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Prof. Bodo B. Schlegelmilch über das negative Image des Materialismus
Materialismus hat sein negatives Image nicht verdient, findet Prof. Bodo B. Schlegelmilch, Gründungsdekan der WU Executive Academy und Vorstand des Instituts für Internationales Marketing Management der WU.
In einem aktuellen Forschungsprojekt in Asien, das er vor kurzem gemeinsam mit KollegInnen der University of Manchester und der Lancaster University durchgeführt hat, zeigte sich, dass kollektivistische Werte für MaterialistInnen durchaus Bedeutung haben können.
Immer nur auf sich selbst, auf das liebe Geld und auf teure Sachen schauen – das zeichnet nach landläufiger Meinung MaterialistInnen aus. Materialistisch zu sein, gilt als negative Eigenschaft, denn solche Menschen würden materielle Güter über Werte wie Gemeinwohl oder Rücksichtnahme stellen. Doch entspricht dieses Image der MaterialistInnen und des Materialismus wirklich den Tatsachen? Bodo B. Schlegelmilch, plädiert für eine Neueinschätzung – beruhend auf Erkenntnissen einer Studie im asiatischen Raum, die er gemeinsam mit Sandra Awanis, Lancaster University, und Charles Chi Cui, University of Manchester, durchgeführt hat.
„Materialismus wird speziell in den USA und Westeuropa mit Menschen in Zusammenhang gebracht, die selbstbezogen und egozentrisch sind, sich nur für Güter und nicht für andere Menschen interessieren“, sagt Schlegelmilch. Doch diese Sichtweise ist oberflächlich, wie die Studie gezeigt habe. So werde in asiatischen Ländern wie China der Erwerb von Waren dazu benutzt, seiner Familie und dem Freundeskreis einen bestimmten Status zu verleihen – das gilt im Besonderen für Luxusgüter. Man denkt keineswegs nur an sich selbst, sondern an eine Gruppe – zum Beispiel eben die Familie. Hier treffen also eine kollektivistische Kultur und ein Materialismus aufeinander, der sich unter anderem in der Zurschaustellung teurer Markenwaren zeigt. Wie passt das zusammen?
Die Antwort: Während im Westen Materialismus und Gemeinschaftswerte als Kontraste gesehen werden, gilt Materialismus im Osten als Teil einer Gemeinschaftskultur. „Die Materialisten tun etwas für ihre Umgebung, sie kümmern sich um ihr Umfeld“, erläutert Schlegelmilch.
Überhaupt stellt sich die Frage, ob die simple Zuweisung von Eigenschaften wie gut oder böse beim Materialismus sinnvoll ist. Schlegelmilch glaubt, dass eine differenzierte Sicht nötig sei. „Nicht jeder, der materialistische Tendenzen hat, ist per se schlecht.“ Die Studie hat auch gezeigt, dass MaterialistInnen generell eher auf der Suche nach Bedeutung statt nach Status sind. Sie nutzen also beispielsweise umweltfreundliche Produkte wie Elektroautos, um in der Öffentlichkeit Altruismus unter Beweis zu stellen und um auf sich sowie auf andere – etwa die eigene Familie – ein gutes Licht zu werfen.
Wie kann eine zunehmend materialistische Gesellschaft nun aber dazu gebracht werden, das große Gemeinsame zu betonen statt beispielsweise der reinen Verschwendung zu verfallen? Es kommt auf den Gemeinschaftswert an, haben die WissenschaftlerInnen herausgefunden: Asiatische Gemeinschaften fokussieren auf Werte rund um zwischenmenschliche Beziehungen, etwa Familienpflichten. Westliche Gesellschaften indes tendieren eher dazu, abstrakte und spirituelle Werte wie Gleichheit oder Gerechtigkeit zu betonen.
Prof. Bodo B. Schlegelmilch
Was bedeutet dies nun für die Praxis? Es könnte beispielsweise über die Werbung versucht werden, die materialistischen Tendenzen einer Gesellschaft dahingehend zu mobilisieren, dass soziale Programme wie aktuell etwa die Flüchtlingshilfe unterstützt werden – über den Konsum wird somit eine soziale Identität geschaffen. Was wiederum allen zu Gute kommt.