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Corporate Governance goes digital
Dass Digitalisierung und Regulierung die Arbeit von Vorständen und AufsichtsrätInnen weitreichend verändern, ist kein Geheimnis. Das Ausmaß dieser Veränderung überrascht aber sogar Fachleute. Vor diesem Hintergrund hat die WU Executive Academy ihren „Governance Excellence“ Lehrgang überarbeitet und das Curriculum um ein eigenes Modul zum Thema Digitalisierung erweitert. Der wissenschaftliche Leiter des Programms, Prof. Werner H. Hoffmann und der Vortragende des neuen Moduls Prof. Alfred Taudes, Leiter des Institutes für Produktionsmanagement an der WU erzählen im Interview, wie die Digitalisierung die Rollen und Aufgaben von AufsichtsrätInnen verändert und welche Fähigkeiten zukünftig gefragt sein werden.
Die Digitalisierung betrifft so gut wie jedes Unternehmen in so gut wie jeder Branche. Was sind die besonderen Herausforderungen der Digitalisierung für AufsichtsrätInnen?
Alfred Taudes: Die Digitalisierung ändert fundamental die Spielregeln des Wettbewerbs: Netzwerkeffekte und Plattformstrategien führen zur raschen Marktdominanz, und durch Disruption entsteht Mitbewerb aus völlig anderen Bereichen als der eigenen Branche. Die Digitalisierung ist kein Projekt, sondern ein Programm, das ständig weiterentwickelt werden muss. Alle neuen Produkte und Dienstleistungen werden eine digitale Komponente enthalten, die internen Geschäftsprozesse werden integriert abgewickelt und die Koordination mit dem Unternehmensumfeld digital gestaltet.
Werner Hoffmann: Die Digitalisierung stellt derzeit für die meisten Unternehmen sicherlich die größte strategische Herausforderung dar, weil sie häufig angestammte Geschäftsmodelle in Frage stellt und gleichzeitig zahlreiche, neue strategische Möglichkeiten eröffnet. Es ist nicht die Aufgabe des Aufsichtsrates vor diesem Hintergrund eine Digitalisierungsstrategie auszuarbeiten. Aber es ist die Verantwortung des Aufsichtsrates, darauf zu achten bzw. zu drängen, dass der Vorstand die Unternehmensstrategie unter Berücksichtigung der mit der Digitalisierung verbundenen Chancen und Risiken weiterentwickelt und für deren Umsetzung die notwendigen kulturellen, personellen und strukturellen Voraussetzungen schafft.
Worauf müssen AufsichtsrätInnen bei der digitalen Transformation des Unternehmens besonders achten?
Alfred Taudes: Auf Strategie und Kultur. Sehr oft werden in derartigen Projekten nur die „harten“ Erfolgsfaktoren wie Einführungstermine von Software, Anzahl der Besucher einer Webseite etc. verfolgt. „Weiche“ Faktoren wie das Knowhow und die Einstellungen der MitarbeiterInnen sind aber genauso wichtig. Immer wieder höre ich von traditionellen Unternehmen „In fünf Jahren müssen wir eine Software Company sein". Erreichen wird man dieses Ziel aber nicht alleine durch Anschaffung von Software und Einstellen von Softwareentwicklern. Digitalisierung sollte auch kein Selbstzweck sein, sondern immer unter dem Blickpunkt der Unternehmensstrategie betrieben werden. Hier ist es Aufgabe des Aufsichtsrates, seine warnende Stimme bei Argumenten wie „Alle anderen in der Branche machen jetzt auch" zu erheben.
Welche Rolle hat der Aufsichtsrat in Bezug auf die Digitalisierung – Kontrollorgan oder aktiver Ideengeber?
Werner Hoffmann: Ich sehe im Aufsichtsrat weder ein reaktives Kontrollorgan, noch einen „Übervorstand“. Zentraler Ideengeber für die konsequente Nutzung, der mit der Digitalisierung verbundenen unternehmerischen Chancen, muss der Vorstand sein. Die Rolle des Aufsichtsrates ist die eines Sparringpartners des Vorstandes, der strategische Ideen und Initiativen einfordert, auf Plausibilität, Chancen, Risikopotential und Realisations-Wahrscheinlichkeit abklopft und nach Beschluss auf deren konsequente Umsetzung achtet.
Alfred Taudes: Ich sehe das ähnlich. Der Aufsichtsrat muss diese neuen Phänomene verstehen, sich mit den Geschäftsaspekten digitaler Technologien auseinandersetzen und als Coach und Kontrollor dem Vorstand bei der Formulierung und Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie zur Seite stehen. Ausgangspunkt muss eine gemeinsam mit dem Vorstand erarbeitete Vision sein, in der die künftige digitale Produkt- und Prozesslandschaft entworfen wird - als Basis für den Kompetenzaufbau, die Partnersuche und die Umsetzung von Projekten. Der Aufsichtsrat bringt insbesondere das notwendige unternehmensexterne Wissen ein, was sehr wichtig ist, denn: IT-Projekte sind oft riskant und Mängel im Projektmanagement können erhebliche Auswirkungen auf KundenInnenbeziehung und Wirtschaftlichkeit haben. Neben der beratenden Rolle kommt daher dem Aufsichtsrat die Aufgabe des strategischen Projektcontrollings zu. Dabei geht es nicht um die Mikrosteuerung einzelner Maßnahmen sondern um Fragen wie „Sind die im Projekt eingesetzten Technologien die richtigen?“ oder „Kann ein nachhaltiger Konkurrenzvorsprung erzielt werden?“
Welche Skills müssen die AufsichtsrätInnen der Zukunft mitbringen, vor allem in Bezug auf die Digitalisierung?
Werner Hoffmann: Vor dem skizzierten Hintergrund sind sicherlich Digitalkompetenz und Strategiekompetenz zwei ganz wesentliche Stärken und Qualifikationen, die künftig in AufsichtsrätInnen stärker vertreten sein sollten. Wichtig wäre auch, dass einzelne Aufsichtsratsmitglieder persönliche, operative Erfahrung bei der Digitalisierung von Geschäftsstrategien und der erfolgreichen Umsetzung von Geschäftsmodellen mitbringen. Diese Erfahrungen können durchaus in einem anderen Branchenkontext gemacht worden sein. So kann es z.B. für einen Bank-Aufsichtsrat sehr hilfreich sein, wenn einzelne Mitglieder persönliche Erfahrung dabei haben, wie digitalaffine KundInnen in anderen Branchen erfolgreich angesprochen und ans Unternehmen gebunden werden können.
Wie kann der Aufsichtsrat zwischen Hype und nachhaltig erfolgreichen Strategien entscheiden?
Alfred Taudes: Digitale Innovationen folgen dem Muster Nischenbekanntheit, inflationierte Erwartungen im Hype, Desillusionierung und echter Produktiveinsatz. Hypes sind per se nichts Negatives, sie geben den Anstoß, etwas Neues zu probieren. Die Herausforderung für den Aufsichtsrat ist es, frühzeitig das tatsächliche Potential der neuen Technologie für das eigene Unternehmen zu erkennen. Dies gelingt, wenn der Aufsichtsrat die eigenen Geschäftsprozesse und strategische Ausrichtung mit den Anwendungsmöglichkeiten der neuen Technologe abgleicht, frühzeitig die neue Technologie im Rahmen von Prototypen und Proof-of-Concept im eigenen Umfeld ausprobiert und ein Gespür entwickelt, welche dabei entdeckten Mängel transiente Kinderkrankheiten sind und welche Defekte fundamental sind.
Wie kann die Digitalisierung die Arbeit des Aufsichtsrats selbst erleichtern?
Alfred Taudes: AufsichtsrätInnen müssen heute oft über Distanzen sicher zusammenarbeiten und eine Vielzahl von Informationen verarbeiten. Aufsichtsratsinformationssysteme, sogenannte Board Management Systeme, erlauben die sichere Verteilung der Unterlagen und unterstützen eine effiziente Sitzungsführung. Business Intelligence, Performance Management Systeme und Cockpits bereiten Informationen auf und unterstützen AufsichtsrätInnen bei der kennzahlenbasierten Analyse der aktuellen Unternehmenssituation und bei der Planung.
Mit welchen Konsequenzen der Digitalisierung wird sich der Aufsichtsrat in Zukunft beschäftigen müssen? Mit Jobabbau?
Werner Hoffmann: Aus Sicht des Aufsichtsrates muss das Chancen-/Risiko-Verhältnis im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Das heißt, die realistische Einschätzung des Wertsteigerungspotentials und des damit verbundenen unternehmerischen Risikos. Selbstverständlich muss man dabei auch die Auswirkungen auf die MitarbeiterInnen im Auge haben. Aus meiner Sicht ist dabei aber nicht der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen das wichtigste Thema, sondern das in Zukunft benötigte Qualifikations- und Kompetenzprofil und die Qualifizierungsprogramme und Recruitingstrategien des personalverantwortlichen Vorstands, um den künftigen Personalbedarf auch decken zu können. In vielen Unternehmen besteht das Hauptproblem nicht darin, nicht mehr benötigte MitarbeiterInnen „loszuwerden“, sondern die vorhandenen MitarbeiterInnen für die künftigen Anforderungen zu qualifizieren und vor allem neue mit der dringend benötigten Digitalkompetenz und unternehmerischen Grundhaltung zu gewinnen. Eines ist aber klar: Die Digitalisierung stellt viel eher eine unternehmerische Chance dar, als eine Bedrohung. Nur Unternehmen, die das erkennen, werden künftig erfolgreich sein.
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