Warum wir echte Transformation und nicht Change brauchen

10. Oktober 2019

Tranformation: Im Tsunami der Disruption

Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung. Dieses vielbemühte Zitat des griechischen Philosophen Heraklit hat auch nach zweieinhalbtausend Jahren nichts an Gültigkeit eingebüßt. Ganz im Gegenteil. Alles klar soweit, könnte man meinen. Ein kleines, aber alles entscheidendes Detail zum Thema Veränderung vergessen wir in der von Digitalisierung dominierten Diskussion bisweilen: Das Wesen der Veränderung hat eine völlig neue Dimension bekommen. Mit dramatischen Auswirkungen auf unser (Wirtschafts-)Leben. Warum Change der 80er, 90er und 2000er-Jahre nur mehr sehr wenig mit der Transformation von heute zu tun hat, erklären Kathrin Köster, Professorin für Internationales Management an der Hochschule Heilbronn, Transformationsexpertin und langjährige Vortragende an der WU Executive Academy, und Konrad Holleis, Head of Executive Education.

Transformation einer Raupe zu einem Schmetterling
Change der 80er, 90er und 2000er hat nur wenig mit Transformation von heute zu tun.

„Der Tsunami der Disruption kommt in riesigen Wellen auf fast alle Branchen zu“, sagt Kathrin Köster, Transformationsexpertin, Beraterin und international gefragte Vortragende. Wen die rasante Veränderung voll getroffen hat, der ist gezwungen, sein Geschäftsmodell völlig neu zu überdenken. „Denken Sie heute nur an den Bankensektor, die Erdölindustrie oder die Automobilbranche“, sagt Köster.

Dennoch scheitern sieben von zehn Changeprojekten, heißt es immer wieder in Studien. „Warum ist das so? Das Problem ist nicht der Change an sich“, so Köster, „sondern das Wesen und das Ausmaß der Veränderung. Change-Prozesse greifen hier einfach zu kurz.“ Gemeinsam mit Konrad Holleis, Head of Executive Education der WU Executive Academy, berät und entwirft sie maßgeschneiderte Führungskräfte-Programme und Lehrgänge für Unternehmen, die an echter Transformation arbeiten.

Die Geschichte von der Raupe und dem Schmetterling

„Unternehmen sind auf Wachstum ausgerichtet, sie möchten immer mehr, wie die Raupe Nimmersatt. Dann beschließt die Raupe schneller zu werden, sie zieht sich rote Rennstiefelchen an, baut drei Turbomotoren ein und mutiert zur Rennraupe.

Bild einer Raupe die sich verändert, aber wo keine Transformation stattfindet
Die Raupe wird zur Rennraupe - aber nach der Veränderung ist sie immer noch eine Raupe. Foto © 2019 Köster + Partner

Doch so schnell die Raupe auch ist, sie benötigt freie, gerade Straßen. Doch auf den Straßen sind jede Menge Felsbrocken und kurvige Engstellen.“ So ergehe es Unternehmen, die ihren Fokus auf mehr Effizienz richten und immer das tun, was sie in der Vergangenheit schon getan haben – nur eben mit adaptierten Strategien oder besseren Methoden.

„Genau das ist eine besonders fatale Form von falsch verstandener Agilität: sie beschleunigen Arbeitsprozesse, produzieren effizienter und schneller. Aber das alleine reicht heutzutage einfach nicht mehr. Die Raupe ist immer noch eine Raupe.“, sagt Kathrin Köster. Erst wenn sie zum Schmetterling wird, kann sie sich erheben, Hindernisse überfliegen und ihr wahres Potenzial ausschöpfen. Dazu muss sie sich allerdings zuerst zurückziehen, innehalten und sich in einen Kokon einpuppen.

Transformation der Raupe zum Schmetterling
Hier findet wahre Transformation statt: die Raupe wird zum Schmetterling. Foto © 2019 Köster + Partner

„Viele Unternehmen sind auf Aktionismus ausgerichtet“, ergänzt Konrad Holleis. „Sie tun etwas, weil sie das Gefühl haben, etwas tun zu müssen. Dabei wäre erstmal angesagt, auf die Bremse zu treten und sich Zeit zu nehmen für eine Neuorientierung. Leider wird das häufig mit Stillstand verwechselt.“

Doch der vermeintliche Stillstand liefert genau jene Kraft, um eine echte Transformation, eine Wandlung von innen anzustoßen. „Man muss sich Zeit für Reflexion freischaufeln und mit zeitraubendem Micro-Management aufhören“, rät Holleis. Echte Agilität entstehe dann, „wenn alle mitgestalten können, man näher an die KundInnen rückt und Mut zur Entscheidung und zur Verantwortung im Unternehmen lebt.“

Warum Transformation der bessere Change ist

Während Change eindimensional immer dieselbe Schiene fährt, verlaufe Transformation multidimensional, sagt Kathrin Köster. “Transformation kann allerdings Change-Prozesse beinhalten, die für mehr Effizienz in bestehenden Abläufen sorgen“, sagt sie. Doch sie seien in einen größeren Wandel des Mindsets eingebettet: „Transformation ist immer eine Veränderung der Haltung, des Mindsets und der gesamten Unternehmenskultur“, so Köster. Mit einer klaren Neuausrichtung, und klarem „Purpose“, also dem Unternehmenssinn, der idealerweise als Antriebskraft für die Transformation dient. „Gewinnmaximierung als Ziel reicht für ,purpose-driven companies‘ nicht mehr“, sagt sie. Sie wollen mit ihrem Tun die Gesellschaft verbessern.

Auf die Transformation zu warten, sei jedenfalls nicht sinnvoll. „Jeder und jede im Unternehmen kann selbst aktiv etwas zur Transformation beitragen“, sagt Konrad Holleis. Er empfiehlt Führungskräften, persönliche „transformation journals“ anzulegen, in denen sie beschreiben, was sie täglich zur Transformation beigetragen haben. „Alle müssen sich beteiligen, damit Transformation gelingt“, sagt er. Als Erstes ansetzen könne man etwa bei den Meetings.

Konrad Holleis

Konrad Holleis

  • Head of Executive Education

Viele Führungskräfte messen ihre eigene Bedeutung an der Anzahl der Meetings, die sie absolvieren. Falsch, stattdessen sollten Sie um mehr Freiraum kämpfen. Mit mehr Freiraum sieht man im Transformationsnebel, der uns umgibt, deutlicher und stellt vieles in Frage.

Mutig den ersten Schritt machen

Häufig komme in Sachen Transformation das Argument, man könne ja nicht anders, da die Shareholder*innen einem im Nacken säßen. „Das ist eine Ausrede“, so Köster. Viele Shareholder*innen würden notwendige Veränderungen verstehen und wären möglicherweise offener, als man meint. Besonders wichtig sei es daher, den Mut, den es in Zeiten der Transformation brauche, vorzuleben, meint Konrad Holleis: „In einem Seminar hatten wir für Top-Manager*innen die Aufgabe, ein einminütiges Video zu erstellen. Sie haben sich geweigert, weil sie angeblich keine Zeit hätten und wollten die Aufgabe an ihre Assistent*innen delegieren. Wie soll man den Mut für echte Transformation aufbringen, wenn man die eigene Komfortzone bei deratigen Mini-Challenges schon nicht verlassen will?“

Verlassen der Comfort Zone begünstigt Transformation
Um Transformation zu ermöglichen müssen Top-ManagerInnen auch mal aus der Komfortzone raus.

Emotion brings motion

Kathrin Köster hat hierzu das CORAFA-Modell für Führungskräfte entwickelt: Courage, Openness, Resilience, Appreciation, Focus, Action-Orientation. (Mut, Offenheit, Widerstandsfähigkeit (oder innere Stabilität), Wertschätzung, Fokus, Umsetzungsstärke): „Dazu ist es notwendig, die eigenen Widerstände, Barrieren und Ängste als Führungskraft zu erkennen – und zwar spielerisch. Wir alle wurden mit mentalen Modellen für den Wettbewerb und Konkurrenzdenken sozialisiert. Der Mythos des Helden als Führungskraft haben wir alle im Kopf. Doch es sind keine Held*innen, es sind Menschen, die häufig ihre Emotionen im Business unterdrücken und irgendwann nicht mehr im Griff haben. Aber: „Emotion brings motion“. Ohne Emotionen verliert der Schmetterling enorm an Zugkraft. Und die brauchen wir in Zeiten wie diesen so dringend.“

Im heutigen Zeitalter ist Tranformation oftmals digital: erfahren Sie unter diesem Link mehr über die digitale Transformation!

Seite teilen