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von Prof. Barbara Stöttinger
Europäische Unternehmen sind nicht selten zögerlich, wenn es darum geht, in afrikanischen Länder zu investieren. Damit verzichten sie auf große Marktchancen - denn das Potenzial des zweitgrößten Kontinents der Welt ist enorm. Prof. Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy hat ihre aktuelle Forschungsreise ins „Silicon Savannah“ zum Anlass genommen, um die größten Business-Mythen über Afrika zu entkräften.
Afrika ist nicht gleich Afrika. Afrika ist arm, reich, landwirtschaftlich, innovativ. Afrika hat trockene Steppen, fruchtbares Land, es steht für Lethargie und findiges Unternehmertum, es steht für Unterdrückung und Empowerment. Für Slums, für Coworking Spaces und Businesszentren. Eine Learning Journey des Afrika-Experten Hans Stoisser führte Prof. Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, vor kurzem ins „Silicon Savannah“ das digitale Afrika, in das urbane Afrika, in die Slums und in die Entrepreneurial-Hubs von Nairobi, Kenia.
„Wir haben ein falsches Bild von diesem Kontinent. Und ein falsches Bild zu den Business-Chancen, die dort möglich sind“, sagt Stöttinger. Afrikanische UnternehmerInnen sind sehr offen und wollen gerne mit EuropäerInnen zusammenarbeiten. Misstrauen wegen der Kolonialgeschichte gibt es kaum. Für beide Seiten können Wirtschaftsbeziehungen auf Augenhöhe große Vorteile haben und das Wirtschaftswachstum des Kontinents befeuern.
Die Chinesen bauen ihren Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent bereits seit einigen Jahren massiv aus. Staatschef Xi hat den Subsahara-Staaten 50 Mrd. Dollar Hilfe zugesichert und investiert bereits in Megaprojekte vor Ort. Mit einem Handelsvolumen von 170 Mrd. Dollar hat China die USA und Frankreich in Afrika abgelöst. Österreichische Unternehmen zieht es vor allem nach Südafrika: Die Strabag baut gerade die höchste Brücke Afrikas. Auch Red Bull und KTM sind dort vertreten. In anderen Länder ist das Engagement nicht so umfassend. Auch Unternehmen aus anderen europäischen Ländern sind nicht selten zögerlich, was Investitionen in Afrika betrifft. Das liegt häufig an den falschen Annahmen und Klischees in den westlichen Köpfen. Doch das Marktpotenzial für europäische Unternehmen in Afrika ist enorm.
Diese Mythen über Business in Afrika möchte Prof. Barbara Stöttinger ausräumen:
Im internationalen Vergleich der Wirtschaftsleistung hinken die 49 Subsahara-Länder hinterher, allerdings: die 49 Subsahara-Länder haben seit 2001 ihre Wirtschaftsleistung verdreifacht. Mehr als eine Milliarde Menschen lebt südlich der Sahara – ein riesiger Markt für ausländische Firmen, die günstige Produkte anbieten können. Die Nachfrage nach westlichen oder exotischen Produkten steigt. Die Tolaram Group aus Singapur produziert mit der Tochterfirma Tolaram Africa Foods in Nigeria und Ghana sehr erfolgreich Nudelprodukte. Der US-Müslihersteller Kellogg’s hat 2015 ein Joint Venture mit TAF gegründet und hat im Mai 2018 Anteile des Unternehmens um 460 Millionen Dollar übernommen, um noch präsenter auf den afrikanischen Märkten zu sein. In der neuen gemeinsamen Fabrik bei Lagos sollen 10.000 Tonnen Cerealien pro Jahr hergestellt werden.
Noch immer ist der Großteil der Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent in der Landwirtschaft tätig. Mit der Digitalisierung etabliert sich vor allem in den urbanen Räumen so etwas wie eine „digitale Elite“ und damit eine zahlungskräftige Mittelschicht: GründerInnen und MitarbeiterInnen von Software- und Tech-Startups, die mit innovativen Ansätzen gänzlich neue Geschäftsfelder erschließen. Neben Slums entstehen Businesszentren, in denen nicht mehr nur ausländische Businessleute verkehren, sondern zunehmend afrikanische ManagerInnen und Startup-GründerInnen.
Der Ausbau des Internets verändert zunehmend das Konsumverhalten. Noch sind erst 16 Prozent der eine Milliarde großen Bevölkerung dieses Kontinents regelmäßig online, das wird sich mit zunehmendem Ausbau der Infrastruktur aber rasch ändern, wie der Report von McKinsey „Lions Go Digital“ zeigt. Bis 2025 werden die privaten Konsumausgaben in Afrika demnach um 13 Mal höher sein als heute und somit von 12 auf 154 Milliarden US-Dollar ansteigen, schätzt der McKinsey Report. Wird der Internetzugang in Afrika so gut verfügbar sein wie die Mobiltelefonie heute, so könnte das Internet bis zum Jahr 2025 bis zu 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Subsahara-Länder ausmachen – das wären 300 Milliarden Dollar.
Das ist in vielen Fällen falsch. Einerseits entstehen seit einigen Jahren in den Großstädten – etwa in Nigeria, Kenia und Südafrika – Innovations- und Startup Zentren. Hinzu kommt: „In einigen Bereichen haben afrikanische Länder nicht nur aufgeholt, sondern sogar Entwicklungsstufen übersprungen“, so Stöttinger. ExpertInnen nennen dieses Phänomen „Leap Frogging“. Hunderte Millionen AfrikanerInnen bekamen in den vergangenen zehn Jahren Zugang zu Mobiltelefonen - nicht nur in den Städten, sondern auch in ländlichen Gebieten. Dank des Unternehmens M-Pesa ist es in diversen Ländern wie Tansania, Kenia, der Demokratischen Republik Kongo oder Mosambik möglich, mit dem Mobiltelefon bargeldlos in Supermärkten, an Tankstellen und Shops zu bezahlen und Bargeld abzuheben. Inzwischen gibt es auch Mikro-Kredite über das Handy. Der Aufbau eines Bankenfilialnetzes wurde somit übersprungen.
Das US-Startup Zipline hat mit dem Gesundheitsministerium in Ruanda ein Projekt gestartet: Zipline liefert per Cargo-Drohnen Bluttransfusionen innerhalb von 30 Minuten vom Stützpunkt im Osten des Landes in die diversen Krankenhäuser Ruandas. Damit wird die fehlende Straßen- und Logistikinfrastruktur übersprungen. Mit kleinen Solarzellen können viele Haushalte selbst Strom erzeugen und müssen nicht auf die staatliche Infrastruktur warten. Auch setzt man bereits auf erneuerbare Energie: Die größte Windfarm des Kontinents steht in Kenia.
Albert Essien, Direktor der pan-afrikanischen Ecobank, nennt es den „BBC-Effekt“: Hungerkatastrophen, Epidemien, blutige Konflikte – Medien würden sehr einseitig über afrikanische Länder berichten. Die Klischees bleiben in den Köpfen verhaftet. Oftmals zögern europäische Unternehmen, Dependancen in Afrika zu eröffnen. Sie fürchten die instabile politische Lage, Unruhen oder Terroranschläge von radikalen Gruppen. Die gibt es auch, allerdings lohnt hier ein genauer Blick: In welcher Situation befindet sich das jeweilige Land derzeit? In welchen Regionen ist die Infrastruktur zu schlecht, wo herrschen tatsächlich Unruhen, wo ist die Lage stabil? Es ist empfehlenswert, mit lokal ansässigen PartnerInnen in Austausch zu kommen und sich mit der Sicherheitslage vor Ort vertraut zu machen. Handelskammern helfen dabei, die technologischen Möglichkeiten, kulturellen Gepflogenheiten und klimatische Verhältnisse einzuordnen. Es ist jedenfalls riskant, Businesschancen ungenutzt verstreichen zu lassen. „Internationales Business ist immer ein Risiko, aber derzeit gibt es in afrikanischen Ländern hohe Wachstumsraten und große Businesschancen“, sagt Barbara Stöttinger. Vor allem für Mittelständler sei das Marktpotenzial hoch: „Sie sind flexibel, pragmatisch und nah an KundInnen“, so Stöttinger.
Dieses Vorurteil ist oft zu hören: Diktatorische Regimes hätten die afrikanische Bevölkerung zu Unselbstständigkeit und Hörigkeit erzogen, unternehmerisches Denken sei nicht gefragt. Doch hier gibt es unzählige Gegenbeispiele. Das Aufkommen von Mikrokrediten hat das Unternehmertum von wirtschaftlich bislang benachteiligten Menschen sehr gefördert – sei es in der Landwirtschaft, in der Herstellung von Waren oder auch bei kleinen Innovationen. Ein Beispiel: In ländlichen Regionen können DorfbewohnerInnen mit einem Mikrokredit kleine Solarpanels kaufen. Die anderen DorfbewohnerInnen laden dort gegen eine kleine Gebühr ihre Handys auf und können mit dem aufgeladenen Handyakku abends eine Lampe betreiben.
Prof. Barbara Stöttinger
Ich habe einen Betreiber von Mikro-Methangasanlagen in Nairobi kennengelernt. Mit dem Mist von drei Kühen kann man einen Haushalt mit Gas zum Kochen versorgen und müsse nicht mehr Propangas teuer kaufen. Die DorfbewohnerInnen mieten die kleine Anlage bei dem Mann, abgerechnet wird pro Tag gegen eine Gebühr, wieder über das Mobiltelefon.
In Ländern mit 70 Prozent oder mehr Landwirtschaft und einer ausbaufähigen Wissensgesellschaft scheint es unmöglich, als Digitalunternehmen passende MitarbeiterInnen zu finden. Allerdings: In der jungen Digitalbranche etwa in Kenia herrscht Aufbruchstimmung: „Die ersten afrikanischen Internet-Millionäre investieren lokal in innovative Ideen“, sagt Stöttinger.
In Afrika werden die Talente entdeckt. Digitale Fachkräfte sind in afrikanischen Ländern genauso schwer zu finden wie andernorts. Die Talente müssen erst identifiziert und zu Fachkräften gemacht werden. Die Firma Andela – als bester Arbeitgeber Nigerias ausgezeichnet – bildet über ein dreijähriges Programm Software Developer aus. In Boot Camps werden kommunikative Talente mit Lösungskompetenz aus tausenden BewerberInnen identifiziert. Das Unternehmen sieht einen großen Vorteil darin, junge Menschen passgenau zu Software Developern zu entwickeln. Das Unternehmen hat auch ein afrikaweites Community-Netzwerk aus Technologie-ExpertInnen etabliert, das technische Lösungen für humanitäre und soziale Probleme finden will. Auch Facebook und Google zieht es zur Talentesuche nach Afrika. Facebook hat mit Afrinolly auch ein Weiterbildungsprogramm für kreative Entrepreneure in Nigeria gestartet, um ihr digitales Selbstmarketing in Social Media zu verbessern.
148 Milliarden Dollar, umgerechnet fast 120 Milliarden Euro, verliert Afrika laut Medienberichten pro Jahr über Korruption. Das entspreche 25 Prozent von Afrikas durchschnittlichem Bruttosozialprodukt – ein massives Hindernis für das Wirtschaftswachstum der afrikanischen Länder.
Dennoch muss Korruption nicht auf der Tagesordnung stehen. Als ausländisches Unternehmen könne man selbst per Vorbildfunktion dafür sorgen, dass Geschäftsprozesse transparent sind. Man kann mit internationalen WirtschaftsprüferInnen und Antikorruptionsstellen vor Ort zusammenarbeiten und die eigenen MitarbeiterInnen und GeschäftspartnerInnen vor Ort für ethisches Wirtschaften sensibilisieren.
Prof. Barbara Stöttinger
Hier könnten europäische Unternehmen eine Vorbildfunktion übernehmen. Hinzu kommt: Korruption wird immer weniger Thema in der jüngeren Bevölkerung. Mit dem Medienkonsum aufgrund der Digitalisierung gibt es auch eine wachsende kritische Öffentlichkeit.
Tatsache ist: In den vergangenen Jahrzehnten hat viel Geld über Entwicklungshilfeprojekte in die Region gebracht. Nicht immer mit Erfolg. Auch wenn die Tendenz in Projekten der nunmehrigen Entwicklungszusammenarbeit dazu übergeht, Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten: Nutznießer der Entwicklungszusammenarbeit seien nach wie vor hauptsächlich korrupte Regimes, schreibt der ehemalige deutsche Botschafter in diversen afrikanischen Ländern, Volker Seitz, in seinem Buch „Afrika wird armregiert“. Auch afrikanische Ökonomen wie James Shikwati oder Dambisa Moyo fordern, Gelder zur Entwicklungshilfe aus dem Westen ersatzlos zu streichen. Sinnvoller ist es, Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und Afrika zu etablieren, die Bevölkerung als KonsumentInnen zu entdecken, Investitionen in den Ländern zu tätigen und das Wirtschaftswachstum auf dem afrikanischen Kontinent so anzukurbeln.
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