10 Entrepreneurship-Mythen, die alle falsch sind

15. September 2017

Prof. Nikolaus Franke geht Entrepreneurship-Mythen auf den Grund

Die hohe Bedeutung von Entrepreneurship für Wohlstand, Innovation und Wachstum ist in Politik und Medien voll angekommen. Mit zunehmender Popularität haben sich aber auch in den Köpfen vieler Menschen zahlreiche Mythen und Fehlverständnisse festgesetzt.

Prof. Nikolaus Franke, Akademischer Direktor des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation der WU Executive Academy und Leiter des Instituts für Entrepreneurship & Innovation an der WU Wien, geht den 10 weitverbreitetsten Entrepreneurship-Mythen auf den Grund und erklärt, warum sie alle falsch sind.

Ein Team hält seine Fäuste zusammen
Entrepreneure sind keine einsamen SuperheldInnen. Entrepreneurship ist fast immer eine Teamleistung. Foto © CC0 License

Mythos 1: Ein Entrepreneur ist ein „Lone hero“

Falsch. In den Medien wird erfreulicherweise häufig über Entrepreneure wie Richard Branson, Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos berichtet – Menschen, die im Unterschied zu gewissen anderen Prominenten wirklich etwas für die Gesellschaft geleistet haben. Ihre Teams und MitarbeiterInnen werden dabei jedoch kaum erwähnt. Die Gefahr ist, dass man leicht den Eindruck gewinnt, dass Entrepreneure einsame SuperheldInnen sind, die sämtliche Entscheidungen und Leistungen im Alleingang vollziehen. Entrepreneurship ist jedoch fast immer eine Teamleistung. Für ein erfolgreiches Start-up sind viele Kompetenzen nötig. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Person gleichermaßen über technologische Kompetenz und betriebswirtschaftliches Know-how verfügt. Es ist daher sehr wichtig, von vornherein kooperativ und arbeitsteilig vorzugehen. Erfolgreiche Entrepreneure sind Teamplayer. Sie sind außerdem Führungskräfte, die ihre MitarbeiterInnen von ihrer Vision begeistern.

Mythos 2: Für Entrepreneure ist entscheidend, dass sie eine geniale Idee haben

Falsch. Entrepreneurship ist eine Reise. Oft steht am Anfang zwar eine Idee, doch beinahe immer wird diese im Zuge des Prozesses und im Austausch mit potenziellen KundInnen, PartnerInnen, LieferantInnen, FinanziererInnen verändert. Man kann so weit gehen, dass gerade die Fähigkeit zum Austausch und der Wille, aus diesen „Experimenten“ zu lernen, der entscheidende Erfolgsfaktor für Entrepreneure sind. Erfolgreiche Entrepreneure sind daher selten die genialen TüftlerInnen – es sind diejenigen, die wissen, wie und wo man Ideen findet, die eine Gelegenheit erkennen und sie weiterentwickeln sowie konkret umsetzen können.

Mythos 3: Entrepreneure sind Hipsters und Rockstars, Entrepreneurship ist ein Glamour-Lifestyle

Falsch. Entrepreneurship ist in erster Linie harte Arbeit. Eine Vision verwirklicht man nicht „nine to five“. Über die Arbeitszeit von Entrepreneuren würde der/die durchschnittliche ArbeitnehmerIn vermutlich staunen. Es gibt zwei Gründe, warum es dennoch zu dieser Fehleinschätzung des Lebensstils von Entrepreneuren kommt. Erstens ist ein extrem wichtiger Tätigkeitsbereich von Entrepreneuren der permanente Kontakt, Austausch und Vernetzung mit KundInnen, FinanziererInnen, potenziellen PartnerInnen und anderen AkteurInnen der Entrepreneurship-Szene. Laien verwechseln diese Aktivitäten leicht mit reinem Amüsement und Party-Besuchen. Und zweitens haben Entrepreneure tatsächlich eine höhere Lebenszufriedenheit und Motivation als andere Bevölkerungsgruppen. Sich durch Leistung zu verwirklichen, etwas Neues zu schaffen, unabhängig Entscheidungen zu fällen, das macht Menschen erwiesenermaßen glücklich. Um Camus abzuwandeln: Wir dürfen uns Entrepreneure bei allem Einsatz und allen Herausforderungen, mit denen sie kämpfen, als glückliche Menschen vorstellen.

Mythos 4: Entrepreneure sind vor allem an Geld interessiert

Falsch. Natürlich ist den meisten Entrepreneuren bewusst, dass wirklich große Vermögen eigentlich nur durch unternehmerische Leistungen entstehen und die wenigsten hätten etwas dagegen, reich zu werden. Doch empirische Studien zeigen immer wieder, dass die Hauptmotivation für erfolgreiche GründerInnen die Freude an der Verwirklichung eigener Ideen ist. Auch das enorme Wachstum des Bereiches Social Entrepreneurship zeigt, dass Entrepreneure diesem Klischee nicht entsprechen. Wettbewerbe wie der Social Impact Award oder die Aktivitäten von Ashoka  zeigen in beeindruckender Weise, wie mit unternehmerischer Energie gesellschaftliche Probleme wie Armut, Hunger oder Bildungsmängel gelöst werden können.

Mythos 5: Es ist für eine Volkswirtschaft entscheidend wichtig, eine möglichst hohe Gründerquote zu haben

Falsch. Die Quote allein sagt wenig aus. Entscheidend ist, dass es sich bei den Gründungen um potentiell wachstumsintensive Start-ups handelt. Eine einzige erfolgreiche Neugründung in einer Wachstumsbranche wie der Biotechnologie hat unter Umständen bedeutsamere wirtschaftspolitische Folgewirkungen in Hinblick auf Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum als dutzende neu gegründete Blumengeschäfte oder Kneipen. Auch diese sind natürlich für das Funktionieren von Markt und Wettbewerb wichtig. Ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung ist jedoch kleiner.

Mythos 6: Die Überlebensquote von Gründungen zeigt, wie gründungsfreundlich eine Volkswirtschaft ist

Falsch. Eine hohe Überlebensquote kann ganz andere Ursachen haben. Sie kann ganz genauso das Ergebnis eines hohen Anteils an risikoarmen Existenzgründungen sein. Die volkswirtschaftlich bedeutsamen wachstumsorientierten Start-ups haben als Kern eine Innovation – und Innovation bedeutet zwangsläufig Risiko. Die beste Planung und die größte Kompetenz schützen nicht vor Irrtümern und Fehlern. Ein Start-up ist eine Wette auf die Zukunft und die Entwicklung von Markt, Wettbewerb und Technologie kann man nie perfekt gestalten bzw. vorhersagen. Aber so unschön es für den einzelnen Entrepreneur ist, wenn sein Projekt keinen Erfolg hat: gesellschaftlich ist es sehr wichtig, dass diese risikoreichen Innovationen gestartet werden. Das Scheitern von Gründungen ist daher eine unvermeidliche Nebenwirkung einer innovationsorientierten Volkswirtschaft. Wichtig ist, dass Staat und Gesellschaft die negativen Folgen für die schuldlos gescheiterten GründerInnen abfedern.

Mythos 7: Entrepreneurship wird in Österreich genug gefördert, es mangelt höchstens an Transparenz

Falsch. In Österreich fehlt es vor allem an einer Breitenförderung. Unterstützungsleistungen wie Inspiration, Information, Vernetzung und konkrete Beratung vor der eigentlichen Unternehmensgründung sind noch lang nicht auf dem Niveau, wie es volkswirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich vernünftig wäre. Zwar muss man betonen, dass in den letzten Jahren in Österreich viele sinnvolle Fördermaßnahmen gesetzt wurden, doch beziehen sich diese vor allem auf spätere Gründungsphasen, wenn das Team bereits feststeht und Prototyp, Geschäftsmodell und Strategie bereits konkret erarbeitet wurden. Frühförderung und Initiativen wie das WU Gründungszentrum muss es im Grunde an jeder Bildungsinstitution geben.

Mythos 8: Der Staat sollte gezielt die wachstumsintensiven Start-ups fördern

Ja und nein. Einerseits ist korrekt, dass die entscheidenden Wachstums- und Wohlstandseffekte von technologiebasierten und wachstumsorientierten Start-ups kommen, deren Basis eine Innovation ist. Andererseits ist es praktisch unmöglich, solche „Unicorns“ wie Facebook, WhatsApp oder Zalando beim Start als solche zu erkennen. Staatliche Förderung sollte dies berücksichtigen und dafür sorgen, dass eine möglichst große Zahl von Start-ups entsteht, bei denen es eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für großes Wachstum und Erfolg gibt. Es ist wie im Sport: wer Spitzensport will, muss zunächst Breitensport fördern – und erst im zweiten Schritt Talente identifizieren und gezielt fördern.

Mythos 9: Entrepreneurship ist nur was für Unternehmensgründer

Falsch. Sowohl das sogenannte „Entrepreneurial Mindset“ als auch die konkreten unternehmerische Fähigkeiten sind heute unentbehrlich für praktisch jede Form der Karriere. Man kann sie als die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts sehen. Ohne Eigenschaften wie Risikobereitschaft, Leistungsorientierung, Kreativität, Flexibilität, Offenheit und Verantwortung wird man es schwer haben im Zeitalter der Digitalisierung, in dem Routineaufgaben Schritt für Schritt automatisiert werden. Will man Erfolg haben, dann sind dafür konkrete unternehmerische Qualifikationen und Kenntnisse wie Methoden zur frühzeitigen Identifikation und Bewertung von Geschäftsmöglichkeiten, sowie zur Entwicklung der Strategie, Organisation, Finanzierung und Vermarktung der Innovation entscheidend. Entrepreneurship gehört daher ins Pflichtprogramm von Schulen, Universitäten und sonstigen Ausbildungseinrichtungen.

Mythos 10: Entrepreneurship kann man nicht lehren. Zum Unternehmer ist man geboren oder nicht

Falsch. Erfolgreiche GründerInnen sind wie OlympiasiegerInnen: Zwar kann man ohne eine naturgegebene Begabung aus einer Person selbst mit dem besten Training der Welt keinen 100-Meter-Champion machen. Umgekehrt jedoch gibt es schon seit hundert Jahren keine OlympiasiegerInnen mehr, deren Begabung nicht durch jahrelanges gezieltes Training gefördert und verbessert wurde. So verhält es sich auch mit Entrepreneuren: Ohne bestimmte Voraussetzungen geht nichts. Werden diese Anlagen aber entdeckt, gefördert und trainiert sowie durch Wissen, Kontakte und Erfahrungen bereichert, dann steigt die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs stark an. Die unternehmerischen Erfolge der AbsolventInnen der Entrepreneurship-Programme der WU, von Bachelor über Master bis hin zum MBA zeigen dies eindrucksvoll.



Wie beschrieben ist Entrepreneurship fast immer eine Teamleistung. Internationale Teams bilden einen wichtigen Teil des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, klicken Sie hier.

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