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Vier gute Gründe für eine offene Konfliktkultur: Astrid Kleinhanns-Rollé und Helga Pattart-Drexler von der WU Executive Academy können richtig gut miteinander streiten. Sie haben nämlich einen Weg gefunden, offen und wertschätzend miteinander zu streiten. Denn: Streiten funktioniert – wenn man es richtigmacht.
Die offene Kommunikationskultur steht ganz oben auf der Wunschliste in modernen Unternehmen. Allerdings ist es nicht immer einfach, althergebrachte Gewohnheiten aufzubrechen. Noch immer sind Flurfunk und Mauscheleien in vielen Unternehmen an der Tagesordnung, noch immer wird in Meetings nicht Klartext geredet, aus Angst davor, anzuecken oder Konflikte zu provozieren. Offene Auseinandersetzungen, bei denen es auch mal lauter werden kann? Sie gab und gibt es vielleicht mancherorts unter despotischen Machtmenschen. In der Alltagskommunikation in Unternehmen sind sie aber häufig tabu.
10 bis 15 Prozent der Arbeitszeit werden laut einer Studie von KPMG für Konflikte und Streit aufgewendet. Laut der Experts Group Wirtschaftsmediation der WKO sollen die Konfliktkosten in Österreich pro MitarbeiterIn und Jahr geschätzt rund 650 Euro betragen. Außerdem fressen sie endlos viel Zeit, hemmen die Produktivität und verschlechtern den Zusammenhalt innerhalb des Teams. „Das Problem sind dabei nicht die Konflikte an sich, sondern, dass diese nicht aktiv angesprochen und aufgearbeitet werden“, sagt Helga Pattart-Drexler, Head of Executive Education der WU Executive Academy. „In vielen Meetings wird lang und breit um den heißen Brei geredet. Viele haben Angst vor Konflikten und nehmen sie, wenn sie dann doch aufbrechen, persönlich.“ Ein fataler Fehler: „Diese Harmoniesucht verbraucht so viel Energie, die man besser für die Arbeit verwenden könnte.“Schwelende Konflikte als Produktivitäts-Killer
Mit ihrer Vorgesetzten, Geschäftsführerin Astrid Kleinhanns-Rollé, praktiziert Helga Pattart-Drexler eine offene Streitkultur. „Wir sind beide impulsiv und recht direkt. Da wird es schon mal laut und emotional und es geht richtig zur Sache“, lacht sie. Doch beide haben einen Weg gefunden, offen und wertschätzend miteinander zu streiten.
Gemeinsam haben sie vier richtig gute Gründe identifiziert, warum und wann es durchaus Sinn macht, zu streiten, bis die „Fetzen fliegen“:
1. Durch den Urknall entsteht Neues
Als es die ersten Male zwischen den beiden gekracht hat, waren sie noch verunsichert. „Wir haben dann darüber gesprochen, wie froh wir sind, dass wir zueinander direkt sein können. Inzwischen nützen wir unsere Meinungsverschiedenheiten bewusst, denn erst dadurch treten neue Blickwinkel zutage“, sagt Helga Pattart-Drexler. Auch Astrid Kleinhanns-Rollé ist von der offenen Streitkultur überzeugt: „Erst in einem offenen Raum, wo jeder seine Meinung vertreten darf, werden neue Ideen überhaupt möglich.“
Voraussetzung für konstruktives Streiten ist die Haltung, Gesagtes nicht persönlich zu nehmen und für die Sache und das Ergebnis einzustehen.
2. Emotionen werden frei – und man selbst befreit
Die meisten würden unter „Streit“ verletzende, herabwürdigende Kommunikation verstehen: „Das machen wir nicht. Wir bleiben immer auf Augenhöhe und respektvoll, zeigen aber unsere Emotionen“, erzählt Helga Pattart-Drexler. Geht es mal etwas heiß her, sind unsere KollegInnen rasch irritiert. Sie versuchen uns dann zu beruhigen.“ Dabei werde durch den offenen Konflikt auch viel aufgestaute negative Energie frei – „es ist eine Befreiung, wenn das Unausgesprochene ausgesprochen wird“, sagt Helga Pattart-Drexler. Allerdings darf die eigene emotionale Befreiung nicht zum Selbstzweck werden – polternde Führungskräfte und hysterische MitarbeiterInnen sind selten innovativ. „Es muss um die Sache gehen, das Ziel ist am Ende immer eine Form von Konsens – und sei es, dass man diesmal einfach keinen gemeinsamen Nenner gefunden hat“, rät Astrid Kleinhanns-Rollé.
3. Man kann sich zeigen, wie man wirklich ist
In einem Umfeld, das auf Professionalität setzt, ist es häufig tabu, etwa den Grund für den eigenen Ärger anzusprechen, geschweige denn den Ärger selbst auszudrücken. Hier sind Führungskräfte gefordert, eine offene Haltung anzunehmen und den MitarbeiterInnen einen geschützten Raum für mehr Offenheit zu bieten: „Einmal hat Astrid mich aufgefordert: Du hast doch was, lass es einfach raus. Das hat mir geholfen, meinen Ärger loszuwerden“, erzählt Helga Pattart-Drexler. „Offenheit ist aber nur möglich, wenn man als Führungskraft eine vertrauensvolle Atmosphäre schafft“, sagt Astrid Kleinhanns-Rollé. Neue Offenheit in einem vergifteten Umfeld der Angst einzufordern, ohne als Führungskraft dasselbe vorzuleben, sei von vorn herein zum Scheitern verurteilt. „Sich als Mensch mit all seinen Emotionen am Arbeitsplatz zeigen zu dürfen, sich nicht verstellen zu müssen, ist ein enormer Mehrwert und viel wichtiger, als immer die Contenance zu bewahren“, erklärt Helga Pattart-Drexler die Sicht aus der MitarbeiterInnenperspektive.
4. Das Vertrauen zueinander wird vertieft
Abwertendes Streiten kann eine Beziehung vergiften. Aber konstruktives Streiten im Sinne einer offenen und ehrlichen Auseinandersetzung kann sie vertiefen. Die Voraussetzung: Man öffnet sich und macht sich verletzlich. Dazu braucht es aber häufig die Erkenntnis: „Irgendwann haben wir beide verstanden, dass wir es im Streit nicht böse miteinander meinen. Wir können einander sagen: Das nervt gerade, dass du mich nicht verstehst. Und dennoch ist die andere nicht beleidigt“, sagt Helga Pattart-Drexler. Wichtig ist es dabei zu lernen, zwischen Person und Sache zu trennen. „Ein Prinzip, das übrigens auch mit Kindern wirklich gut funktioniert. Nur weil jemand anderer Meinung ist, will er mich noch lange nicht provozieren. Worauffetzen es aber ankommt ist, Worte zu wählen, die dein Gegenüber auch annehmen kann“, so Helga Pattart-Drexler. Diese Sichtweise und gemeinsam später über einen Streit lachen zu können, vertiefe die Beziehung – und das Vertrauen ineinander. „Ich kann mich auf Astrid zu hundert Prozent verlassen und sie sich auf mich“, sagt Helga Pattart-Drexler. Und das, gerade weil manchmal die Fetzen fliegen.
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