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Wie der Neustart gelingen kann
Die letzten Monate haben gezeigt, wie systemrelevant die Logistikbranche für uns alle ist – für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für unser tägliches Leben. Denn die COVID-19-Krise hat auch diesen Industriezweig auf eine harte Probe gestellt - wenige Flüge, extrem hohe Nachfrage nach bestimmten Produkten und strenge Sicherheitsvorkehrungen sind nur einige der Entwicklungen, auf die es rasche, globale Antworten braucht. Aber wie geht es nun weiter? Sebastian Kummer, akademischer Leiter des Universitätslehrgangs Logistik & Supply Chain Management der WU Executive Academy, analysiert die Lehren aus der Krise und erklärt, wie ein Neustart der durch die Pandemie angeschlagenen Logistikbranche gelingen kann.
„In früheren Krisen ist die Nachfrage eingebrochen, daher haben Unternehmen die Produktion heruntergefahren und es war eine Herausforderung, sie nach der Krise wieder hochzufahren. Es hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die auf eine flexible Supply Chain gesetzt haben, erfolgreich waren“, sagt Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik der WU. Doch diese Krise ist anders: „Wir erleben in manchen Bereichen eine deutlich höhere Nachfrage, etwa bei Halbleitern. Einige Unternehmen haben das vorhergesehen und daher größere Bestellungen gemacht, andere nicht. Speziell Unternehmen der Automobilindustrie haben nun Lieferengpässe. Allgemein dachte man, dass auch in dieser Krise die Nachfrage zurückgeht. Aber die Nachfrage ist in bestimmten Bereichen wie bei der E-Mobilität stark gestiegen.“
„Im Gesundheitsbereich hatte man zu wenig Sicherheitsbestände. Wir haben in der Krise gelernt, dass sich das Just-in-time-Prinzip und niedrige Bestände ungünstig auswirken können. In einer Krise braucht man ausreichend Bestand.“ Doch bei kurzfristigen Störungen etwa bei Schutzausrüstung und Masken habe die Logistik sehr gut reagiert, weil sie innerhalb weniger Tage die Lieferketten wieder ins Gleichgewicht bringen konnte. „Auch beim Thema Impfen ist keinesfalls die Logistik das Bottleneck, die schafft das locker. Es ist auch kein Problem, jede Art von Impfstoff sicher und rasch zu transportieren“, so Kummer.
„Von der COVID-19-Krise sind die Logistik-DienstleisterInnen nicht ganz so stark betroffen, weil sie für verschiedene Branchen arbeiten und den Rückgang in einigen Bereichen ausgleichen konnten“, analysiert Kummer. Allerdings haben sich die Arbeitsbedingungen erheblich erschwert. Bei den Paketdiensten wiederum sind wir ja Zustellungen innerhalb eines Tages gewohnt, in der Krise hat das so nicht funktioniert.
„Letztlich haben es die KEP(Kurier-, Express- und Paketdienste)-Dienste aber gut hinbekommen“, sagt Kummer. Und eine wichtige Erkenntnis der letzten Monate: „Es wurde auch erkannt, dass die Logistik systemrelevant ist, weil ohne sie kommen die Waren nicht in den Supermarkt und die Elektronik nicht ins Home Office.“
„Luftverkehr und Seeverkehr haben die größten Probleme – und weil dies in beiden Bereichen gilt, können Unternehmen nicht ausweichen.“ Der Hintergrund: Die Hälfte der weltweiten Luftfracht wird als sogenannte Bellyfracht, also im Bauch der Passagierflugzeuge, transportiert. Diese Flüge sind aber um bis zu 90 Prozent zurückgegangen, daher gibt es viel weniger Kapazitäten. „Andererseits ist gerade im Luftfrachtbereich die Nachfrage sogar höher geworden, etwa bei Gesundheitsausrüstung und Elektronikprodukten. Wir sehen nun enorme Preissteigerungen bei der Luftfracht“, sagt Kummer. In der Seefracht wiederum gibt es einen Engpass an Containern und es sind weniger Schiffe unterwegs, daher haben sich die Preise verdreifacht, die Gewinne der Reedereien sind explodiert.
Sebastian Kummer
Es herrscht de facto ein Oligopol, nur einige wenige Reedereien dominieren den Markt. Sie verdienen auf einmal enorm viel Geld, daher haben sie kein Interesse daran, dass die Preise zurückgehen.
„Was wir aus der Krise lernen: Wir müssen uns fragen, was in der Logistik passiert, wenn ein noch viel gefährlicheres Virus kommt“, sagt Kummer. Denn dann könnten die Menschen nur eingeschränkt in Geschäfte und es braucht Konzepte, wie die Bevölkerung zu Hause versorgt werden kann. „Wir müssten uns jetzt auf die nächste Pandemie vorbereiten, dabei spielt vor allem eine leistungsfähige Logistik eine zentrale Rolle.“
„Wir sind gut beraten, wenn wir für den Neustart der Logistik nun Start-ups fördern, vor allem solche, die in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung gehen. Potenzial hat beispielsweise die Blockchain-Technologie, um Austausch und Verfolgung von Paletten zu verbessern“, meint Kummer. Wenn es gelingt, mehr Transparenz in der Supply Chain zu schaffen, kann sie besser gemangt werden und es werden bessere Auslastung und mehr Nachhaltigkeit erreicht. „Die Dekarbonisierung der Wirtschaft und des Verkehrs war schon vor der Krise ein zentrales Thema. Im Verkehrsbereich geht es nur dadurch, dass wir grüne Energieträger konsequent einsetzen.“
„Meine Vision für den Güterverkehr: Wir müssen versuchen, in den nächsten 10 bis 15 Jahren ganz gezielt die Effizienz im Verkehrsbereich zu steigern, etwa indem die Aerodynamik der Fahrzeuge erhöht wird. Spannend ist auch eine Verlängerung der Lkw, um bei gleichem Gewicht mehr Gewicht pro Achse zu haben.“ Beim Antrieb der Fahrzeuge sieht Kummer mehrere Schritte zu mehr Nachhaltigkeit: „Kleine Lkw und Fahrten über kurze Distanzen sollten batteriebetrieben sein, das sollte man stärker fördern.“ Für den Schwerverkehr hingegen sieht er mittelfristig LNG (Flüssigerdgas) als Lösung, weil es besser verbrennt und es hinsichtlich der Partikel umweltfreundlicher ist. „Da dürfen wir ja nicht nur auf CO2 schauen. Es müsste Biogas aus Abfällen verwendet werden. Hingegen sind mit grünem Wasserstoff betriebene Lkw noch echte Zukunftsmusik, das kommt nicht vor 2030“, resümiert der Experte.
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