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Was macht aus aufrechten Manager*innen korrupte Betrüger*innen?
Der Leadership-Experte und WU-Professor Günter Stahl und Prof. Stephan Doering, Vorstand der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie am AKH Wien, haben auf der MBA Alumni Lounge der WU Executive Academy Licht auf die dunkle Seite der Macht gebracht.
Rund 1,2 Millionen US-Dollar gab John Thain, der frühere CEO von Merryll Lynch für die Renovierung seines Büros aus – mitten in der Wirtschaftskrise. Richard Fuld, damals CEO der Krisenbank Lehman Brothers verkündete, öffentlich: „Ich werde Lehman zu neuen Höchstleistungen führen, sobald diese Krise vorüber ist.“ Drei Tage später war die Bank pleite. Beide Fälle zeigen verantwortungsloses Verhalten von Manager*innen – und schädigenden Narzissmus. „Narcissism and the dark side of leadership“, so lautete das Thema der MBA Alumni Lounge, zu der die WU Executive Academy ihre MBA-Absolvent*innen gemeinsam mit dem Management-Consulting-Unternehmen Brenner & Company lud. In einem Vortrag kam Günter Stahl, Professor für Internationales Management und Vortragende Global Executive MBA Programm, gemeinsam mit Prof. Stephan Doering, Leiter der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien, dem Narzissmus in den Führungsetagen auf die Spur.
Eine gewisse Dosis an Narzissmus sei gesund und für Führungskräfte unabdingbar, sagte Günter Stahl, der mit seinem Forschungsteam in einer groß angelegten Studie CEOs auf Narzissmus und Psychopathentum hin untersucht hat: „Wir erwarten von unseren Führungskräften, dass sie selbstbewusst, überzeugend und durchsetzungsfähig sind.“ Allerdings könne sich ein Zuviel an Narzissmus negativ auf das Umfeld auswirken.
Schillernde Erfolgsbeispiele wie jenes von Steve Jobs würden die Erwartungshaltung an Leader einseitig beeinflussen: „Wir alle wollen charismatische Leader“, so Stahl, „doch die Kehrseite der Medaille ist: sie sind oft narzisstisch veranlagt.“ Die Kombination von Charisma und Narzissmus sei toxisch, „solche Manager*innen manipulieren andere und schaden ihnen, um ihre Ziele zu erreichen.“ Andererseits seien viele großartige Manager*innen ziemlich gewöhnliche Leute.
Unterscheiden müsse man laut Stephan Doering allerdings zwischen selbstverliebtem, aber gesundem Narzissmus, der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die viele antisoziale und schädigende Verhaltensweisen nach sich ziehe, und der schlimmsten Form, der psychopathologischen Persönlichkeitsstörung. Ein Mensch mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung empfindet sich als grandios, hat Fantasien von grenzenlosem Erfolg und einen Mangel an Empathie, reagiert mit depressiven Schüben auf Kritik, ist neidisch auf andere, braucht exzessive Bewunderung und manipuliert gern andere zum eigenen Vorteil. Erhält er zu wenig Anerkennung, wird sein Selbstwert massiv erschüttert. Eine antisoziale Persönlichkeit hat Spaß am notorischen Lügen und Betrügen, ist aggressiv und impulsiv. Der Psychopath weist eine Extremform davon auf und einen malignen – also bösartigen – Narzissmus. Er treibt ein rücksichtloses, verantwortungsloses und oft auch illegales Spiel, um sich Vorteile zu verschaffen.
Die Ursachen für beides lägen in der frühen Kindheit, ein ablehnendes, gefühlskaltes Elternhaus und bei physischem und psychischem Missbrauch. Frauen seien übrigens weit weniger von narzisstischen oder psychopathologischen Persönlichkeitsstörungen betroffen als Männer. Forscher vermuten einen Zusammenhang mit dem Testosteronspiegel, aber erlernte Verhaltensmuster dürften eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen.
Im aktuellen Forschungsprojekt “Responsibility & Leadership“ von Günter Stahl an der WU Wien wurde eine in der Forschung etablierte Theorie, dass es sich bei korrupten Manager*innen meist um Psychopath*innen handelt, nicht bestätigt. Unter anderem wurden Unternehmensskandale der vergangenen Jahre analysiert und sechs ausgewählte Top-Manager*innen, die wegen Korruption und Betrug verurteilt worden waren, auf Basis biografischer Materialien untersucht. Keiner der sechs verurteilten Manager*innen erfüllte die Kriterien eines/einer PsychopathIn, allerdings fand das Forscherteam heraus: „Alle von ihnen waren hochgradig narzisstisch veranlagt.“
Stahl identifizierte nicht nur narzisstische Top-Manager*innen als Treiber von Korruptionsskandalen, sondern auch ein entsprechendes Unternehmensklima und eine Unternehmenskultur, die narzisstisches Verhalten ermögliche und sogar fördere. „Oft fehlen in Unternehmen ethische Werte oder sie werden zwar propagiert, aber nicht gelebt“, so Stahl. Der VW-Konzern etwa hatte sich die Werte „soziale Verantwortung“, „Nachhaltigkeit“ und „Partnerschaft“ auf die Fahnen geheftet, die so gar nicht zum darauffolgenden Diesel-Betrugsskandal passten. „Wenn Top-Manager*innen nicht praktizieren, was sie predigen, erzeugt das zynische Mitarbeiter*innen und ein vergiftetes Klima“, so Stahl. Die Folge: Konflikte sind vorprogrammiert, die Produktivität sinkt, die besten Leute kündigen.
Der Leadership-Experte Prof. Günter Stahl unterrichtet im Global Executive MBA Programm. Klicken Sie hier um mehr Infos über die MBA-Module zu bekommen.