#MomToo: Das Ende der Nachteile für Mütter im Business

01. Dezember 2021

Wie Kaitlyn Changs Post mit #MomToo viral ging

Kaitlyn Chang hat als Vortragende mit ihrem Baby über ein LinkedIn-Posting fast sechs Millionen Menschen erreicht. Die MBA-Absolventin der WU Executive Academy erzählt im Interview, was hinter #MomToo steckt, warum Frauen keine Superwomen mehr sein wollen und warum die Leadership-Skills von Müttern endlich ernst genommen werden sollten.

#MomToo Kaitlyn Chang bei ihrem Vortrag
Mit diesem Bild von ihrem Vortrag hat Kaitlyn Chang Millionen Menschen mit einer wichtigen Botschaft erreicht. Foto © Niklas Schnaubelt

Eine Frau hält einen Vortrag – mit ihrem Baby im Arm. Mit dem Hashtag #MomToo hat Kaitlyn Chang mehr als 5,7 Millionen Views auf LinkedIn erreicht. „Dass mein Posting derart viral gehen würde, habe ich nicht erwartet“, sagt sie.
 

Im Talk „The Swan Lake Syndrome“, den sie auf dem Forward Festival mit ihrer Tochter im Tragegurt gehalten hat, sprach Kaitlyn darüber, wie sie früher als kinderlose Frau ein echter „Snob“ war: Damals hatte sie nicht verstanden, was arbeitende Mütter leisten.
 

#MomToo und der „motherhood penalty“

Mit dem Hashtag #MomToo, der das Posting zum Talk viral gehen ließ, wollte sie die „motherhood penalty“ zum Thema machen: „Im Business werden wir für das Muttersein benachteiligt. Ich wollte zeigen: ich bin professionell und ich bin eine #MomToo“, sagt Kaitlyn Chang. Damit hat sie vieles mit anderen Karrierefrauen gemein, die aus ihrer Sicht oft dazu gezwungen sind, ihr Muttersein zu verstecken, um nicht unprofessionell zu wirken. „Das passiert Männern mit ihrem Vatersein nicht“, sagt sie.
 

Adela Mehic-Dzanic, Vizepräsidentin des Female Leaders Network der WU Executive Academy und Gründerin des Netzwerks Making It in Austria, weiß, wovon Kaitlyn spricht: Auch sie hat eine fast einjährige Tochter, Esma, hat einen MBA an der WU Executive Academy gemacht und steht mit beiden Beinen im Berufsleben.

Adela Mehic Dzanic ist auch #MomToo
Adela Mehic-Dzanic steht ebenfalls erfolgreich und als Mutter mitten im Berufsleben. Hier am Bild mit ihrer Tochter Esma. Foto © Romana Maalouf Photography

Im folgenden Exklusiv-Interview spricht sie mit Kaitlyn über Karrierebilder und den mangelnden Wert des Mutterseins im Business.
 

Liebe Kaitlyn, als Du den Vortrag auf dem Forward Festival gehalten hast, welches Gefühl hattest Du dabei? Hast Du erwartet, dass etwas Besonderes passieren wird?
 

Kaitlyn Chang: Während des Vortrags habe ich viele positive Vibes aus dem Publikum gespürt, immer mehr Menschen kamen in den Raum. Aber ich hätte niemals erwartet, dass die Resonanz des Postings so groß sein würde. Der Talk hätte beinahe fast nicht stattgefunden. Im vergangenen Jahr war ich auch als Speaker auf dem Forward Festival, allerdings zu einem gänzlich anderen Thema. Dieses Jahr war ich schon in Babykarenz und wollte die Anfrage eigentlich absagen: einerseits wegen des Babys und zweitens, weil ich kein neues Projekt vorstellen konnte. Othmar Handl, der CEO des Festivals, überzeugte mich aber davon, dass ich ja über mein Baby – das größte Projekt überhaupt – sprechen könnte. Ich war auch lange im Bereich von Frauen- und Menschenrechten aktiv, auch meine MBA-Master Thesis befasste sich mit Gender Equality und Diversity in Tech-startups. Diese Themen sind mir persönlich, aber auch in meinem Job, sehr wichtig – ich berate Unternehmen und Marken häufig darüber, wie sie ihre externe und interne Kommunikation über „Zukunftsthemen“ wie New Work, Nachhaltigkeit und Diversity besser gestalten können. Daher war das Thema „working moms“ schnell klar – denn auch ich als Frau wusste vorher nicht, was mit einem Baby auf mich zukommen würde.

Kaitly Chang bei ihrem #MomToo Vortrag
Das Thema Working Mums stieß auf große Resonanz beim Publikum. Foto © Niklas Schnaubelt

Manche würden mit Blick auf dein Foto vom Vortrag sagen: das transportiert dieses Idealbild der supererfolgreichen Mutter, die es perfekt schafft, Kind und Karriere zu schaukeln.
 

Kaitlyn Chang: Das war wohl das größte Missverständnis, das mir vor allem von Frauen zurückgespielt wurde. Das ist definitiv nicht das, was ich damit aussagen wollte – im Gegenteil. Frauen, und vor allem arbeitende Mütter, müssen im Business wie Superwomen handeln und dann auch noch so tun, als hätten sie gar keine Kinder oder Familienverantwortung. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sie im Business unprofessionell wirken und kritisiert werden, wenn sie ihr Muttersein zeigen. Viele Frauen haben mir das nach dem Posting bestätigt und ihre eigenen Erfahrungen geteilt.
 

Frauen werden viele eher für ihr Frausein und Muttersein kritisiert, weil von der Gesellschaft immer noch erwartet wird, dass sie sich voll und ganz um ihre Kinder kümmern. Das heißt – das ist ein gesellschaftliches, strukturelles Thema und kein individuelles Problem, das Frauen selbst lösen sollten. Daher habe ich das Posting mit dem Hashtag #MomToo versehen, um eine gesellschaftliche Diskussion anzustoßen – eine Hommage an die #MeToo-Bewegung.
 

Benötigen wir auch ein #DadToo, um die Väter vor den Vorhang zu holen?
 

Kaitlyn Chang: Das ist definitiv auch wichtig. Allerdings geht es mir mit #MomToo wirklich darum, die „motherhood penalty“ endlich zum Thema zu machen. Ein Mann hat mir auf LinkedIn geschrieben – er musste einmal sein Baby zu einem Kundenmeeting in einer Anwaltsfirma mitnehmen und es während des Meetings füttern und wickeln. Er wurde dafür zelebriert. Er erkannte: wenn er eine Frau gewesen wäre, die Reaktionen wären vermutlich komplett anders gewesen. Wenn eine Frau ihr Kind in die Arbeit mitnimmt, wird sie dafür kritisiert und oft sofort als „unprofessionell“ angesehen.
 

Sind hier Führungskräfte auch in der Verantwortung, Themen wie Kinder und Muttersein am Arbeitsplatz zuzulassen?
 

Kaitlyn Chang: Absolut. Gender Equality ist erst dann erreicht, wenn Frauen vor einem Meeting auch über ihre Kinder sprechen können – so wie es selbstverständlich ist, dass männliche Vorgesetzte über das Fußballspiel des Vorabends sprechen. Warum wird das Thema Sport eigentlich nicht als unprofessionell gesehen? Hier ist etwas falsch und nicht wirklich fair – und hier liegt es an den Führungskräften zu erkennen, dass das ein echtes Problem darstellen kann.
 

Liz Morris, Deputy Director für Center for Worklife Law in den USA, hat in einem Interview mit der New York Times gesagt, dass Voreingenommenheit gegenüber Müttern eine der stärksten Biases gegen Frauen überhaupt ist. „Motherhood Penalty“ ist einer der Hauptgründe, warum es so wenige Frauen Senior- und Managementpositionen in Unternehmen gibt. Wenn wir uns dieses Problems nicht annehmen, wird es nie gelingen, die berühmt-berüchtigte „gläserne Decke“ zu beseitigen.

Kaitly Chang spricht in ihrem Vortrag über #MomToo
Warum gilt es als unprofessionel wenn Frauen über ihre Rolle als Mutter sprechen, Väter werden dafür aber oft zelebriert? Foto © Niklas Schnaubelt

Eine Familie zu managen, bringt ja auch diverse Skills mit sich. Sie werden leider im Business kaum anerkannt.
 

Kaitlyn Chang: Genau. Viele Mütter berichten mir, dass sie richtige „bad asses“ im Zeitmanagement geworden sind. Ich sehe aber Verbesserungen nicht nur, was das Thema Zeitmanagement anbelangt, sondern auch in Bezug auf die Leadership-Skills - nämlich gleichzeitig streng und empathisch sein zu können. Es geht beim Muttersein nicht nur darum, immer voller Liebe zu sein und eine sanfte Beziehung aufzubauen, sondern auch darum zu führen. Wir erwerben wesentliche, moderne Leadership-Skills wie etwa Empathie, die sich vom traditionellen männlich dominierten Führungsstil des Command and Control unterscheiden.
 

Forschung zeigt, dass es auch wichtig ist, diverse Führungsstile und Leaders in einer Organisation zu haben. Und gerade deswegen ist es wichtig, dass auch Mütter mit ihren Leadership-Skills in Führungspositionen befördert werden. Dann können sie zu einer gesünderen, diverseren und nachhaltigeren Organisation beitragen.
 

Was denkst Du darüber, neue Arbeitszeitmodelle einzuführen, um für beide Geschlechter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern?
 

Kaitlyn Chang: In der Post-Corona, „Hybrid Work“ Welt, gibt es in vielen Unternehmen bereits die Möglichkeit, von zuhause oder in Teilzeit zu arbeiten. Wesentlich ist aber, dass man dafür nicht bestraft wird – mit weniger verantwortungsvollen oder spannenden Aufgaben. In der Realität werden MitarbeiterInnen, die sich dafür entscheiden, oft zur Seite gedrängt oder als nicht motiviert genug angesehen. Daher zögern viele, flexible Arbeitsmodelle anzunehmen. Als ich zu Accenture kam, hat mich die Flexibilität sehr überrascht. MitarbeiterInnen können hier ihr Arbeitszeitmodell, zum Beispiel Vertragsänderung von Vollzeit zu Teilzeit, einfach per Klick ändern, man muss nicht einmal mit dem Vorgesetzten sprechen. Spannend ist: Es sind in etwa gleich viele Männer wie Frauen, die diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, und dadurch hat jede/r MitarbeiterIn das Gefühl, dass es kein Problem ist, flexible Arbeitsmodelle für sich in Anspruch zu nehmen, und dass die Firma den einzelnen MitarbeiterInnen sehr vertraut und sie schätzt.
 

Wie ist es für Dich in Karenz, arbeitest Du?
 

Kaitlyn Chang: Ich arbeite derzeit geringfügig, das hilft mir, mit dem Unternehmen in Kontakt zu bleiben. Ich bin dadurch auch ausgeglichener und glücklicher. Interessanterweise wissen die wenigsten, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt. Accenture hat mich proaktiv darüber informiert und mir angeboten, dass ich damit jederzeit anfangen und es auch beenden darf. Das ist eine wunderbare Chance für Frauen, die in Karenz sind, nicht komplett von der Bildfläche zu verschwinden - das macht es nämlich nach der Karenz für viele Frauen sehr schwierig zurückzukommen. 
 

Du hast so viele Menschen inspiriert und wachgerüttelt. Wie soll es nach #MomToo weitergehen?
 

Kaitlyn Chang: Ich habe einen Instagram-Account aufgesetzt, um die vielen Erfahrungen, Stories und Forschungsergebnisse zum Thema zu teilen. Mir haben Frauen aus Indien und Vietnam geschrieben und von ihren Erfahrungen berichtet. Ich hätte noch tausende Ideen mehr. Aber mit dem Baby muss ich mich auf eine Sache konzentrieren – auch das ist wichtig zu akzeptieren.
 

Mehr inspirierende Geschichten der AbsolventInnen der WU Executive Academy finden sie hier.

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