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Interview mit Dr. Kristin Hanusch-Linser
In ungestümen Zeiten der Transformation kann die Unternehmensmarke für Stabilität sorgen – nach innen und nach außen. Wie das erfolgreich von statten geht, erklärt Brand-Expertin Kristin Hanusch-Linser im Interview.
Eine starte Marke übersteht nicht nur stürmische Zeiten der Transformation, sondern profitiert auch davon, sagt Kristin Hanusch-Linser. Die ehemalige Kommunikationschefin und Leiterin des Open Innovation Lab der ÖBB berät Organisationen bei der markenzentrierten Transformation und Agilem Leadership. Im Zuge des Leadership-Lehrgangs „Pioneers of the 21st Century“ der WU Executive Academy wird sie im Herbst einen Workshop zum Thema „Transformation by Brand“ halten. Im Interview erzählt sie, wie Marken für Beständigkeit in Zeiten der Transformation und Verunsicherung sorgen können und was markenzentrierte Unternehmensführung leisten kann.
Frau Hanusch-Linser: Wenn wir über Marken reden, stellt sich die erste Frage: Worin sehen Sie die Aufgabe der Marke?
Ihre Aufgabe ist die Transferleistung zwischen Produkt und Markt. Unternehmen sind Organisationen und somit sinnorientierte soziale Systeme, die ihre Entwicklung und Zusammenhalt über Kommunikation regeln. Genau an dieser Schnittstelle hat die Marke ihren Auftritt: Sie vermittelt zwischen Außen und Innen, moderiert Markt, Organisation und ihre MitarbeiterInnen.
Was kann man tun, damit die Marke die Transformation beschleunigt oder umgekehrt die Veränderung die Marke auch positiv stärkt?
Dass wir in volatilen Zeiten, umgeben von Unsicherheiten leben, ist ja mittelweile spürbar für alle. Gerade jetzt gibt die Marke Halt und Orientierung im Ozean des Unbekannten, der Vielfalt, der Beschleunigung. Eine lebendige, gesunde Marke entschleunigt. Sie ist verdichteter Ausdruck des „wir“-Gefühls und erklärt das „warum“, sie beruhigt, gibt Orientierung und reduziert wahrgenommene Komplexität.
Ein interessanter Punkt: Die meisten Unternehmen wollen ja beschleunigen. Warum ist dann das Entschleunigen wichtig?
Beschleunigen können Unternehmen nur aus der eigenen Stabilität heraus, es braucht ein festes Fundament. In einem instabilen Fahrwasser zu navigieren ist eine schwierige Aufgabe. Menschen brauchen Sicherheit und Bindung, um zu funktionieren und nicht Daueralarmismus im ewigen Ausnahmezustand. Eine Orientierung gebende und beruhigende Marke unterstützt daher eine gesunde Transformationskultur, die die Menschen mitnimmt. Sie gibt Halt und Sicherheit, vorausgesetzt sie wird richtig eingesetzt. Auf ihre optische Designfunktion reduziert, wird sie ihre Deutungshoheit allerdings nicht ausschöpfen können.
Der Sinn und die Werte eines Unternehmens gewinnen in der Diskussion an Bedeutung. Ist die Marke Sinngeber in der Transformation?
Ja, sie wirkt sinnstiftend. Wenn sie haltgebend und ein Orientierungsanker für die MitarbeiterInnen ist, dann tut sie das auch nach außen. Unternehmen brauchen eine verdichtete Aussage darüber, was sie leisten, um ihre Leistungen und Produkte unterscheidbar zu machen. In Zeiten der Transformation muss auch die Sinnorientierung neu gestaltet werden. Der Katalog der Unternehmenswerte reicht da nicht aus. Marke leistet viel mehr, nämlich die tägliche „Why“-Übersetzungsarbeit.
Wenn das Unternehmen in einem Transformationsprozess ist, die Marke aber nur Deko ist, ist das also ein Problem?
Ein veritables Problem. Das passiert leider sehr oft, vor allem in den alten Modellen des Change- Managements. Ich bin kein Fan von Change-Projekten, die von A nach B planen und suggerieren: man weiß vorher, was man am Ende erreichen will. Transformation ist das viel bessere Bild. Kein Unternehmensführer kann heute klar sagen, was nach der Digitalisierung kommt, wer die Opfer sind, wer die Gewinner. Führung heißt heute sicher in unsicheren Gewässern zu navigieren – ohne zu wissen, was genau am Ende herauskommt. Dafür braucht es aber eine Idee, ein Zielbild und dabei kann die Marke helfen, ein Narrativ zu gestalten und die Kraft der Selbstorganisation zu aktivieren. Wir müssen uns darauf einstellen, dass Transformation zum Dauerzustand wird und gerade in Phasen extremer Belastung Marke als transformative, regulative Kraft zum Führungsinstrument wird.
Würden Sie Unternehmen raten, dass man den Sinn der Marke und des Unternehmens vorher anschaut, bevor man Transformationsprozesse startet?
Von der Einstellung, „erst wenn wir den Purpose haben, können wir mit dem Change starten“, halte ich offen gestanden wenig. Das dauert meistens ewig und ist teuer. Der schnellere Weg: Out-of-the-box-Perspektive um zu sehen, was inside-the-box ist. Also den Rahmen verrücken, hineinschauen und -hören, mit Empathie und Öffnung statt Abgrenzung und Verengung. Das inkludiert auch die Kundenperspektive. In der Geschichte des eigenen Unternehmens findet man immer wertvolle Anhaltspunkte, die in den Wert einer Marke einzahlen. Jedes Unternehmen hat eine Gründerstory, einen Entstehungsmythos. Am Ursprung waren immer Menschen mit einer Idee. Es reicht aber nicht, zu sagen, wer wir sind und wer wir sein wollen. Wir müssen auch halten können, was wir versprechen. Die wirklich großen Markenunternehmen sind ihren Markenversprechen stets treu geblieben, haben es aber auch geschafft, sich an veränderte Märkte anzupassen.
Was wäre ein gutes Beispiel für so eine erfolgreiche Marke?
Swarovski ist eine extrem starke, identitätsstiftende und inspirierende Marke. Eine großartige Gründerstory vom Pionier Daniel Swarovski, der Ende des 19. Jahrhunderts von Böhmen ins Tiroler Wattens kommt mit einer großen Vision: Einen Diamanten für alle zu kreieren. Dieses Gründererbe ist noch immer lebendig, schwingt nach wie vor im Marken-Why, in Qualität und Design mit. Diese Konsequenz in der markenzentrierten Unternehmensführung finde ich beeindruckend. Das merkt man an den MitarbeiterInnen vor Ort und am Erfolg. Swarovski drückt die Marke auch in der Wertigkeit ihrer Büroarchitektur aus. Man kommt an einen Ort, der von der Marke kuratiert ist: Der Gründervater als Büste im Entree, eine ruhige konzentrierte Stimmung am Betriebsgelände, eine Infrastruktur die Innovation und Kollaboration fördert, MitarbeiterInnen, die stolz auf ihre Marke sind. Da spürt man überall gelebten, sinnorientierten Zusammenhalt.
Wie konkret setze ich als CEO oder Führungskraft markenorientierte Führung um?
Transformation heißt immer auch die Gestaltung des Übergangs von alten zu neuen Mustern ohne dabei den sozialen Zusammenhalt, das “Wir-Gefühl“ zu verlieren. In Phasen des Übergangs bleibt aber das Wir-Gefühl oft auf der Strecke. Dann entstehen Fluchtorte und Subkulturen, die ihre eigenen Rituale pflegen, mitunter auch – meist unbewusst - gegen den Zusammenhalt arbeiten. Wer auf die Marke setzt, aktiviert die Kraft der Selbstorganisation. SoziologInnen sprechen auch von einem Gefühl der Kohärenz und der Stimmigkeit. Das erfordert auch ein Leadership-Modell, das die Marke kohärenzgestaltend, also verbindend einsetzt. Die wichtigste Leadership-Aufgabe ist meiner Meinung nach: Beruhigung. Ein unruhiger Geist, wird kaum Innovationen hervorbringen, angstvolle MitarbeiterInnen sind keine guten Copiloten, burnout-gefährdete Manager schon gar nicht. Zugegeben, in der Markenführung beständig und verlässlich zu bleiben, ist schwerer als Designerneuerungsaktionismen zu verfallen. Ein Marken-Relaunch bedeutet nicht nur viel Aufwand für die Organisation. Es muss sehr gut überlegt werden, wie MitarbeiterInnen und KundInnen, ihre gelernten Orientierungsmarker nicht verlieren.
Red Bull ist ja das klassische Parade-Beispiel. Was zählt, ist die Marke, nicht das Getränk.
Das Beispiel zeigt, Marke ist Wertschöpfung, gute Markenpolitik ist Profit. Hier geht es um eine holistische Markenwelt, die verdichtete Unternehmensleistung konsequent über die Marke erzählt.
Was ist die Rolle des CEOs in der Markenkommunikation?
Der CEO ist immer oberster Markenverantwortlicher, der „Chief-Storyteller“, er ist Teil des Narrativs, das das Zukunftsbild erzählt an dem sich das Unternehmen ausrichtet.
Sie sagen, auch als Führungskraft ist man eine individuelle Marke. Wie kann man als Führungskraft die eigene Persönlichkeitsmarke stärken?
Es ist wichtig, die eigene Marke in Kohärenz mit der Unternehmensmarke zu bringen. Ich arbeite hier gern mit einem Positionierungsdreieck. Man überlegt sich für die Frage „Wofür stehe ich? Was will ich verdichtet vermitteln?“ die drei wichtigsten persönlichen Werte. Für mich etwa sind das Klarheit, Respekt und Out-of-the-box-thinking. Wenn ich etwas sage oder tue, sind diese drei Werte immer bestimmend. Das ist auch sehr entlastend und stabilisierend. In unserer beschleunigten Welt, ist man doch öfters etwas „außer sich“, etwas abgegrenzt. Wir reagieren darauf mit vorschneller Anpassung und suchen das Gleiche statt das Andere. Der Bequemlichkeit des „confirmation bias“ zu entkommen, setzt voraus, dass man weiß, wer man ist. Also auch hier: Marke als verdichteter Ausdruck der eigenen Leistung.
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