte*r Republikaner*in ist, eines lässt sich jedenfalls nicht leugnen: Queen Elisabeth II war eine Ausnahmepersönlichkeit, eine bemerkenswerte Frau und ein Paradebeispiel für Authentizität, Beständigkeit und Mut zur Veränderung.
Anlässlich des für Millionen von Menschen emotionalen Endes einer ganz außergewöhnlichen königlichen Ära hat sich Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, genauer angesehen, was ihre besondere Führungsstärke ausgemacht hat und warum sie nicht nur für vergangene, sondern vor allem auch für zukünftige Generationen von Führungskräften ein großes Vorbild ist.
Mit ihren unglaublichen 70 Jahren Regentschaft war Queen Elisabeth II nicht nur die am längsten regierende Monarchin Großbritanniens, sondern nach König Sobhuza II (Swasiland – 82 Jahre) und König Ludwig XIV (Frankreich – 72 Jahre) auf Platz drei im All-time-Ranking der Langzeitmonarch*innen weltweit. Mehr als 70 Jahre nachdem sie die Nachfolge ihres Vaters angetreten hat, der den meisten Millennials noch als George VI aus dem Filmklassiker „The King's Speech“ ein Begriff ist, wurde sie bis zu ihrem Tod am 8. September 2022 als "Fels in der Brandung in einer Welt des ständigen Wandels" gefeiert, wie der ehemalige Premierminister David Cameron einmal feststellte. In guten wie in schlechten Zeiten bewies sie konsequente Führungsstärke, blieb dabei stets positiv und hoffnungsvoll und arbeitete unermüdlich an (beinahe) jedem Tag ihrer Regentschaft.
„Wie aber würde die Queen selbst erfolgreiches Leadership definieren?“, meint Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy. „Bei einer ihrer seltenen Reden vor den Vereinten Nationen in New York im Jahr 2010 sagte sie: ‚Ich kenne kein Patentrezept für den Erfolg. Aber im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass einige Eigenschaften von Führungskräften allgemeine Gültigkeit haben und dass es oft darum geht, Wege zu finden, um Menschen zu ermutigen, ihre Bemühungen, ihre Talente, ihre Einsichten, ihren Enthusiasmus und ihre Inspiration zu bündeln, um zusammenzuarbeiten.‘ Man könnte es vermutlich nicht besser auf den Punkt bringen, worum es bei nachhaltiger Führung geht“, so Stöttinger.
Welche sind nun die wichtigsten Leadership Learnings, die sich Führungskräfte von Queen Elisabeth II abschauen können? Hier eine Kurz-Analyse mit den 6 wichtigsten Leadership-Skills der Queen:
Während ihrer eindrucksvollen Zeit als Monarchin hat Queen Elisabeth II. alles erlebt, was ein Mensch in einem Leben unterbringen kann: Kriege, Atomkatastrophen, Terroranschläge, private Tragödien oder die Corona-Pandemie, die das Leben auf der ganzen Welt grundlegend verändert hat. Letztes Jahr verlor sie ihren Ehemann Prinz Philip nur wenige Monate vor dessen 100. Geburtstag und war kurz nach seinem Tod wieder „back on duty“. Insgesamt hat sie 15 verschiedene Premierminister*innen ernannt. Sie hat in ihrem Leben eine unglaubliche Anzahl von Veränderungen und Herausforderungen erlebt und dabei ein außergewöhnliches Maß an Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit bewiesen.
Leadership-Learning: Queen Elisabeth II ist vermutlich eines der ersten Vorzeige-Beispiele moderner Markenführung: Sie hat Beständigkeit bewiesen, ist ihren Prinzipien treu geblieben und hat sich aber über die Jahre hinweg immer wieder neu erfunden. Sie war am Ende ihres Lebens – wenn man so will – dieselbe, aber dennoch ein völlig anderer Mensch.
Barbara Stöttinger
Es gab Zeiten, in denen sich die Königin angesichts bestimmter Herausforderungen einfach "durchgebissen" hat, in anderen Situationen hat sie ihren Kurs geändert, Ratschläge angenommen, oder zugegeben, dass sie sich geirrt hat – Eigenschaften, die auch moderne Führungskräfte auszeichnen.
... oder wie die Engländer sagen: „Keep calm and carry on“ – übrigens ein Slogan, den die britische Regierung 1939 in Erwartung heftiger deutscher Luftangriffe plakatieren ließ und der vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, der Corona-Pandemie, und einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte aktueller nicht sein könnte.
Elizabeth bestieg den Thron durch eine unerwartete Wendung der Ereignisse. Ihr Onkel Edward trat zurück und ihr Vater, George VI, starb nur wenige Jahre danach an den Folgen einer Thrombose. Damit war Elisabeth im Alter von 26 Jahren Königin. Mit dem Stoizismus ihrer Vorfahren ausgestattet verstand Elisabeth, wie wichtig es war, trotz aller Widrigkeiten ihre Pflichten zu erfüllen, um das Erbe der Krone zu sichern.
Leadership-Learning: „Nicht ohne Grund heißt es ‚in der Ruhe liegt die Kraft‘ - Gelassenheit im Chaos zu kultivieren, ist für Menschen in Führungspositionen eine der wichtigsten Eigenschaften überhaupt“, so Stöttinger. „In hektischen oder unsicheren Zeiten haben wir die Tendenz, rasch zu reagieren, um unserem Bedürfnis nach schnellen Lösungen und Klarheit nachzukommen. Besser ist es allerdings, Abstand zu gewinnen, um nicht vorschnell zu handeln. Führungskräften, denen es gelingt, auch in Ausnahmesituationen Ruhe zu bewahren, übertragen diese auch auf ihre Mitarbeiter*innen. So lässt sich das gesamte Team nicht von Emotionen leiten, sondern schafft einen Raum, in dem Entscheidungen abgewogen und effektiver gehandelt werden kann.“
Eine der besonderen Stärken von Queen Elisabeth II war es, ihre sanfte Macht als Königin mutig einzusetzen und Führungsstärke – bisweilen auch gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen - vorzuleben. So besuchte sie 1965, zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, Westdeutschland, um ein neues Kapitel in dem jahrzehntelangen Prozess der Aussöhnung zwischen Großbritannien und Deutschland aufzuschlagen. Mehr als eine Million Menschen jubelten auf den Straßen, um die Queen mit offenen Armen zu empfangen. Sie setzte ihre Mission zur Wiedervereinigung des Kontinents während ihrer gesamten Regentschaft fort. Jahre später, im Juni 2012, schüttelte sie Martin McGuinness die Hand. Der symbolische Händedruck mit dem ehemaligen IRA-Führer läutete den Wandel nach 40 Jahren blutiger irischer Geschichte ein.
Leadership-Learning: Nicht immer sind es die großen Revolutionen, die Dinge zum Guten verändern. Manchmal braucht es kleine Akzente, die das Rad anstoßen und zu Veränderung und Innovation führen. „Ich denke hier an den Auftritt der Queen im Parlament nach der Brexit Debatte. Sie erschien im blitzblauen Kostüm mit einem Hut mit gelben Blumen – für die Welt außerhalb des Königreichs ein deutliches Zeichen für ihr Einstellung zur Europäischen Union. Verbal konnte und wollte sie sich nicht äußern, deshalb setzte sie auf die Kraft der Symbole. Eine Strategie, die es im Übrigen auch Führungskräften erlaubt, in bestimmten Situationen auf subtile Art zu zeigen, wofür man steht“, sagt Barbara Stöttinger.
Das wichtigste Führungsprinzip der Queen lautete: „Serve to lead." Im Zentrum des eigentlich von der Militärakademie Sandhurst stammenden Grundsatzes steht die Vorstellung, dass Führung ein Akt des Dienens ist, also ein Dienst an jenen Menschen, die man führt, um gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. „Queen Elisabeth II verkörperte diesen Führungsstil wie keine andere: Sie sah sich selbst als Dienerin ihres Volkes und nicht als dessen Anführerin; sie traf Menschen, ermutigte sie in ihren Bemühungen und machte vor allem eines, was ich sehr beeindruckend finde: Sie nahm sich die Zeit, mit Menschen in Kontakt zu treten - immer mit Geduld und Interesse“, so Barbara Stöttinger.
Leadership-Learning: Nicht die Funktion selbst, sondern ob und wie man diese mit Leben erfüllt, ist ausschlaggebend für Führungskräfte. Welche Haltungen, Werte und Leitlinien habe ich als Manager*in und wie möchte ich wirksam werden? Macht kommt mit der Position, das Vertrauen der Mitarbeiter*innen aber durch das Wirken und die Ausgestaltung meiner Führungsrolle. „Beim Servant Leadership geht es darum, Menschen und Organisationen zu dienen und diese als Führungskraft bestmöglich zu unterstützen und nicht, um die Rolle oder Position für die eigenen Interessen auszunützen.“
Spricht man mit Menschen, die eng mit Queen Elisabeth II zusammengearbeitet haben – egal, ob das ihre Mitarbeiter*innen, Berater*innen oder die 15 Premierminister*innen, die die Queen begleitet hat, sind - dann kristallisiert sich eine weitere Eigenschaft heraus: Die Königin war eine exzellente Gesprächspartnerin, die nichts dem Zufall überließ und sich nicht nur fachlich hervorragend auskannte, sondern auch gut informiert und immer up-to-date war. Auf jedes Gespräch, zu jedem Event bereitete sie sich akribisch vor.
Leadership-Learning: Wer seine Hausaufgaben macht, zeigt, dass er seine Kolleg*innen respektiert, und gleichzeitig über ein fundiertes Wissen über aktuelle Themen verfügt. „Führungskräfte, die ihr Umfeld und ihren Markt genau kennen und wissen, was sich tut, treffen bessere Entscheidungen. Was wir auch beobachten ist, dass gut vorbereitete Menschen auch offener gegenüber Neuem sind und Veränderung eher als Chance und nicht als Gefahr sehen. Leider neigen viele Führungskräfte nach wie vor dazu, nur in der eigenen Suppe zu schwimmen und keinen Blick über den Tellerrand zu riskieren. Ein sicheres Rezept übrigens, um Trends und Innovationen und jegliche Chance auf Weiterentwicklung zu verpassen“, so Barbara Stöttinger.
Schon zu Beginn ihrer Karriere wusste Elisabeth, neueste Technologien erfolgreich einzusetzen. Bei ihrer Krönung im Jahr 1953 etwa bestand sie - gegen den Rat von Premierminister Winston Churchill - darauf, die Krönungsfeier im Fernsehen übertragen zu lassen – mit Erfolg: das Mega-Event, das damals erstmalig live im Fernsehen übertragen wurde, verfolgten weltweit fast 300 Millionen Zuseher. 1976, über 20 Jahre später, war sie eines der ersten Staatsoberhäupter, das eine elektronische Nachricht (E-Mail) verschickte. Während ihrer gesamten Regentschaft ist sie technologisch stets mit der Zeit gegangen. Queen Elisabeth II hat sich neue Technologien – auch gegen die konservativen Kräfte in ihrem Umfeld - zu eigen gemacht und dadurch nicht nur die Bedeutung der Monarchie gestärkt, sondern digitale Medien auch wirkungsvoll als Plattform für ihre eigenen Botschaften genutzt.
Leadership-Learning: Genau zu verstehen, wo Veränderung dazu beiträgt, wirksamer in der Struktur einer Organisation zu werden, oder Neues dazu beiträgt, als Führungskraft effektiver zu sein, ist ein absolutes Must-Have-Skill für Führungskräfte. Dabei ist es wichtig, die Menschen und die Organisation nicht zu überfordern und eine ausgewogene Balance zu finden. „Gerade, wenn wir neu in einer Führungsposition sind, haben wir die Tendenz, alles umkrempeln zu wollen. Das ist legitim, jedoch gilt auch hier, dass ‚weniger mehr ist‘, ganz im Sinne Peter Druckers also ‚die richtigen Dinge zu tun, als Dinge richtig zu tun.‘ Die wichtigsten Fragen, die sich Führungskräfte in diesem Zusammenhang stellen können, sind: Wo bringt Innovation und der Einsatz von Technologien Vorteile? Vereinfacht er Bürokratie und können Menschen dadurch leichter zusammenarbeiten? Und schließlich: Welche Perspektiven eröffnen uns die Digitalisierung und Change, die wir vorher noch nicht hatten?“, sagt Barbara Stöttinger anschließend.
„Wenn es eine genetische Leadership-Prädisposition gäbe, dann hätte der Prince of Wales, nunmehr König Charles III, eine hervorragende Ausgangsposition. Wir wissen aber aus unterschiedlichen Forschungsstudien zum Thema, dass Führungskompetenz vor allem etwas ist, das man sich im Austausch mit anderen (Führungskräften) im Laufe der Zeit aneignet und besser wird, in dem man das neu erworbene Wissen und die Skills in der Praxis anwendet. Charles hätte jedenfalls genug Zeit gehabt, sich mit seiner Mutter und anderen Führungskräften auszutauschen. Wie das der neue König in den nächsten Jahren anlegen wird, bleibt abzuwarten. Die Chancen für einen weiteren großen Leader aus der Royal Family stehen damit gut...“, resümiert Barbara Stöttinger.
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