Neuroleadership: Wie wir lernen können, mit dem Gehirn zu lernen - nicht dagegen

18. Januar 2019

Interview mit Andy Habermacher

Andy Habermacher ist international anerkannter Experte für Neuroleadership, der auf der ganzen Welt Vorträge hält, warum es für Führungskräfte so wichtig ist, besser auf die zentrale Schaltstelle im Körper zu hören. Am 24. Mai 2019 ist Andy im Rahmen eines Business Breakfast und einer WU EA Lounge am Abend zu Besuch an der WU Executive Academy. Im Exklusivinterview gibt er schon vor dem Event Einblicke auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie Fortbildung heute ablaufen sollte, und erklärt, weshalb Manager*innen unbedingt mehr über ihr Gehirn wissen sollten.

Bild Kopf mit Zahnrädern
Mit dem Gehirn lernen, nicht dagegen. Foto © CC0 Licence

Herr Habermacher, dank der Hirnforschung wissen wir heute schon recht viel über das Gehirn. Was ist der Stand der Wissenschaft?

In den letzten Jahren hat sich auf diesem Gebiet sehr viel getan. So wissen wir heute, welche Rolle Chemikalien und Moleküle spielen und welche Arten von Neuronen wichtig sind. Von Bedeutung ist auch, wie sich die Neuronen untereinander verbinden und wie die einzelnen Hirnregionen zusammenspielen.
 

Wie hat sich vor diesem Hintergrund die Disziplin von Neuro-Leadership entwickelt, also die Umsetzung von Erkenntnissen der Neurowissenschaft auf das Management?

Der Begriff wurde 2004 von David Rock geprägt, auch Daniel Goleman ist einer der führenden Köpfe auf diesem Gebiet. Es ging darum, die Neurowissenschaft im Bereich von Leadership und Management umzusetzen und zu zeigen, wie das Gehirn in diesem Kontext arbeitet. Vielfach wurde dadurch bestätigt, was schon bekannt war. Wichtig ist aber, dass nun die Wissenschaft die zugrunde liegenden Mechanismen erklärt – den Neurowissenschaften wird mehr Vertrauen entgegengebracht als der Psychologie. Kurz gesagt: Es ist heute klarer und konkreter, wie die Prozesse im Gehirn ablaufen.
 

Manager*innen sollten also mehr wissen über die Funktionsweise des Gehirns?

Ja, aber leider wissen sie nicht genug. Obwohl es Neuro-Leadership seit 14 Jahren gibt und viele neue Theorien wissenschaftlich bewiesen sind, hat kaum jemand ein klares Verständnis von den Abläufen im Gehirn. Es wird noch immer mit generellen Führungswerkzeugen und psychologischen Trends gearbeitet.
 

Was ist der Grund dafür?

Habermacher: Das hat mehrere Ursachen. Erstens sind die Tools oft komplex und wirken sehr wissenschaftlich. Da entsteht der Eindruck, sie wären fürs Business nicht relevant. Zweitens ist man an die klassische Management-Sprache gewohnt, etwa im HR-Umfeld.

Werkzeuge die Neuro-Leadership Tools repräsentieren
Tools für Neuro-Leadership sind oft komplex, wodurch der Eindruck entsteht, sie wären fürs Business nicht relevant. Foto © CC0 Licence

Könnte es auch daran liegen, dass Manager*innen glauben, Neuro-Leadership sei nur so ein weiteres Trendthema?

Es kann sein, dass viele denken, das sei nur ein Trend. Es gibt auch einige, die sich darauf setzen und allzu einfache Lösungen anbieten. Aber es ist mehr als ein Trend und wird dank neuer akademischer Forschung noch wichtiger werden. 

Wenn wir uns die Aus- und Weiterbildung ansehen: Lernen wir derzeit auf eine Art und Weise, die den Erkenntnissen der Neurowissenschaften entspricht?

Nur zum Teil. Oft werden Lehrgänge ja nicht so gestaltet, dass sie die Leistung des Gehirns fördern. Wichtig ist zum Beispiel das Verständnis, dass Lernen ein Prozess ist, in dem es unter anderem genug Zeit für Experimente geben muss. Auch die Dauer des Lernens ist wichtig, mehr als vier bis fünf Stunden machen wenig Sinn. Und natürlich ist Schlafen die wichtigste Komponente überhaupt für effizientes Lernen.

Bild eines Weckers
Für Andy Habermacher ist Schlaf die wichtigste Komponente für effizientes Lernen. Foto © CC0 Licence

Dabei gilt doch gerade ein Mangel an Schlaf als Symptom des Leistungsstarken.

Für die Gesundheit des Gehirns sind Training, Ernährung und vor allem ausreichend Schlaf unverzichtbar. Es gibt natürlich Ausnahmen, so wie beispielsweise Thomas Edison einst sagte, dass Schlaf ein Erbe aus unseren Tagen in Höhlen ist - er selbst schlief nur 3 bis 4 Stunden. Aber erfolgreiche Manager*innen haben ausreichend und regelmäßig Schlaf. Auch Winston Churchill galt ja als jemand, der wenig schlief – dabei wird vergessen, dass er nachmittags für ein, zwei Stunden geschlafen hat.
 

Wie sollten wir also einen Lernprozess gestalten, um solche Erkenntnisse umzusetzen?

Generell gilt: Das lebenslange Lernen ist unverzichtbar. Und es ist immer besser, in vielen kleinen Blöcken zu lernen als in einem einzigen. Oft ist das aber in der Praxis nicht leicht umzusetzen. Dann wird versucht, in kurzer Zeit möglichst intensiv zu lernen.
 

Wie kann jeder Einzelne das Lernen für sich optimieren, haben Sie da einige Tipps parat?

Am besten beginnt man morgens und lernt in Blöcken von je 45 Minuten bis zu einer Stunde. Als Erstes könnte man die Unterlagen einmal überfliegen, denn das Gehirn tut sich leichter, wenn es bereits eine Referenz gibt. Und es braucht genügend Freiraum zum Erforschen und Erkunden. Zwischen den einzelnen Blöcken sollte man sich bewegen, ausruhen oder etwas anderes lesen. Mittags etwas essen und dann ausrasten. Abends sollten wir dem Gehirn erlauben, sich etwas anderem zu widmen.

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