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Finance

Der Super Bowl-Indikator

Der Super Bowl als Börsenbarometer? Warum der „Indikator“ mehr Mythos als Marktweisheit ist – laut Behavioral Finance.

Manfred Fruehwirth Portrait - WU Executive Academy
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Touchdown für die Wall Street 2020?

In Kürze ist es endlich wieder soweit: die Super Bowl, das Finale der amerikanischen Football-Profiliga. Fast eine Milliarde Menschen weltweit wird die 54. Auflage des Sport-Highlight des Jahres live auf dem Bildschirm mitverfolgen. Aber das internationale Mega-Event hält nicht nur die Sportfans in Atem, sondern auch die Wall Street: Schenkt man dem Super Bowl-Indikator Glauben, steigen oder fallen im laufenden Jahr die Börsenkurse je nachdem, welches Liga-Team (National Football Conference (NFC) oder American Football Conference (AFC)) im Finale gewonnen hat. Aus Sicht der Börsianer wäre ein NFC-Champion der optimale Start ins noch junge Börsenjahr 2020. Wir haben bei Prof. Manfred Frühwirth, Mitglied des Department of Finance, Accounting & Statistics der WU und langjähriger Vortragender an der WU Executive Academy, nachgefragt, ob hinter dem Indikator mehr als nur Zufall steckt: Gibt es vielleicht wirklich einen Zusammenhang zwischen dem Ausgang des Finales und der Kursentwicklung an der Wall Street?

Footballspieler gegnerischer Mannschaften stehen einander auf dem Spielfeld gegenüber und sind bereit für einen Spielzug. Eine Mannschaft trägt Schwarz und Rot, die andere Weiß und Blau. Der Ball liegt auf dem Boden und ist bereit für den Snap.-WU Executive Academy ©WU Executive Academy

Seit 1967 hat die Theorie, dass mit einem NFC-Gewinner der S&P 500 (der Aktienindex der 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen) im jeweiligen Jahr steigen und mit einem AFC-Gewinner dieser sinken wird, 41 Mal zugetroffen. Das ist bei 53 Spielen eine Trefferquote von 77 %. Das klingt viel, aber statistisch gesehen hat das Ergebnis äußerst wenig Aussagekraft. Es gibt sehr wenige Daten, weil nur eine Beobachtung pro Jahr stattfindet. „Wenn wir in die Zukunft blicken, so gilt grundsätzlich: Je mehr Daten man sammelt, desto enger wird das sogenannte „Konfidenzintervall“ (d. h. desto verlässlicher wird das Ergebnis) und desto eher wird sich die Trefferquote 50 % annähern. Im vergangenen Jahr hat die Prognose zum Beispiel nicht geklappt: 2019 war eines der erfolgreichsten Jahre an der Wall Street überhaupt. In den letzten 25 Jahren war die Performance des S&P 500 nur in drei Jahren besser als 2019. Und das, obwohl die New England Patriots (ein Team aus der AFC) gewonnen hatten“, sagt Frühwirth.

Die eigentliche Krux mit dem Indikator

Aus finanzwirtschaftlicher Sicht gibt es keinen rationalen Grund und kein theoretisches Modell dafür, warum der Ausgang der Super Bowl Auswirkungen auf die Börsenkurse haben sollte. Der hergestellte Zusammenhang ist noch dazu rein binär: Gewinnt ein AFC-Team oder ein NFC-Team, so fällt oder steigt die Börse in diesem Jahr. „Gäbe es tatsächlich einen realen Zusammenhang, so wäre es durchaus auch denkbar, dass z. B. die Höhe des Ergebnisses, also der Punkteunterschied, einen Einfluss auf die Höhe der Performance an der Börse hätte. Das ist aber nicht der Fall. Beim Super Bowl-Indikator werden außerdem auch über 50 Jahre alte Daten miteinbezogen, die Rahmenbedingungen der Börse haben sich aber in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. All dies ist problematisch.“, so Frühwirth, und ergänzt: „Warum die Trefferquote dennoch so hoch ist, hat mit nachträglicher Sinngebung zu tun: Da die Auswahl eines Indikators ex post erfolgt, kann man sich im Grunde genommen einen Indikator so lange zurechtrücken, bis er zumindest für die gewählte Stichprobe passt. Wenn es für die Super Bowl nicht stimmte, dann würden wir jetzt vielleicht über den Einfluss von Basketball, Eishockey oder Baseball auf die Börsenkurse im nächsten Jahr sprechen. Und wenn die Vorhersage nicht zur Rendite im laufenden Jahr passte, dann vielleicht für jene im laufenden Monat. Und notfalls könnte man noch bei der Auswahl des Aktienindex ein bisschen drehen. Sie sehen, hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. In jedem Fall würde man etwas finden, wo es einen vermeintlichen Zusammenhang gibt.“

Kontrollillusion nährt den Aberglauben

Warum sich der Aberglaube dennoch so hartnäckig hält, hängt mit einem Phänomen zusammen, das in Fachkreisen als Kontrollillusion (eine Facette der übermäßigen Zuversicht/Overconfidence) bezeichnet wird. Der Mensch will sich nicht eingestehen, dass er teilweise seiner Umwelt ausgeliefert ist und Teile seines Lebens nicht steuern kann. Somit sucht er ständig Muster und Kausalitäten und redet sich ein, dass er Dinge beherrscht.

Fußball, Kino und Behavorial Finance

Abseits des Super Bowl-Orakels gibt es in der Finanzwelt ähnliche Phänomene, die oft auf den Einfluss der Stimmung auf die Risikoaversion der Investoren zurückgeführt werden: Manche Untersuchungen zeigen etwa, dass auch das Kinoprogramm einen Einfluss auf die Börsenkurse habt: Je nach Stimmung, in der ein Börsenhändler das Kino verlässt, verändert sich auch sein Trading-Verhalten am darauffolgenden Tag.

Gründe, warum Investoren in der Regel keine rationalen Beschlüsse fassen, gibt es viele: Sie sind nicht immer unbegrenzt aufnahmefähig, weisen hartnäckige Wahrnehmungsverzerrungen - z. B. in der Einschätzung von Risiken - auf, haben inkonsistente Präferenzen oder lassen sich von Emotionen leiten. Deshalb ist für Manfred Frühwirth das Thema Behavorial Finance so faszinierend: „Im Gegensatz zur klassischen Finanzlehre berücksichtigt sie im Speziellen auch die Psychologie des Menschen. Sie ist dadurch in der Lage, Ergebnisse zu liefern, die der Realität besser entsprechen. Behavioral Finance ist daher auch ein großes Thema beim MBA Finance an der WU Executive Academy.“

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