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Vorteile und Umsetzung des Strategie-Ansatzes
Um besser zu verstehen, wie Menschen – sei es Kund*innen oder andere wichtige Stakeholder*innen – denken und handeln, greifen zahlreiche Branchen und Unternehmensbereiche erfolgreich auf Erkenntnisse der Psychologie zurück. Beispiele hierfür sind Ansätze wie Behavioral Finance, Change Management oder Behavioral Marketing. Auch in der strategischen Arbeit von Führungskräften können psychologische Einsichten wertvolle Unterstützung bieten – Stichwort: Behavioral Strategy. Strategieexperte Bernhard Scherzinger und Konrad Holleis, Head of Executive Education der WU Executive Academy, erklären, welche Vorteile Behavioral Strategy für Unternehmen bietet und wie die Umsetzung in der Praxis funktioniert.
Wenn es im Supermarkt mehr als 30 verschiedene Sorten von Marmelade zur Auswahl gibt, mag das auf den ersten Blick verlockend sein und für die Vielfalt des Markenangebots sprechen. Doch zeigen Forschungen, dass bei einer Reduktion auf eine deutlich geringere Auswahl von beispielsweise nur fünf oder sechs unterschiedlichen Sorten der Umsatz dieser Warengruppe gesteigert wird. Der Grund: Zu viele Optionen überfordern Kund*innen, während eine überschaubare Auswahl die Entscheidung erleichtert. Solche psychologischen Erkenntnisse werden in der Wirtschaft zwar schon länger genutzt, jedoch meist nur in Teilbereichen und selten in der strategischen Unternehmensentwicklung.
Das ändert sich nun grundlegend: Behavioral Strategy ist nach Ansicht von Bernhard Scherzinger ein unaufhaltsamer Trend. Scherzinger ist Geschäftsführer des auf Strategieberatung spezialisierten Wiener Beratungsunternehmens Management Results Consulting und langjähriger Vortragender der WU Executive Academy. „Bei Behavioral Strategy kombinieren wir Erkenntnisse aus Psychologie, Konsument*innenverhalten und Verhaltensökonomie, um Strategien zu entwickeln. Eine wunderbare Ergänzung zu klassischen Strategie-Methoden. Interessanterweise schöpfen Ökonom*innen schon seit geraumer Zeit aus den Erkenntnissen der Psychologie. Nun beginnen auch Führungskräfte und Manager*innen, dieses Vertrauen allmählich zu teilen“, erklärt Scherzinger. Es sei der Beginn einer „riesigen Welle“.
Was aber kann Behavioral Strategy wirklich? „Sie ist ein Schlüssel, um Menschen zu überzeugen und ihre Zustimmung zu gewinnen“, erklärt der Strategie-Experte. Zusätzlich zu den klassischen Fragestellungen der Strategieentwicklung, etwa nach Verbesserung der Marktposition, Kostenposition und Innovationsleistung, stellt Behavioral Strategy die Frage nach dem Verhalten von unterschiedlichen Stakeholder*innen.
Grundsätzlich verhilft Behavioral Strategy Organisationen zu mehr Kund*innenzufriedenheit und in weiterer Folge zu mehr Umsatz und Gewinn. „Im Kern geht es darum, Sympathie aufzubauen und aus Kund*innen echte Freund*innen zu machen. Die Psychologie liefert dazu wertvolle Erkenntnisse – etwa, dass das Betonen gemeinsamer Interessen oder das gezielte Aussprechen von Lob die Kommunikation verbessert. Wichtig ist jedoch: Es geht nicht darum, jemanden zu täuschen oder auszutricksen. Der Fokus muss stets auf dem Nutzen für die Kund*innen liegen“, sagt Konrad Holleis, der gemeinsam mit Bernhard Scherzinger seit vielen Jahren Weiterbildungsformate im Bereich Strategie für Führungskräfte und Unternehmen an der WU Executive Academy entwickelt.
Dr. Bernhard Scherzinger
Den Einsatzmöglichkeiten von Behavioral Strategy sind so gut wie keine Grenzen gesetzt: Egal, ob B2C, B2B oder bei den eigenen Mitarbeitenden, Behavioral Strategy ist überall dort wirksam, wo man mit Menschen zu tun hat.
„Internationale Studien belegen, dass einfache psychologische Erkenntnisse - also etwa das konsequente Begründen einer strategischen Maßnahme – die Zustimmungsrate von Mitarbeiter*innen von 60% auf über 90% erhöhen können. Im Umkehrschluss ist es daher auch möglich, Widerstand von Mitarbeitenden gegenüber einer neuen Strategie erheblich zu reduzieren, wenn man das eigene Team entsprechend informiert, in die Entscheidungen miteinbezieht und sie dann auch bei der Umsetzung unterstützt“, so Konrad Holleis.
Im Folgenden stellt Bernhard Scherzinger drei Beispiele vor, die zeigen, wie Unternehmen Behavioral Strategy erfolgreich einsetzen, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen und die Kund*innenzufriedenheit zu steigern!
Eine Konditorei bietet zunächst eine Haustorte in zwei Größen an. Sobald der Besitzer jedoch eine dritte, noch größere Torte hinzufügt, entscheiden sich die Kund*innen deutlich häufiger für die mittlere Größe, was gleichzeitig die Kund*innenzufriedenheit steigert. Menschen neigen nämlich zu Kompromissentscheidungen. Das heißt, sie wählen ein Produkt zwischen dem, was gebraucht wird (Minimum) und dem, was sie sich leisten können (Maximum). Die Behavioral Strategy empfiehlt zudem, auch die Option anzubieten, keines der Produkte zu wählen – zum Beispiel durch ein Schild in der Vitrine. Das bloße Hinzufügen einer weiteren Option – in diesem Fall die Wahl, nichts zu tun – steigert die Wahrscheinlichkeit, dass Kund*innen sich für eine der vorhandenen Optionen entscheiden. Gleichzeitig fühlen sich Kund*innen darin bestärkt, die richtige Wahl getroffen zu haben, da sie sich bewusst für etwas entschieden haben, anstatt keine Wahl zu treffen.
Wenn eine Servicekraft im Restaurant einfach wiederholt, was ihre Gäste bestellt haben, kann sie allein dadurch ihr Trinkgeld um bis zu 70 Prozent steigern. Diese Technik ist ein Beispiel für den Einsatz von Behavioral Strategy, bei dem das Prinzip der Bestätigung genutzt wird, um das Vertrauen der Gäste zu stärken und ihre Zufriedenheit zu erhöhen.
Wenn Stylist*innen in einem Friseursalon ihren Kund*innen versichern, »Ihnen steht jeder Hairstyle gut«, dann steigen die Trinkgelder um 37 Prozent. Wir Menschen sind von Schmeicheleien so begeistert, dass sie auch wirken, wenn klar ist, dass etwas hinter ihnen versteckt ist, oder sie nicht ganz ernst gemeint sind.
Für Konrad Holleis, Head of Executive Education an der WU Executive Academy, ist eines klar: „Psychologie wird künftig ein unverzichtbares Element in der Strategieentwicklung sein – als zusätzliches Instrument, das wertvolle Einblicke in das Verhalten von Menschen liefert.“ Besonders in Kombination mit anderen Methoden lassen sich konkrete, zukunftsfähige Strategien entwickeln und in der Praxis umsetzen. Für Bernhard Scherzinger ist dabei der praktische Einsatz entscheidend: „Mit kleinen Experimenten lässt sich mit geringem Aufwand testen, ob und wie etwas (besser) funktioniert.“
Ein weiteres Beispiel aus der Hotellerie: Tests haben gezeigt, dass die wiederholte Nutzung von Handtüchern stark von (mehr oder weniger gelungenen) Hinweistexten abhängt. Wenn Gäste darauf hingewiesen wurden, dass die Mehrheit der anderen Gäste ihre Handtücher mehrfach nutzt, stieg die Bereitschaft, diesem Beispiel zu folgen. Noch effektiver war es, wenn der Hinweis darauf abzielte, dass genau in diesem Zimmer die meisten Gäste die Handtücher wiederverwendeten.
Konrad Holleis
Der Mensch denkt eben nicht ausschließlich rational, sondern lässt sich oft (unbewusst) von seinen Gefühlen und Empfindungen leiten. Daher sollte man mal etwas ausprobieren und sich nicht nur von Zahlen und Fakten, etwa aus der Marktforschung, leiten lassen.
Solche Ansätze sollten mit der Durchführung von Experimenten, wie sie für Start-ups oder Universitäten selbstverständlich sind, ausprobiert werden. Auch das Wissen von Mitarbeitenden anzuzapfen, sei eine sehr gute Idee; diese hätten oft das richtige Gespür, was Kund*innen und Partner*innen erwarten bzw. wie sie reagieren.
Strategie-Experte Bernhard Scherzinger hat vier Tipps für die Praxis parat, wie Führungskräfte und Unternehmen Behavioral Strategy schrittweise umsetzen können:
Für eine erfolgreiche Umsetzung braucht es im ersten Schritt Wissen und Verständnis über die Vorteile und die Anwendungsmöglichkeiten von Behavioral Strategy. Dazu gibt es einschlägige Literatur, die sehr anwendungsorientiert geschrieben ist. Bernhard Scherzinger empfiehlt unter anderem das Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ des oben erwähnten Nobelpreisträgers Daniel Kahneman, Werke des israelisch-amerikanischen Psychologie-Professors Dan Ariely oder die Arbeiten des US-amerikanischen Psychologen Robert Cialdini, insbesondere sein bekanntestes Buch „Die Psychologie des Überzeugens“.
Am besten eignen sich jedoch gezielte Weitebildungsformate, um sich Grundlagenwissen zur Behavioral Strategy anzueignen. Diese ermöglichen nämlich auch den Austausch mit Gleichgesinnten: Bernard Scherzinger unterrichtet Behavioral Strategy etwa im Business Core des Vienna Executive MBA im Modul Competitive Analysis & Strategy, oder im Rahmen der beiden kompakten Weiterbildungsformate Senior Leadership oder Strategisches Management für Führungskräfte.
Erfahrene Berater*innen bieten Unternehmen wertvolle Unterstützung, indem sie Strategieworkshops moderieren und dafür sorgen, dass die richtigen Fragen gestellt und präzise beantwortet werden. Sie bringen Benchmarks sowie praxisnahe Beispiele aus anderen Unternehmen und Branchen ein, wodurch die Qualität der Strategieentwicklung deutlich gesteigert wird. Durch ihre Erfahrung helfen sie, frühzeitig zu erkennen, wenn man vom richtigen Kurs abkommt, und hinterfragen gezielt die Schwachstellen (Pain-Points) der Strategie, um die Erfolgsquote nachhaltig zu erhöhen.
Erfahrene Psycholog*innen sollten unbedingt Teil Ihres Strategieteams sein und an den Workshops zur Strategieentwicklung teilnehmen – gemeinsam mit dem (Spitzen-)Management und Expert*innen aus Vertrieb, Marketing oder Personalwesen. So können unterschiedliche Perspektiven zusammengebracht und die besten Optionen für das Unternehmen erarbeitet und priorisiert werden.
Jede Organisation sollte die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) auf ihr Geschäft bei der Strategieentwicklung unbedingt berücksichtigen. KI kann den Einsatz von Behavioral Strategy erheblich verbessern, indem sie große Mengen an Daten effizient analysiert und Muster erkennt, die für das menschliche Auge möglicherweise unsichtbar bleiben. Auf diese Weise lassen sich etwa das Verhalten und die Vorlieben von Kund*innen besser verstehen und Wettbewerbsaktivitäten präziser überwachen. Besonders Large Language Models (LLM) wie ChatGPT, die auf riesigen Textmengen trainiert werden, können wertvolle strategische Insights liefern – allerdings nur dann, wenn die zugrundeliegenden Daten von zufriedenstellender Qualität sind.
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