Arzt und Manager mit 4.000 Mitarbeiter*innen

20. Oktober 2020

Der Wandler zwischen zwei Welten

Kannst Du uns bitte erzählen, wie sich Deine Karriere bis jetzt entwickelt hat? Welches waren die prägendsten Stationen in Deinem bisherigen Leben?

Beruflich bin ich ein Wandler zwischen zwei Welten. Auf der einen Seite steht da eine rein fachliche Welt. Bei mir heißt das, als Arzt Patient*innen zu behandeln. Auf der anderen Seite steht da eine Managementwelt, in der ich als Manager, Führungskraft und Leader agiere. Beide Seiten hatten ihre Zeitperioden.

Konkret bin ich nach 15 Jahren Tätigkeit als Frauenarzt und Psychotherapeut, 2005 zunächst für 10 Jahre ins Management gewechselt, mit schrittweise mehr Budget-und mehr Personalverantwortung, bis hin zu einer Position als Geschäftsführer bei einem frei gemeinnützigen Träger, zuletzt mit 250 Mio. Umsatzvolumen. Nach diesen 10 Jahren habe ich 2015 jedoch ganz bewusst einen Cut gemacht. Vielleicht auch weil ich mich sehr leer gefühlt habe. Meine Kreativität, Leidenschaft und meine Inspiration wollte ich nicht mehr einsetzen in einem System, an dessen Ziele ich nicht mehr glauben konnte und mit dessen Grundsätzen ich nicht mehr zu Recht gekommen bin.

In dieser Lebenskrise war es für mich eine tolle Alternative dann erneut drei Jahre rein ärztlich an der Universitätsfrauenklinik München bis Ende 2018 arbeiten zu können. Das hat mich sehr geerdet und wirklich geprägt. Ich war auf einmal wieder nah dran an den Bedürfnissen der Patient*innen und der Mitarbeiter*innen. Auf diese Zeit blicke ich sehr dankbar und auch demütig zurück. Einfach sagen zu können „ich mache etwas anderes, ich bin nicht abhängig“, ist ein sehr schönes Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit, auch wenn ich nicht mehr der „Oberchef“ mit vielen Privilegien war.

Seit zwei Jahren arbeite ich nun wieder als Führungskraft. Ich leite als Geschäftsführer die Klinikgruppe Paracelsus, ein Unternehmen mit 400 Mio. Umsatz und 4000 Mitarbeiter*innen an knapp 30 Standorten. Ohne meine Bodenhaftung aufgrund meiner eben beschriebenen Erfahrungen wäre ich deutlich weniger authentisch und könnte den erforderlichen Transformationsprozess sicher weniger fördern. Das Unabhängigkeitsgefühl ist aktuell ebenfalls noch da.

Hattest Du ursprünglich einen anderen Berufswunsch? Wenn ja, warum ist daraus nichts geworden?

Ich wollte Journalist werden. Aber zwei sehr angesehene Journalistenschulen hatten mich nicht angenommen. Über meinen Zivildienst habe ich dann zur Medizin gefunden. Der Wunsch Menschen im Leid bestmöglich mit Fürsorge medizinisch bei zu stehen, das ist seither meine Antriebsfeder.

Welches war Dein größter beruflicher/persönlicher Erfolg?

Da tu ich mich sehr schwer, denn meistens sind es doch ganze Teams, die hinter guten Leistungen bzw. Ergebnissen stehen und nicht ich als Einzelner.

Beruflich, bei meiner ersten Aufgabe als Manager ab 2005 an der Uniklinik in Hamburg ging es um die Veränderung der Fehlerkultur und um medizinisches Risikomanagement. Das war damals ein neues Feld in der Medizin und ich war völlig unbefleckt. Dennoch ist auch 15 Jahre später dort meine Arbeit von damals noch spürbar. Vieles davon wurde auch kopiert von anderen.

Ich sehe, dass sich unsere vier Kinder zu „freien Geistern“ entwickeln, die neugierig sind, sich verantwortlich fühlen, für sich aber auch fürs Umfeld, die Gesellschaft und die Umwelt, ihre Meinung mutig vertreten, aber auch reflektieren. Und ich bin immer noch glücklich in meiner Ehe nach 20 Jahren, natürlich mit vielen Höhen und Tiefen, die wir aber alle bis jetzt bewältigen konnten. Wir verspüren so eine angenehme Art von Reife und Glück. Ich finde, da kann ich von persönlichem Erfolg sprechen.

Was war Deine größte Herausforderung? Welcher war Dein größter beruflicher Fehler (aus dem Du gelernt hast)?

Sehr herausfordernd für mich ist der intensive Trustbuildingprozess während meiner aktuellen Tätigkeit bei Paracelsus. Bei meinem Eintritt vor 2 Jahren wurde ich konfrontiert mit einer Situation, die geprägt war von sehr viel Unsicherheit. Das Unternehmen befand sich in der Abschlussphase einer Insolvenz und wurde gerade von neuen Gesellschafter*innen übernommen, die auch noch neu in der Branche waren. Viele Mitarbeiter*innen hatten schon gekündigt oder hatten dies geplant, die politischen Rahmenbedingungen waren nicht rosig und zugegebenermaßen das Unternehmen selbst war über alle Dimensionen nicht sehr professionell aufgestellt.

Zunächst ging es darum, das Vertrauen des Gesellschafters, der Mitarbeiter*innen und auch aller anderen Stakeholder*innen zu gewinnen. Jetzt gilt es, dies nachhaltig zu halten. Vor allem bleibt es herausfordernd, ein zwar verständliches Bestreben zum Overacting von Seiten des Gesellschafters beherrschbar zu machen. Daneben geht es darum, aus dem reinen und zum Teil vorschnellen Ausagieren in ein geordnetes Vorankommen über zu gehen. Das heißt für mich: Achte auf Containment und „stay focused“. In dieser Intensität hatte ich so etwas vorher noch nicht erlebt.

Beim größten beruflichen Fehler würde ich eher von einer Fehlentscheidung hinsichtlich Jobwechsel sprechen. Vor dem Einstieg in ein neues Unternehmen würde ich mir jetzt immer sehr genau anschauen, ob ich hinter den Werten und dem Purpose stehen kann. Das hatte ich beim Wechsel von der Uniklinik hin zu dem oben genannten frei gemeinnützigen (katholischen) Träger zu wenig bedacht. Über die fünf Jahre dort haben mich die unterschiedlichen Sichten in Sachen Ethik und Moral immer mehr in den Spagat getrieben. Kurz und gut also: Geh nur dort hin wo du glaubst, es gibt eine sehr tiefe Passung der Wertebasis!

Welche waren die 3 wichtigsten Erfahrungen in Deinem Leben, die Dich dorthin gebracht haben, wo Du jetzt bist?

  • Bildung ist alles: lege dich nicht zu früh fest, sei neugierig!

  • Hab keine Angst vor neuen Aufgaben: Fang einfach an, scheitern gehört dazu und ist wichtig!

  • Geh auf die Menschen zu: Rede mit jedem ohne Berührungsängste. Du lernst von jedem. Und schau dabei, dass Du die Watte aus den Ohren in den Mund steckst, also frage und höre dann zu! Dabei geht es nicht um Dich!

Wenn Du an Dein größtes Talent in Deinem Unternehmen denkst, welche 3 Ratschläge würdest Du ihr/ihm mit auf den Weg geben, um ein erfolgreiches und erfülltes Leben zu führen?

Also ein bisschen würden meine Ratschläge mit den Antworten von gerade eben korrespondieren. Vielleicht zusätzlich, dass er/ sie auch versucht, sich gut abzugrenzen. Also welchen Schuh muss ich mir selber anziehen und welchen Ärger und welche Probleme sind auch gut und fair beim Gegenüber bzw. allgemein bei den anderen aufgehoben.

Darüber hinaus: Erfolg und Anerkennung sind kein probates Mittel, die persönlichen narzisstischen Anteile einzuhegen. Die Dosis wird immer größer, um kompensiert zu bleiben. Definiere dein „Sein“ und deinen Selbstwert also vor allem über andere Eigenschaften und versuche nicht immer, der Beste und der Erste zu sein.

Versuche nicht, gegen Deine Ängste, Unsicherheiten und Schwächen an zu arbeiten. Versuche sie zu integrieren, sie gehören zu Dir!

Mit welchen 5 Wörtern würde Dich Dein Team als Führungskraft am besten beschreiben?

Integer, fürsorglich, klar, antreibend, ohne Dünkel

Was hat sich nach Deinem MBA-Studium beruflich verändert? Wie war Dir die Ausbildung dabei behilflich, Deine Karriereziele zu erreichen? Welche konkreten Entwicklungsmöglichkeiten ergaben sich daraus?

Kurz vor dem MBA Abschluss wurde ich 2009 Leiter von zwei Business Units mit einer Budgetverantwortung von 60 Mio €. Eineinhalb Jahre später war ich Geschäftsführer einer Klinik mit 80 Mio € Umsatz.

Ich konnte und kann noch immer von wirklich allen Modulen des MBA inhaltlich sehr profitieren. Da ich ja kein betriebswirtschaftliches Vorwissen hatte, kamen mir die eher „technischen“ Anteile wie Accounting, Controlling oder Financial Management sehr zu Gute, aber genauso die Themen rund um das Marketing, Verhandlungssituationen oder Organisationsentwicklung.

Am meisten hat mich aber das Arbeiten im Team, auch mit Leuten aus den anderen Programmen in USA und China und die Mischung der Teilnehmer*innen, also unterschiedlichen Ländern bzw. Kulturen und unterschiedlichen Branchen weitergebracht. Ich bin sehr froh, dass ich nicht auf einen MBA in Healthcare abgestellt habe, sondern mich getraut habe, jenseits meines Tellerrandes zu blicken und ein internationales, multikulturelles Programm zu absolvieren – inklusive 3 Auslandsaufenthalte an 6 unterschiedlichen Orten.

Ohne das Studium wäre ich nicht da wo ich jetzt bin, beruflich und privat. Für mich hat sich das unglaublich gerechnet!

Wie ist es Dir gelungen, den MBA mit einem anspruchsvollen Job und Deinem Familienleben in Einklang zu bringen?

Meiner Frau hat das mindestens genau so viel abgefordert wie mir. Zu der Zeit hatten wir vier Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren und meine Frau war auch ganztags als Ärztin berufstätig. Schon ohne MBA Studium hatten wir eine Kinderfrau in Vollzeit und meine Schwiegermutter als  Backup. Wir alle wussten jedoch, auf was wir uns einließen und das Commitment meiner Partnerin war vorhanden. Lange und viel arbeiten, waren wir auch gewöhnt.

Persönlich war ich sehr diszipliniert dabei. Ich habe ca. 5 bis 6 mal pro Woche die Module vor -bzw. nach bereitet, in der Regel, nachdem die Kinder im Bett waren, so von 20:00 bis 23:00. Für mich waren, wie gesagt, sehr viele Themen ganz neu und ich konnte auf der einen Seite nicht auf Vorwissen aufbauen. Auf der anderen Seite konnte ich aber auf meine Methodenkompetenz in Sachen Wissensaneignung aufbauen. Durch mein Medizinstudium, durch meine Facharztausbildungen und durch meine wissenschaftlichen Tätigkeiten war ich sehr trainiert und erfahren, mich in neue Fragestellungen einzuarbeiten. Das hat es mir einfacher gemacht, mit dem dichten Programm und seiner Fülle an Inhalten und Aufgabenstellungen zurechtzukommen.

Für die Präsenztage war ich vom Arbeitgeber freigestellt. Ohne die Freistellung und die volle Unterstützung meiner Frau wäre ich in die Überforderung gelaufen.

Was bedeutet für Dich „wahrer Luxus“?

Zeit zu haben und nicht für andere erreichbar zu sein, um dann in Ruhe zu lesen und zu kochen

Das letzte Buch/der letzte Film, wofür Du Dich begeistern konntest?

Norman Doridge „Wie das Gehirn heilt“/ Francois Ozon „Eine neue Freundin“

Mit wem würdest Du gern einmal für einen Tag tauschen?

Giovanni di Lorenzo, er ist Chefredakteur der Zeit und Fernsehmoderator, beides würde ich gern ausprobieren und auf seinem Niveau beherrschen.

Wordrap

Darüber kann ich lachen:
Filmkomödien aus den 50er wie "Manche mögen's heiß", und zwar immer wieder.
Fehler, die ich am ehesten verzeihe:
Alle, sofern ich Selbstreflexion auf der anderen Seite spüre.
Mein lustigstes/spannendstes Reiseerlebnis war:
Spannend und sehr prägend war die Toscana mit 17 Jahren, ich wollte 4 Tage über Ostern bleiben und blieb 4 Monate.
Ohne diese App auf meinem Handy könnte ich nicht leben:
Das sind leider 3: SIXT, Booking.com, Lufthansa - ich organisiere mich selbst und bin sehr viel unterwegs.
In meinem Kühlschrank findet man immer:
Eine gute Flasche Sauvignon blanc.
Mein letztes Geld würde ich ausgeben für:
Gute Lebensmittel.
Vor 10 Jahren dachte ich:
Ich bin einer der besten.
Heute weiß ich:
Dass ich nicht immer der Beste sein muss.

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