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Wie geht es weiter mit Personalsuche und HR?
Teammeeting vor dem Computer statt im Besprechungsraum, leere Büros, verunsicherte Bewerber*innen: Die Corona-Krise hat auch im HR-Bereich zu einschneidenden Veränderungen geführt. Persönliche Kontakte waren und sind stark reduziert oder ganz unmöglich, die Kommunikation mit Bewerber*innen läuft vorwiegend aus der Ferne. Für Unternehmen und ihre HR-Abteilungen stellt sich die Frage: Wie geht es weiter mit dem Recruiting? Kerstin Knapp, Personalvorstand von Vestas, und Tuba Ersoy, Gründerin des Executive-Search-Unternehmens Talent & More, haben sich angesehen, welche Auswirkungen die COVID-19-Krise auf das Recruiting hat und geben Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Zukunft in der Personalsuche und im HR-Bereich.
„Wegen der COVID-Pandemie war es von heute auf morgen nicht mehr möglich, Face-to-face-Interviews durchzuführen“, erzählt Kerstin Knapp, Personalvorstand von Vestas, dem weltgrößten Hersteller von Windkraftanlagen, und Global Executive MBA Alumna. Anfangs wurde noch versucht, das hinauszuzögern – aber irgendwann ging es nicht mehr anders. „Wir haben auch davor schon Videocalls und Videointerviews gemacht, das ist für ein global arbeitendes Unternehmen unverzichtbar. Dieser Trend hat sich nun verstärkt. Recruiting läuft jetzt stärker virtuell ab, wir müssen hier einfach mehr Vertrauen haben – und offen für digitale Tools und Errungenschaften sein“, sagt Knapp.
„2020 war ein Jahr, das nicht nur unser Privatleben völlig verändert hat, sondern auch die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten und wie sie Talente finden“, bestätigt Tuba Ersoy, Gründerin des Executive-Search-Unternehmens Talent & More, und Professional MBA Finance Absolventin. Während manche der Meinung waren, dass persönliche Interviews nicht zu ersetzen seien, musste der virtuelle Recruitment-Prozess quasi über Nacht umgesetzt werden. „Die Unternehmen haben aber schnell erkannt, dass mit einer Umstellung der Arbeitsgewohnheiten auch ein hybrider Recruiting-Prozess – also eine Mischung aus virtueller Abwicklung und persönlicher Kommunikation – in Zukunft unverzichtbar sein wird. Eine positive Entwicklung aus meiner Sicht, denn er ist den Aufwand aufgrund der Einsparung an Kosten und Zeit in jedem Fall wert – und zwar sowohl für HR-Teams als auch für die Talente“, so Knapp.
Tuba Ersoy schmunzelt: „Ich sehe so viele der sogenannten Workaholics jetzt daheim mit ihren Kindern und Haustieren bei Zoom-Meetings – und das ist echt ein Gamechanger.“ Kein Soft-Skills-Training habe erreichen können, wie in Unternehmen mit den Themen Flexibilität und Familie und dem Privatleben insgesamt umgegangen wird. „Außerdem ist meiner Meinung nach der 9-bis-5-Arbeitstag am Ende.“ Auf das Recruiting umgelegt bedeutet das, dass es auch in Zukunft Videointerviews von Bewerber*innen geben wird, vor allem im ersten Teil des Interviewprozesses.
Kerstin Knapp
Dabei wird es vor allem von der jeweiligen Zielgruppe und ihrer Seniorität abhängen, wie stark der Anteil von virtuellen bzw. persönlichen Elementen sein wird – im Executive-Bereich werden Gespräche vor Ort weiterhin unverzichtbar bleiben.
Eine zentrale Frage lautet: Kann man aus der Ferne einen Menschen überhaupt richtig einschätzen, ist professionelles Assessment möglich? Nach Ansicht von Kerstin Knapp ist das kein Problem, wenn man sich entsprechend darauf einstellt: „Ich bin 20 Jahre in diesem Job, Intuition und Gefühl sind immer wichtiger geworden für mich. Aber ich kann heute auch über Videocalls dieses Gespür für Menschen einsetzen, etwa um Unsicherheiten oder Energie aus der Distanz zu erkennen.“
Recruiter*innen müssten neben ihrer fachlichen Qualifikation auch Expert*innen für virtuelle (Recruiting-)Technologien und digitale Kommunikation werden, meint Tuba Ersoy. Online-Kommunikation ist längst unverzichtbar, dabei sei es aber besonders wichtig, dass das gesamte Recruitment-Erlebnis unbedingt beides sein muss: persönlich und professionell – was durchaus eine Herausforderung ist. „Für Recruiter braucht es daher einen neuen Mix an Fertigkeiten und Kompetenzen. Gerade Empathie und die Bereitschaft, sich auf die Ansprüche und individuellen Lebensrealitäten von Talenten einzulassen, rücken in den Mittelpunkt; es geht um einen noch ehrlicheren, offeneren Dialog im Recruiting. Der Eindruck, den ein Kandidat von einem Unternehmen hat, wird also noch stärker durch die Interaktionen mit den Recruiter*innen bestimmt werden. Indem sie so die Menschen in den Mittelpunkt stellen, haben Arbeitgeber*innen zukünftig die Möglichkeit, zu zeigen - nicht zu erklären - was ihr Unternehmen ausmacht“, sagt Ersoy.
Ein wichtiges Schlagwort ist hier nach Meinung von Kerstin Knapp Resilienz: „Gerade in Krisensituation ist es wichtig, dass man auf Mitarbeiter*innen setzen kann, die resilient sind und sich schnell auf neue Rahmenbedingungen einstellen können. Führungskräfte wiederum müssen ihre eigenen Ängste und Unsicherheiten beiseitestellen, um dem Team Sicherheit, Mut und Selbstvertrauen zu geben.“ Die durch die COVID-Krise und die fortschreitende Digitalisierung geänderten Rahmenbedingungen und Ansprüche bedeuten nämlich eine Wende hin zu projektbasierter Arbeit, für die eine strenge Einteilung der Organisation nach Funktionen bzw. Fähigkeiten gar nicht mehr möglich ist.
Tuba Ersoy
Umgelegt auf das Recruiting bedeutet das, dass wir in einer Post-COVID-Ära noch mehr als bisher darauf achten müssen, wie Talente auf neue Informationen und ein sich veränderndes Umfeld reagieren und wie sie unsichere Situationen bewältigen können.
Talente legen Wert auf offene, ehrliche Kommunikation darüber, wie und wann die Arbeit erledigt werden kann, meint Ersoy. „Und sie müssen sich stets als Menschen, nicht als Roboter fühlen – auch während digitaler Prozesse.“ Zudem werden flexible Arbeitszeiten erwartet, damit man sich beispielsweise um die Kinder kümmern kann. „Auf der anderen Seite sind Sicherheit und Stabilität im Job extrem wichtig.“ Für die Recruiting-Expertin Ersoy ist klar, dass es auch bei der Personalsuche keinen Weg zurück mehr gibt: „Die Veränderungen, die wir gerade erleben, sind gekommen, um zu bleiben. Um zu überleben, muss sich jeder anpassen. So wie Darwin schon sagte: Es sind nicht die stärksten oder intelligentesten, die überleben – sondern jene, die am besten mit dem Wandel umgehen können – und das gilt auch für das Recruiting.“
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