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Warum Gehaltsumfragen oftmals irreführend sind
Blind, eine US-Karriereplattform, befragte vor kurzem 3.000 Arbeitnehmer*innen in 45 Unternehmen, darunter Apple, Amazon, Microsoft, Google, Facebook, Goldman Sachs und JP Morgan, ob sie lieber USD 30.000 mehr verdienen möchten oder weiter von zuhause arbeiten (WHF = work from home, Homeoffice) wollten. Und 64% antworteten, sie blieben lieber im Homeoffice. Nur die Mitarbeiter*innen des Finanzinstituts JPMorgan und des Technologiekonzerns Qualcomm hätten sich prozentuell eher für die Gehaltserhöhung entschieden.
Daraufhin hat LinkedIn News Europe eine ähnliche Umfrage lanciert, an der 20.284 Personen teilnahmen. Auf die Frage, ob sie lieber 25.000 EUR Gehaltserhöhung bekommen möchten oder die Möglichkeit erhalten, dauerhaft von zuhause arbeiten zu können, entschieden sich 63% für mehr Gehalt, 30% für Homeoffice und 7% sagten, die Entscheidung sei zu hart.
Was sagen uns die Ergebnisse – sind die LinkedIn User*innen geldgieriger oder schlichtweg nur sozialere Wesen als die Angestellten besagter Top US-Firmen und wollen lieber wieder zurück zu ihren Kolleg*innen? WEDER NOCH – das einzig Sinnvolle, was man aus diesen Umfragen herauslesen kann, ist, wie irreführend Umfragen sind.
Laut glassdoor.com liegen die US-Gehälter für Software-Ingenieur*innen bei Amazon, Microsoft, Apple, Google bei 105.000 USD bis 125.000 USD und landen inklusive Bonus und Aktienpaket bei 152.000 USD bis 180.000 USD. Und bei JPMorgan liegt das durchschnittliche US-Gehalt bei USD 89.000 Basis und USD 9.000 Bonus. Und das sind auch für USA stattliche Zahlen, denn das Median-Gehalt 2020 lag in den Staaten laut dem staatlichen Statistikamt BLS (Bureau of Labor Statistics) bei USD 51.168. Hätte man bei Blind also nicht die Mitarbeiter*innen besagter Top Unternehmen befragt, sondern einen Querschnitt der amerikanischen Angestellten, wären die Umfrage-Ergebnisse sicher anders verlaufen.
Das mittlere Bruttojahreseinkommen aller unselbständig Erwerbstätigen in Österreich lag 2020 laut offiziellem Bericht des Rechnungshofes bei EUR 29.458. Und nicht vergessen, Österreich ist eines der reichsten Länder in der EU. LinkedIn hat laut www.apollotechnical.com in 2021 756 Millionen User*innen weltweit, davon 73% außerhalb der USA und insgesamt 198 Millionen in Europa (davon 16 Millionen in DACH). Wenn also 20.000 Personen auf LinkedIn ihr Ergebnis abgegeben haben, werden wohl ähnlich wie in den USA, wo 51% der LinkedIn Mitglieder einen College-Abschluss haben, die wenigsten am unteren Ende der Gehaltsskala rangieren.
Nichtsdestotrotz entscheidet sich jemand mit durchschnittlich EUR 30.000 (Austria) oder USD 51.000 (USA gesamt) ganz anders für oder gegen eine Gehaltserhöhung, die das Einkommen um fast 100% bzw. um 60% erhöhen würde, als jemand, bei dem die Gehaltserhöhung nur 20-30% (Apple und co.) ausmacht.
Ob ich meine Tätigkeit von zuhause erledige oder nicht, verändert nicht die Verantwortung und den Einfluss, den ich im Job ausübe – und hat folglich auch keine Relevanz für meinen Marktwert.
Martina Ernst
Eine Frage nach mehr Gehalt oder Homeoffice ist unzulässig, denn sie vermittelt das Gefühl, man würde von zuhause eine minderwertige Arbeitsleistung abliefern.
Corona hat gezeigt, dass dauerhaftes Homeoffice Investitionen des einzelnen in einen geeigneten Arbeitsplatz nötig machen, was mittlerweile in Österreich in Form von Steuererleichterungen honoriert wird. Man kann auch davon ausgehen, dass viele Unternehmen über kurz oder lang Bürofläche reduzieren können, wenn ein Großteil der Mitarbeiter*innen von der Möglichkeit des Homeoffice Gebrauch macht.
Vor Corona rangierte die Möglichkeit, seine Tätigkeit tageweise von zuhause erledigen zu können, ganz oben auf der Liste der gewünschten Benefits. Mittlerweile ist das Homeoffice normaler Bestandteil der Pandemie-bedingten Arbeitsrealität. Um weiter als nicht-monetärer Vorteil empfunden zu werden, müssen Firmen nicht nur die Themen Performance, Leadership und Vertrauen, sondern auch Bürokonzepte grundlegend neu andenken. Cawa Younosi, Konzern-Personalchef bei SAP Deutschland mit rund 25.000 Beschäftigten, macht es vor: „Bei den meisten SAP-Mitarbeiter*innen spielt es keine Rolle, von wo aus sie arbeiten. Wenn es die Tätigkeit nicht zwingend verlangt, an einem bestimmten Ort präsent zu sein, haben die Mitarbeiter*innen bei der Wahl ihres Standorts alle Freiheiten“. Und der Büromöbelausstatter Bene präsentiert in diesem Zusammenhang mitten in Frankfurts Innenstadt eine Testfläche, wo das Büro als ‚Herz des Unternehmens‘, fungieren soll: „Wie in einem Hafen kommen hier Menschen, Ideen, Konzepte und Projekte zusammen. Es gibt Raum für spontane soziale Interaktion, die das Saatgut für viele kreative Ansätze, Innovationen und Beziehungen ist.“
Und eines ist klar, all diese Bemühungen, um die geeignetsten Mitarbeiter*innen zu halten, wären nichtig, wenn die Gehälter nicht ohnehin marktkonform bezahlt würden.
Wenn Sie mehr über Martina Ernst erfahren wollen, klicken Sie hier, mehr Tipps für die Gehaltsverhandlungen unserer Karriere-Expertin lesen Sie in unserer "Salary Insights - Let's Talk About Money"-Serie und hier.