Markus Platzer: Vom „U4“ ins Pflegewohnhaus

11. Oktober 2018

Einst leitete Markus Platzer den legendären Club „U4“, heute verantwortet er die Pflegewohnhäuser der "Casa Leben im Alter Gruppe". Der Absolvent des „Pioneers“-Lehrgangs der WU Executive Academy setzt auf flache Hierarchien und einen Kulturwandel hin zur Selbstverantwortung.

Markus Platzer bittet uns in sein Chefbüro. Smartes Lächeln, hochgekrempelte Hemdsärmel, kein Sakko. Chefallüren sind dem Geschäftsführer der Pflegewohnhäuser der „Casa Leben im Alter Gruppe“ der Caritas fremd. Sein Werdegang führte den 41-Jährigen zu spannenden Erkenntnissen in Sachen Leadership. Nach dem VWL-Studium an der WU Wien „das war cool, da sitzt du mit 15 Leuten im Hörsaal statt mit 150“ – begann er, im Finanzministerium in der Budgetsektion zu arbeiten. „Ich dachte damals: Als Volkswirt bin ich genau da, wo ich sein will.“ Falsch gedacht. Als Markus Platzer am dritten Arbeitstag vergaß, den Herrn Sektionschef ebenso anzusprechen, wurde er zum Rapport zitiert. Mit dem strikten, hierarchischen System konnte er nicht viel anfangen und wechselte in die Bankenbranche, wo er für die Bankenbetreuung und den Vertrieb der Mastercard und Maestro zuständig und viel unterwegs war. „Das war schon besser passend, aber auch noch nicht ganz.“

„Ausreißer“ im Lebenslauf

Schließlich kam der ominöse Anruf von Freunden, der Platzers Lebenslauf gehörig durcheinanderschütteln sollte. „Sie sagten: Markus, wir haben das U4 übernommen.“ Das U4, das war der legendäre Rock-Club in Wien-Meidling, in dem schon Stammgast Falco, Johnny Depp, Marilyn Manson und die Toten Hosen gastiert hatten. Die Untergrund-Disco hatte einige Monate zuvor ihre Tore geschlossen, die Freunde wollten sie nun wiederbeleben. Platzer half bei der Konzepterstellung, vier Tage später kam erneut ein Anruf der Freunde: Der Geschäftsführer war abgesprungen, ob nicht er den Job haben wolle. Markus Platzer holte wegen mangelnder Erfahrung in der Gastronomie einen befreundeten Catering-Unternehmer mit ins Boot und kündigte seinen Job in der Bank.

„Viele sagten zu mir, das kannst du doch nicht machen, ein Job im Bankenbereich ist sicher und gut bezahlt. Das war auch alles noch vor der Finanzkrise und somit für die Meisten unverständlich, dass ich die Branche wechsle“, sagt Markus Platzer. „Den Studierenden und Absolvent*innen von heute möchte ich mitgeben: Das, was die anderen sagen und das, was man wirklich tun sollte, ist nicht immer dasselbe. Ich denke: Wenn der Job nicht zu 85 Prozent passt, sollte man einen anderen machen.“ Die ersten Wochen als „U4“-Geschäftsführer waren hart, abends und nachts arbeitete er am Umbau des Clubs mit, um 8 Uhr morgens fuhr er in die Bank bis zum Ende der Kündigungsfrist. Danach hieß es, vier bis fünf Nächte den Laden schupfen und tagsüber Termine mit Lieferant*innen und Bürotätigkeiten übernehmen. Der Club florierte wie schon lange nicht, das Feiern zehrte aber irgendwann an der Substanz. Markus Platzer entschied sich, die Branche zu wechseln und landete im Sozialbereich.

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Die Bewerbung auf die Leitungsposition eines Pflegewohnheims der Caritas kam aus dem Bauch heraus, prompt wurde er zu einem Bewerbungsfrühstück eingeladen – und bekam nach einigen Runden den Job. Anfangs fiel es ihm schwer, mit den 120 Mitarbeitern – die meisten waren Frauen – richtig zu kommunizieren: „Ständig saß jemand weinend vor mir.“ Platzer merkte, dass er mit der direkten, mitunter etwas harschen Wortwahl aus der Eventbranche im Sozialbereich nicht weiterkam. „Ich habe begonnen, mich mit gewaltfreier Kommunikation zu beschäftigen, habe nebenbei eine Ausbildung zum Coach und Organisationsentwickler gemacht.“ Seine Herausforderung war, dennoch authentisch und klar in der Sprache zu bleiben. Er brachte wieder Lebensfreude ins Pflegewohnheim, organisierte Oktoberfeste, Tanzabende und Punschstände und befasste sich eingehend damit Arbeitsabläufe zu optimieren. Den Sinn sah er ähnlich wie als Geschäftsführer des U4 darin, den Menschen eine gute Zeit zu verschaffen: „So anders ist es gar nicht. Egal in welcher Lebensphase, die Menschen wollen immer dasselbe: dazugehören, lachen, wahrgenommen werden“.

Mehr Mitbestimmung

Inzwischen führt Markus Platzer seit 2011 die Pflegewohnhäuser der „Casa Leben im Alter Gruppe“ und ist für mehr als 500 Mitarbeiter*innen zuständig. Er hat mit den Mitarbeiter*innen die Expansion vorangetrieben und vor drei Jahren begonnen, neue partizipative Arbeitsprozesse einzuführen und Hierarchien weiter abzubauen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ich als Geschäftsführer am Schreibtisch die richtige Entscheidung für den/die Pflegeassistent*innen im Wohnheim treffe, ist sehr gering“, sagt er. Die Mitarbeiter*innen teilen sich selbst ihre Dienste ein, sie können, –  wie er selbst es auch tat – auf Sabbatical gehen. „Wir probieren viel aus und schauen drei Wochen später darauf, ob es funktioniert hat (Motto: Good enough to try!). Wir versuchen step by step, die Entscheidungen stärker zu den Mitarbeiter*innen zu verlagern.“ Nach drei Jahren beginnen die Veränderungen in Richtung Kulturwandel zu greifen, sagt Markus Platzer.

Je länger Markus Platzer im Berufsleben steht, desto mehr setzt er auf seine Intuition, denn: „Intuition ist manifestiertes Erfahrungswissen.“ Sie führte ihn auch dazu, den universitären Lehrgang „Pioneers of the 21st Century“ an der WU Executive Academy zu besuchen, eine sehr sinnvolle Ausbildung, die er sofort wieder machen würde, sagt er. „Hier geht es nicht um einen tollen Abschluss, sondern vor allem darum, sich mit den eigenen Führungsqualitäten auseinanderzusetzen und sich persönlich weiterzuentwickeln“, erzählt Markus Platzer.  Nicht nur von den Vortragenden, auch von den Mitstudierenden habe er sehr profitiert. Sein erworbenes Wissen und vor allem seine Erkenntnisse über Führung will er nun weiter in seinen Arbeitsalltag einfließen lassen. Angehenden Führungskräften rät Markus Platzer: „Mut ist ein wichtiges Thema. Ihr solltet euch wenig pfeifen.“

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