Virtuelles Business: Die 4 größten Gefahren im Web3

30. November 2022

Die Schattenseiten der smarten, digitalen, virtuellen Parallelwelt

Immer mehr Unternehmen entdecken das Web3 für sich. Doch mit Übergriffen, Markenrechtsverletzungen, Cyberattacken und teuren Fehl-Investments lauern auch immer mehr Gefahren in den virtuellen Welten. Welche die größten sind, analysieren Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, und Digitalexperte Martin Giesswein im folgenden Beitrag.

Eine offene Hand über der digitale Symbole schweben
Möglichkeiten und Gefahren des Web3 – Unternehmer*innen sollten sowohl das eine, als auch das andere kennen. Foto © shutterstock – Black Salmon

Meetings im Metaverse, das eigene Produkt als NFT, Dienstleistungen via Blockchain: Immer mehr Konzerne und Unternehmen auf der ganzen Welt entdecken das Web3 als neuen Businessraum und interessanten Absatzmarkt für ihre Produkte und Dienstleistungen.

Diese dezentrale Version des World Wide Web besteht aus vernetzten, intelligenten Datenbanken, die von maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz profitieren. Der Begriff Web3 ist dabei ein nicht eindeutig definierter Sammelbegriff für eine smarte digitale und virtuelle Parallelwelt. Eine wesentliche Rolle spielt die Blockchain-Technologie.

Web3 vs. Metaverse

Ein Teil des Web3 sind die sogenannten Metaverses: „In diesen Welten der Virtual Reality können die User*innen in 3D Räumen und Landschaften ihre Avatare durchnavigieren und Dienstleistungen, digitale Güter und Erlebnisse konsumieren. Wichtig ist, dass Unternehmen in Europa diese neue Entwicklung nicht verschlafen“, sagt Martin Giesswein. Am 11. und 13. April 2023 startet erstmals das „Web3 und Metaverse-Kurzseminar“ für Führungskräfte und Unternehmer*innen, das der Digitalexperte gemeinsam mit der WU Executive Academy entwickelt hat. Ein wesentlicher Teil davon sind Geschäftsmodelle und Geschäftschancen im Web3. „Mit diesem Kurs wollen wir die Führungskräfte und Entrepreneur*innen auf den neuesten Stand der Web3-Technologien bringen und ihnen eine kompakte Checkliste für das eigene Engagement im Web3 liefern – Wissen, das sie sofort in der Praxis anwenden können“, erläutert Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, den Hintergrund für das neue Seminar im Rahmen der „My Leadership Academy“.

Virtuelle Avatare im Metaverse im angeregten Gespräch
Die Metaverses sind Teil des Web3 – virtuelle Realitäten in denen User*innen mit ihren Avataren unterwegs sind. Foto © shutterstock – naratrip

Das Web3 birgt aber nicht nur eine Vielzahl von Möglichkeiten, sondern auch Gefahren, über die sich Unternehmen bewusst sein sollten – Martin Giesswein und Barbara Stöttinger haben dafür hilfreiche und zugleich praktikable Tipps parat:

1. Reputationsschaden durch Übergriffe

Im Metaverse des Konzerns Meta, der Horizon Worlds, kann man Menschen treffen, gemeinsam Konzerte besuchen oder Meetings abhalten. Inzwischen wurden bereits erste sexuelle und andere Übergriffe auf die Avatare der User, vor allem der Userinnen, dokumentiert. Wenn Sie als Unternehmen im Metaverse Kund*innen einladen oder dort Bewerber*innen rekrutieren möchten, könnte bei solchen oder anderen Übergriffen ein Schaden für Ihre Reputation entstehen – und unter Umständen sogar rechtliche Folgen haben.
 

Experten-Tipp: Unternehmen sollten daher - wie im echten Leben auch - darauf achten, dass bei virtuellen Events oder Konferenzen alles geregelt abläuft. „Dann sind eben bestimmte Mitarbeiter*innen mit ihren Avataren vor Ort dafür zuständig“, sagt Barbara Stöttinger. Dazu gehöre auch der letzte Punkt, nämlich, die Identität der Kund*innen und Gäste eines Events oder Meetings zu verifizieren, damit sich nicht Unruhestifter*innen einschleichen. Auch Meta hat Konsequenzen gezogen: „Horizon Worlds schreibt inzwischen den Mindestabstand der Avatare von 1,2 Metern vor“, so Giesswein, um virtuelle Berührungen zu vermeiden.

2. Reputationsschaden durch Markenrechtsverletzungen

Schaden an der Marke kann auch durch die Registrierung von Domains entstehen: Organisationen versuchen, die Namen und Marken von Firmen auf den Domains der Blockchain zu registrieren. Die Behörde ICANN kann bei Streit zu Domains schlichten.

Barbara Stöttinger Portrait

Barbara Stöttinger

  • Dekanin der WU Executive Academy

Im Web3 gibt es so eine Behörde nicht. Verstößt eine Organisation im Web3 mit ihrer Domain gegen meine Markenrechte, kann ich mich an keine Behörde wenden. Sogenannte Domain-Grabber, versuchen, die Marken von Firmen auf den Domains der Blockchain zu registrieren. Sie sind nicht belangbar, weil sie ihre Identitäten verschleiern.

Experten-Tipp: Was man tun kann: „Auf ENS.domains und unstoppabledomains.com kann man nachschauen, ob die eigene Marke schon von jemandem mit .eth oder .blockchain besetzt wurde. Ist das nicht der Fall, sollte man das sofort nachholen und seine Markendomain dort sichern. Wurde eine Domain schon mit dem eigenen Markennamen belegt, kann man via Chat mit der betroffenen Organisation oder Person Kontakt aufnehmen, um in Vertragsverhandlungen zu gehen“, rät der Experte. Man sollte den bestehenden Markenschutz prüfen, „etwa, ob neben den physischen auch die digitalen Versionen der Marke rechtlich geschützt sind“, gibt Martin Giesswein zu bedenken.

3. Cyberangriffe

„Wir benötigen auch im Web3 umfassenden System- und Datenschutz. Alle gegenwärtigen Bedrohungen bei Cyberkriminalität im heutigen World Wide Web wie Phishing, Cyberattacken, Hoaxes, Denial-of-Services sind auch im Web3 möglich – auch wenn Blockchain-Anmeldungen mehr Sicherheiten bieten. Cyberkriminelle kompromittieren auch Produkte im Web3 wie NFTs“, sagt Martin Giesswein. Ein Beispiel: der Twitter-Account des CEO von LimitBreak, einer Web3-Gamingfirma, wurde gehackt und verbreitete einen Scam-Link, der den Download eines gratis NFT versprach. Wer draufklickte und den Smart Contract Code eingab, um das NFT runterzuladen, wurde in Wahrheit von den Betrügern bestohlen: sie räumten die mit NFTS und Kryptowährungen gefüllten Wallets der User*innen leer. Das Problem: bei Phishingmails in Bezug auf Kontodaten kann die Bank belangt werden – im Web3 ist dafür niemand zuständig.
 

Experten-Tipp: Martin Giesswein empfiehlt daher auch für das Web3 den gedanklichen Grundsatz:

Portrait Martin Giesswein

Martin Giesswein

  • Digitalexperte

Es geht nicht darum, ob wir zukünftig gehackt werden – sondern darum, wann wir bereits gehackt wurden und es nicht gemerkt haben.

4. Fehl-Investments

Auch wenn es vielleicht verlockend klingt: die eigenen Dienstleistungen und Produkte mit groß angelegten Investments ins Metaverse zu verlagern, davon rät Barbara Stöttinger ab. „Wir wissen noch nicht, was im Metaverse funktionieren wird und was nicht“, ergänzt Martin Giesswein.
 

Experten-Tipp: Deshalb hat Giesswein gemeinsam mit seinen Unternehmenskund*innen ein Web3 Radar entwickelt: „Also die für das eigene Geschäft derzeit und zukünftig interessanten Felder im Web3 identifizieren und evaluieren. Für interessante Felder kann man Prototypen im Metaverse entwerfen und mit Testkund*innen entsprechend durchspielen. Mit der VR-Software Spatial etwa ist es möglich, das Metaverses kostenlos zu testen. Für den Fall, dass Angebote im Web3 von den Kund*innen zukünftig stärker nachgefragt werden, hat man dann schon die entsprechenden Kompetenzen in-house und kann das Angebot entsprechend rasch aufbauen und skalieren“. „Mit der 5-Punkte Evaluierungsmethode, basierend auf dem Web3 Radar, die wir im Übrigen auch in unserem Web3 und Metaverse-Seminar behandeln, kann dann jedes Unternehmen das Engagement im Web3 für sich selbst Schritt für Schritt planen“, so Stöttinger.   
 

Fazit:

Die Schattenseiten des Web3 werden sich im Laufe der Zeit noch weiter herauskristallisieren, je mehr Menschen es nutzen. Denn wie im echten Leben und wie im WWW gilt: Die Technologie ist weder gut noch schlecht – sie wird vom Menschen dazu gemacht.

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