Book Spotlight: Wir alle werden manipuliert, nur merken wir es nicht

12. April 2018

Prof. Johannes Steyrer über sein Buch "Die Macht der Manipulation"

„Manipulation findet immer und überall statt. Ob bewusst, oder unbewusst. Egal ob Mann oder Frau, arm oder reich, mächtig oder nicht. Aber kaum jemand merkt es“, sagt Autor Johannes Steyrer, akademischer Direktor des Professional MBA Health Care Management und Professor am Interdisziplinären Institut für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management der WU, im Interview über sein neues Buch „Die Macht der Manipulation“.

Bild von Johannes Steyrer
Johannes Steyrer über sein neues Buch "Die Macht der Manipulation"

In Ihrem neuen Buch geht es um die Wirkung von Manipulation. Was versteht man darunter?

Manipulation hat drei Merkmale:

  1. Sie nützt primär dem/der BeeinflusserIn.

  2. Sie wird nicht durchschaut.

  3. Der/die Beeinflusste glaubt, sich frei entschieden zu haben.

     

Wir alle bemühen uns ständig, andere zu beeinflussen, damit sie anders denken, fühlen und handeln, ob als PartnerInnen, Eltern, LehrerInnen, Führungskräfte, VerkäuferInnen etc. Jedenfalls kommt es häufiger vor als wir denken. Die Grenzen zwischen Führen und Verführen, Motivieren und Manipulieren sind dabei fließend. 

Die MBA AbsolventInnen der WU Executive Academy sind meist als ManagerInnen oder Führungskräfte tätig. Wie sähe da ein Manipulationsbeispiel an der Grenze zur Verführung aus?

Beispielsweise will man eine/n MitarbeiterIn dazu bringen, zwei Jahre in einer geplanten Niederlassung in einem entfernten Unternehmensstandort zu arbeiten, der einen Umzug in ein unattraktives Land erfordert. Wenn man direkt fragt, ob er/sie das will, sind Widerstände wahrscheinlich. Was wäre also erfolgversprechender? Man könnte die Köder-Technik einsetzen. Mit der hätte man so gefragt: „Ich hätte da an Sie gedacht. Wir haben dort in dem Land einiges vor. Überlegen Sie sich einmal, ganz unverbindlich, ob Sie sich zutrauen würden, da eine größere Rolle zu übernehmen?“

Ihr/e MitarbeiterIn weiß zunächst nicht, dass es nach einem entfernten Standort geht. Je mehr er/sie sich aber selbst Argumente liefert, warum ein Engagement so weit weg für ihn/sie von Interesse wäre, z. B. mehr Geld, Karriere, etc., desto mehr verbeißt er/sie sich in seinen/ihren Entscheidungen. Er/Sie sagt zu, ohne zu wissen, was auf ihn/sie konkret zukommt.

Erst nach einiger Zeit erfährt er/sie, dass ein erstes Projekt in einem unattraktiven Land ansteht. Wer A sagt, der muss auch B sagen. Er/Sie kann nicht gleich beim ersten Projekt klein beigeben. In Rumänien angekommen, sieht er/sie, was da im Argen liegt. Je mehr Zeit und Energie er/sie investiert, desto mehr bleibt er/sie dort hängen. Er/Sie gerät dann in eine Beständigkeitsfalle, die da lautet: Neue Entscheidungen haben alte Entscheidungen zu rechtfertigen.

Zwei Männer sprechen miteinander
Manipulation oder Verführung? Als Führungskraft sollte man wissen mit was man es zu tun hat.

Warum fällt die Köder-Technik dem/der MitarbeiterIn nicht auf und worin liegt die Wirkung?

Gute Manipulation redet nicht ein und überzeugt nicht. Da erntet man meist Widerstand. Man muss es so anlegen, dass sich die Menschen selbst das einreden, was man von ihnen will. Wir alle glauben, dass Menschen ja das tun, was sie wollen. Natürlich tun sie das. Aber auch das Gegenteil trifft zu: Menschen wollen das, was sie tun. Eine Grundregel der Manipulation lautet daher, nicht Einstellungen sondern Handlungen zu beeinflussen. Wenn wir etwas tun, dann rechtfertigen wir das vor uns selbst. Dann reden wir uns das ein, was andere von uns wollen. Man nennt das z. B. Fuß-in-die-Tür-Technik. Beispielsweise verdreifachen sich Spendenraten für die Krebshilfe, wenn Leute zuvor eine Anstecknadel tragen. Das funktioniert auch beim Anbandeln: Die direkte Frage, ob eine Frau auf einen Drink mitgehen möchte, war nur in 3 % der Fälle erfolgreich. Erkundigten sich die Männer zuvor nach einer Straße und sprach dann die Einladung aus, nahmen 16 % die Einladung an.

Ist das nicht unmoralisch?

Ja und nein. Aber machen wir uns doch nichts vor. Führungskräfte haben Ziele zu erreichen und Menschen zu motivieren. Wer sagt denn, dass der/die MitarbeiterIn nicht in dem "unattraktiven" Land die Frau/den Mann seines Lebens kennenlernt und dort glücklich wird? Es stellt sich ja überhaupt die Frage, wer unser Leben schreibt, wir oder das Leben. Wir alle sitzen viel mehr als wir glauben auf einem Kinderkarussell - Lenkrad, Zügel oder Steuerknüppel vermeintlich souverän im Griff, aber in Wirklichkeit auf einem von außen vorgegebenen Weg.

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Prof. Johannes Steyrer ist Akademischer Direktordes Professional MBA Health Care Management. Wenn Sie mehr über das Programm erfahren möchten, klicken Sie hier.

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