Der Klang des Erfolgs: Was die Stimme über Entrepreneur*innen verrät (oder auch nicht)

24. Mai 2023

Einblicke in die Stimmforschung

Mit einer wohlklingenden und kraftvollen Baritonstimme erklärte die ehemalige Stanford-Studentin Elizabeth Holmes die innovative Technologie ihres Start-ups: Ein Bluttest, der die medizinische Diagnostik vollkommen revolutionieren würde. Die Zeitung USA Today schwärmte bei ihren Auftritten von ihrer „soft yet commanding voice that makes a listener lean in as if waiting for marching orders”. Die junge Frau wirkte smart, selbstbewusst und sprühend vor Intelligenz. Investor*innen erlagen Holmes hypnotischen Wirkung reihenweise. Innerhalb von kurzer Zeit sammelte sie fast ein Milliarde Dollar ein. Das Problem nur: Ihre Stimme hatte sie gezielt verstellt und ihr Start-up Theranos war Betrug. Wie Elizabeth Holmes ihre Stimme eingesetzt hat, um erfolgreich zu sein, und was sowohl Investor*innen als auch Entrepreneur*innen von den neuesten Erkenntnissen der Stimmforschung lernen können, analysiert Nikolaus Franke, wissenschaftlicher Leiter des MBA Entrepreneurship und Innovation der WU Executive Academy.

Die Stimme als Schlüssel zum Erfolg: können Entrepreneur*innen ihre Investor*innen rein mit ihrer Stimme beeinflussen? Foto © shutterstock – New Africa
Die Stimme als Schlüssel zum Erfolg: können Entrepreneur*innen ihre Investor*innen rein mit ihrer Stimme beeinflussen? Foto © shutterstock – New Africa

Auch in Zeiten von E-Mails und Textnachrichten ist die menschliche Stimme der vermutlich wichtigste Kanal für Kommunikation und den Austausch von Information. Menschen reden miteinander, und zwar durchschnittlich etwa 16.000 Wörter pro Tag. Die Stimme übermittelt dabei nicht nur die „eigentliche“ inhaltlich-textliche Information. Sie gibt zusätzlich reichlich Auskunft über die sprechende Person, dessen Absichten, Eigenschaften, Stärken und Schwächen. Und Zuhörende nehmen die Signale der Stimme auf und ziehen aus ihr Rückschlüsse über die sprechende Person – oft sehr viel schneller und sehr viel nachhaltiger, als uns bewusst ist.

Was aber war in Elizabeth Holmes‘ Fall geschehen? Die selbstbewusste Hochstaplerin war sich augenscheinlich der Wirkung ihrer eigenen Stimme bewusst und setzte diese gezielt ein. Belegen lässt sich dies durch einen Fehler der ansonsten sehr kontrollierten Holmes: Bei einem Interview spricht sie zu Beginn mit einer hohen Stimmlage. Doch im Moment, wo ihr bewusst wird, dass die Kamera läuft, wird ihre Stimme schlagartig tiefer, langsamer und beinahe „rauchig“ – alles Stimmeigenschaften, die bei Zuhörer*innen den Eindruck von Autorität, Selbstsicherheit und Führungsstärke hervorrufen

Stimmforschung im Aufschwung

Die wissenschaftliche Forschung zur menschlichen Stimme entwickelt sich rasant. Der Grund dafür sind die neuen technologischen Möglichkeiten. Künstliche Intelligenz und Software zur Stimmanalyse und -bearbeitung erlauben es heute, ihre Wirkung auf Zuhörende und die tatsächlichen Eigenschaften von Sprechenden mit einem Bruchteil des früheren Aufwands zu analysieren, als man auf professionelle Sprecher*innen, große Samples und händisches Auszählen angewiesen war. Diese Forschung ist gegenwärtig allerdings noch relativ fragmentiert und findet unabhängig voneinander in so unterschiedlichen Disziplinen wie Psychologie, Medizin, Linguistik, Kommunikationswissenschaften und Evolutionsbiologie statt. In den Wirtschaftswissenschaften sind ihre Erkenntnisse praktisch noch nicht angekommen.

Mit moderner Technologie lässt sich vieles über die Wirkung der Stimme herausfinden – interdisziplinär steckt die Forschung aber noch in den Kinderschuhen. Foto © shutterstock – Sergey Bitos
Mit moderner Technologie lässt sich vieles über die Wirkung der Stimme herausfinden – interdisziplinär steckt die Forschung aber noch in den Kinderschuhen. Foto © shutterstock – Sergey Bitos

Besonders Entrepreneur*innen müssen überzeugen

Das mündliche Gespräch ist bei Entrepreneur*innen ganz besonders wichtig. Bei Investor Pitches, Finanzierungsverhandlungen, in Crowdfunding Videos, beim Networken und in vielen weiteren Situationen versuchen Entrepreneur*innen die Zuhörenden von den eigenen Fähigkeiten und den großartigen Chancen des eigenen Projekts zu überzeugen. Und weil ein Start-up neu und entsprechend beinahe definitionsgemäß eine unsichere Wette auf die Zukunft ist, ist es besonders wichtig, dabei überzeugend zu kommunizieren.

Was Investierende und Entrepreneur*innen aus der Stimmforschung lernen können

In einem Forschungsprojekt des Instituts für Entrepreneurship & Innovation der WU Wien untersucht Nikolaus Franke gemeinsam mit seinen Kollegen Jan Fell und Klaus Marhold daher, wie sich die verstreuten Erkenntnisse der Stimmforschung auf den Bereich Entrepreneurship übertragen lassen – und zwar aus zwei Sichtweisen: jene der Investierenden und die der Entrepreneur*innen selbst.

1. Die Investor*innen-Perspektive: Das nächste Unicorn an der Stimme erkennen?

Die konzeptionelle Analyse zeigt, dass Kombinationen der fundamentalen Stimmdimensionen (Höhe, Lautstärke, Geschwindigkeit und Qualität) als eine Art „Code“ die zentralen Qualitäten von Entrepreneur*innen transportieren.

Dies bedeutet: das tatsächliche Selbstbewusstsein, die Kreativität, Motivation, Offenheit, Leidenschaft und Vertrauenswürdigkeit sind zu einem gewissen Grad an der Stimme des Entrepreneur*innen ablesbar. Zuhörer*innen mit der Fähigkeit zum „Decodieren“ der Signale können aus der Stimme entsprechend wichtige Rückschlüsse auf die wahre Qualitäten der Sprecher*innen ziehen.

Nikolaus Franke,

Nikolaus Franke

  • Wissenschaftlicher Leiter MBA Entrepreneurship & Innovation

Neue Technologien zur Stimmanalyse haben für Venture Capitalists, Business Angels oder Corporate Investors das Potenzial, zu besseren und treffsichereren Urteilen zu den Chancen von Start-ups zu gelangen.

2. Die andere Seite: Entrepreneur*innen lernen, effektiver zu sprechen

Die Erkenntnisse zur Wirkung der Stimme sind nicht nur für Stakeholder*innen aufschlussreich. Wie der Fall von Elizabeth Holmes zeigt, müssen sie nicht notwendigerweise die wahren Qualitäten der sprechenden Person zeigen. Man kann mit der Stimme manipulieren - so wie mit Körpersprache oder Rhetorik. Entrepreneur*innen, die die Stimmcodes kennen und in der Lage sind, sie im eigenen Sprechen effektiv umzusetzen, können andere deutlich einfacher von ihren Qualitäten überzeugen – oder sogar einen Eindruck erzeugen, der objektiv gar nicht gerechtfertigt ist. Genauso wichtig wie zu wissen, was gut ankommt, ist das Vermeiden von Fehlern. Beispielsweise hat sich bei vielen Menschen unter 40 das sogenannte „Uptalking“ eingebürgert: Aussagen klingen dadurch wie Fragen, da die Stimmhöhe am Ende eines Satzes nicht absinkt, sondern ansteigt. Auf die Zuhörer*innen wirkt die sprechende Person ungewollt unsicher und wenig überzeugend. Die Stimme lässt sich mit Hilfe der neuen Stimmanalysetechnologien systematisch auf bestimmte Wirkungen hintrainieren. Und wer sich diesen Aufwand sparen möchte, kann auch die bestehende Stimme technologisch verändern. So wie verschiedene Popstars ihre Stimmen „pimpen“ können auch Entrepreneur*innen mithilfe neuer Tools ihre Stimme in Videokonferenzen mit Investor*innen oder in Pitchvideos technisch gezielt verändern. Diese neuen Möglichkeiten unterstreichen die Bedeutung von mehr Wissen und mehr Forschung zur menschlichen Stimme im Entrepreneurship und darüber hinaus.

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