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Silicon Savannah hautnah: Maryanne Akoth und Amollo Ambole im Interview
Was ist an Entrepreneurship afrikanischer Prägung besonders? Wie ticken Entrepreneure in Ostafrika? Wie wird Innovation gefördert? Zwei Expertinnen aus Kenia, Maryanne Akoth, Incubator Manager bei Tech Bridge Invest, und Amollo Ambole, Strategy Lead bei Living Lab an der University of Nairobi, waren vor kurzem an der WU Executive Academy zu Gast und haben uns exklusiv ein Interview gegeben.
Nicht nur hierzulande, auch in afrikanischen Metropolen wachsen sie aus den Böden: Innovations-Hubs, Coworking Spaces, Collaboration Labs. Orte für Innovation und Kreativität, für lösungsorientiertes Denken und unternehmerisches Tun. Innovation wird auf dem schwarzen Kontinent durch die zunehmende Digitalisierung per Turboantrieb vorangetrieben. Maryanne Akoth arbeitet bei Tech Bridge Invest als Incubator Managerin. Sie scoutet Startups und Talente für den Inkubator, arbeitet mit Universitäten und Studierenden-Netzwerken in Mombasa, aber auch in Nairobi zusammen. Amollo Ambole ist Strategy Lead bei Living Lab an der University of Nairobi, das ForscherInnen mit Menschen aus der Wirtschaft zusammenbringt, um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das Living Lab bietet gemeinsam mit ecotec Austria und identifire Learning Journeys für InvestorInnen und Unternehmen aus Österreich ins „Silicon Savannah“ an.
Frau Akoth, wen betreuen Sie bei Tech Bridge Invest?
Akoth: Meist sind es junge GründerInnen und Startups, die fantastische Produkte haben, aber noch nicht wissen, wie sie sie optimal verkaufen und den richtigen Märkten präsentieren können. Ein Fokus von uns sind zwar Studierende, aber zunehmend auch andere GründerInnen.
Welche MentorInnen holen Sie für die GründerInnen ins Boot?
Akoth: Das sind einerseits erfahrene UnternehmerInnen und GeschäftsführerInnen aus Kenia, aber auch aus anderen Ländern wie Norwegen. Unser CEO sitzt in Norwegen und hat viel Erfahrung mit Business-aufbau, Gründungen und Exits. Er versteht Business auf einem globalen Level.
In Europa haben Konzerne zunehmend Interesse daran, mit Startups zusammenzuarbeiten. Wie ist es in Kenia?
Akoth: Ich bin unter anderem für Fundraising zuständig. Wir haben häufig Anfragen von Corporates, die Startups unterstützen wollen, allerdings wollen sie nicht Geldgeber sein. Sie möchten die Startups längerfristig fördern, sind interessiert an Knowhow-Transfer. Ich arbeite derzeit an einem innovativen Ansatz für diese Kooperationen mit Corporates, das ist relativ neu in unserem Ecosystem in Kenia. Es geht darum, herauszufinden, wie beide einander für ihre Businesses unterstützen können. Ein Beispiel: Es gibt einen Gap zwischen den Fähigkeiten der Studien-AbsolventInnen und dem Bedarf am Arbeitsmarkt in Bezug auf Produktentwicklung. Oft haben die Konzerne spezielles Wissen, etwa zu Softwarelösungen, sie trainieren die jungen Leute darin und helfen ihnen so, ihr Business voranzubringen. Das ist eine nachhaltige Intervention. Hier geht es nicht darum, nur Geld auf das Problem zu werfen und zu hoffen, dass es sich löst. Wir sind übrigens auch auf der Suche nach europäischen Corporates aus Europa als Partner.
Frau Ambole, Sie bieten mit dem Living Lab Lernreisen für österreichische Firmen und Investoren ins „Silicon Savannah“ an. Was sind Ihre Erkenntnisse daraus?
Ambole: Wir sind für die Recherche von spannenden Startups und Innovationsprojekten hier in Nairobi zuständig. Dadurch konnten wir unser lokales Netzwerk sehr gut erweitern und ich habe viel Einblick in das örtliche Unternehmertum erhalten. Im Living Lab arbeiten nur zwei universitäre ForscherInnen, die restlichen sechs MitarbeiterInnen sind aus verschiedenen Industrien und aus dem Unternehmertum. Wir haben einen sehr praxisorientierten Ansatz. Ein Teil unseres Teams arbeitet auch an größeren energiebezogenen Projekten – zu Luftverschmutzung und dem Zugang zu Energie. Hierher kommen Menschen, die agil und flexibel an ihren oder gemeinsamen Projekten arbeiten. Wir haben für das Unternehmen Robert Bosch aus Deutschland auch Cocreation-Workshops veranstaltet.
Was denken Sie über die Digitalisierung in Afrika? Inwiefern hilft sie bei der Wirtschaftsentwicklung?
Ambole: Wir haben das schnellste mobile Internet in Nairobi, es ist sogar schneller als in New York mit der Glasfasertechnologie. Mithilfe der Digitalisierung können die Menschen Lücken schließen. Die KenianerInnen wissen sehr genau, was in der Welt passiert. Manchmal achten wir zu sehr darauf, was in der Welt passiert, und fokussieren uns zu wenig auf unsere Gesellschaft und unsere Traditionen.
Sehen Sie auch einen Gap zwischen der aufstrebenden digitalen Elite und den traditionelleren Menschen? Die Veränderung geschieht ja rasant.
Ambole: Ja, für viele Menschen geht es zu schnell. Viele in den Städten kommen eigentlich aus ländlichen Gegenden. Menschen, die wie ich in der Stadt geboren sind, haben ein sehr interkulturelles Denken. Diejenigen, die in den 1990ern in der Stadt geboren sind, sind Digital Natives. Wir haben auch in den urbanen Lagen starke westliche Einflüsse. Daraus ergibt sich eine neue Kultur, die von beiden Seiten beeinflusst ist.
Der Kontinent Afrika wurde aus europäischer Sicht bisher kaum auf Augenhöhe wahrgenommen, nun wird der Kontinent als Businesschance entdeckt. Wie kann man verhindern, dass bei europäisch-afrikanischen Geschäftsbeziehungen wieder eine Art imperialistisches Gefälle entsteht?
Ambole: Geld bewegt die Welt. Wenn du in Afrika investieren und Geld herausholen willst, brauchst du jemanden, der den kulturellen, gesellschaftlichen, unternehmerischen Kontext versteht. Du musst in die Leute investieren und mit den lokalen Menschen zusammenarbeiten und Lösungen gemeinsam kreieren. InvestorInnen müssen offen dafür sein, zu lernen.
Es ist sicher zu pauschalierend, Afrika mit Europa zu vergleichen. Frau Akoth, Sie haben in Stockholm studiert und gelebt. Inwiefern sehen Sie Unterschiede zwischen ostafrikanischen Ländern und zum Beispiel Skandinavien in Bezug auf Unternehmertum?
Akoth: Ja, Afrika ist divers. Ich war früher in der Telekommunikationsbranche tätig – da gab es riesige Investitionen von Ericsson, Nokia, Siemens, Huawei, Alcatel in Afrika. Ich habe im Zuge dessen rund 13 Länder bereist: Südafrika, Ghana, Kongo, Tansania, Ruanda, Mozambique, Sierra Leone. Ich sah die Veränderung durch Technologie.
Akoth: Und hier kommt Leap Frogging ins Spiel: es wurden Stufen übersprungen, die neuen Technologien haben das Unternehmertum auf ein neues Level gebracht. Wenn wir jetzt Kenia und Skandinavien ansehen: In Skandinavien hast du den traditionellen ExpertInnenweg: ein junger Mensch studiert, spezialisiert sich auf Themen. In Kenia hatten wir diesen Luxus nicht. Die Leute probieren Verschiedenes aus, haben einen interdisziplinären Ansatz. Wir setzen sicher stärker auf Zusammenarbeit – man muss auch nicht alles selbst machen. Das haben wir natürlich nicht erfunden. Wir suchen nach Wertschöpfung. In Kenia entstehen immer mehr Innovation Hubs, die Regierung unterstützt Innovationsinitiativen. Es gibt eine enorme Nachfrage unserer Services. Wir alle haben eine gemeinsame Vision: wenn jeder aufblüht, blühen alle auf.
Ambole: Die Menschen erwarten sehr persönliche Beziehungen, auch mit Investoren. Sie wollen sie kennenlernen. Persönliche Meetings sind sehr wichtig. Häufig kriegt der den Job, den man kennt, der zum eigenen Tribe gehört – der Cousin, Bruder, Onkel. Die persönlichen Beziehungen und Connections sind hierzulande sehr gewichtig. Wir denken in Kenia in Tribes, in Stämmen. Es geht aber auch darum, in der neuen Kultur eine neue Form von Tribes zu kreieren, die Probleme lösen – mit internationalen PartnerInnen, KollegInnen.
Welche Methoden für mehr Innovation nutzt ihr? Ähnliche wie hier in Europa?
Akoth: Ja, wir nutzen Lean Methoden, Business Model Canvas, human-centered Design Thinking, um aufzuzeigen, was der Markt will. Wir nutzen auch Big Data für Growth Hacking. Wir wenden im Prinzip dieselben Methoden an wie ihr in Europa, aber nicht jede Methode funktioniert für jedes Problem.
Ambole: Wir nutzen sehr stark Design Thinking für unsere Cocreation-Prozesse und Brainstorming-Workshops.
Wie sieht es mit dem Mindset nach Veränderung aus? In Österreich ist Veränderungsfreude nicht so stark in der Mentalität verankert. Auch der Umgang mit Veränderung in Unternehmen ruft nicht selten Widerstand hervor. Wie ist das in Mombasa?
Akoth: Ich glaube, viele wissen gar nicht, was sie verändern sollen – auch weil unsere sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Probleme sehr groß sind und es so viele gibt. Viele erkennen auch nicht, dass, wenn sie für sich selbst etwas verändern, auch eine Veränderung in der Gesellschaft bewirken können. Wir haben eine starke politische Klasse in Kenia, in der du immer verankert sein solltest. Es gibt andererseits Institutionen, die gestärkt werden sollten.
Ambole: Die globalen Probleme sind in Afrika sehr stark individuell spürbar. Der Klimawandel, die Erderwärmung sehen die Leute bei uns jeden Tag – sie haben kein Wasser, es gibt Dürreperioden. Der Klimawandel wird Afrika weit mehr treffen als den Rest der Welt. Die Menschen sehen es jetzt schon und müssen einfach handeln. Es ist daher auch viel rascher möglich, sie zum Handeln zu bewegen.
Akoth: Bei Tech Bridge haben wir ein sehr erfolgreiches, nachhaltig orientiertes Startup „Sunami“, das Solar-Lösungen für Haushalte in ländlichen Regionen anbietet – Solarpumpen, um den Bauern zu helfen und Lichtstrom zu erzeugen. So können die Bauern ihre Erträge verbessern, und das auch noch umweltfreundlich. Wir haben mehr Sonne als wir brauchen. Solche Beispiele ermutigen junge Leute auch, es selbst mit ihren Business-Ideen zu versuchen.
Helfen diese Probleme also, um das Unternehmertum auch voranzutreiben?
Ambole: Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen Unternehmen gründen, weil es einfach keine Jobs gibt. Die Leute müssen ihre eigenen Jobs kreieren. Unser Bildungssystem in Kenia hat die Jugendlichen auf Wissensarbeit vorbereitet – das ändert sich gerade. Es fördert unternehmerisches Denken und die Fähigkeit, Lösungen für soziale und gesellschaftliche Probleme zu finden. Entrepreneurship ist groß angekommen in unserem Denken. Wir müssen innovativer werden. Ich denke, das wollen auch europäische Unternehmen. Wir alle müssen uns verändern und voneinander lernen.
Was die beiden Expertinnen sonst noch über Entrepreneurship in Ost-Afrika zu sagen haben, lesen Sie hier.