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Kann Unternehmergeist vererbt werden?
Viele fragen sich, ob man zum/zur EntrepreneurIn geboren werden muss, oder es erlernen kann. Neuere Studien weisen tatsächlich auf eine genetische Prädisposition hin. Was bedeuten diese Ergebnisse für die Entrepreneurship-Ausbildung?
Wenn ich in einem Kurs mit 100 Entrepreneurship-Studierenden die Frage stelle, wer mindestens ein Elternteil hat, das beruflich selbständig ist oder war, heben regelmäßig über die Hälfte der Anwesenden die Arme. Die Selbständigenquote in Österreich beträgt aber nur 9 Prozent. Diese Übereinstimmung ist in zahlreichen internationalen Statistiken belegt. Aus ihr kann jedoch noch nicht geschlossen werden, dass Neigung und Fähigkeit zu Entrepreneurship vererbt wird. Denn natürlich kommen Kinder, deren Eltern selbständig sind, auch früh und intensiv in Kontakt mit Selbständigkeit als Option für eine spätere Karriere. Eltern sind dabei nicht nur wichtige Rollenvorbilder und VermittlerInnen von zentralen Werten. Sie können die Berufswahl ihrer Kinder auch durch Ressourcen beeinflussen. All diese Faktoren haben ebenfalls einen Einfluss auf die Entscheidung zum/zur EntrepreneurIn.
Will man die Vererbbarkeit von Entrepreneurship untersuchen, muss man entsprechend anders vorgehen. Der Vorteil von Zwillings- und Adoptivstudien ist, dass man den Umwelteinfluss analytisch eliminieren oder doch zumindest stark reduzieren kann. So wurde untersucht, ob eineiige Zwillinge (die ein identisches Erbgut haben) einander ähnlicher sind in Bezug auf Entrepreneurship als zweieiige. Andere Studien haben überprüft, ob eineiige Zwillinge, die getrennt voneinander aufwachsen, dennoch ein übereinstimmendes Verhalten zeigen. Und schließlich wurden leibliche mit adoptierten Kindern verglichen. Zentral ist jeweils die Annahme, dass auf diese Weise zwischen Umweltbedingungen und Erbanlagen unterschieden werden kann. Das Ausmaß der genetischen Prädisposition wird üblicherweise als „Heritabilitätswert“ ausgedrückt. Ein Wert von 0 bedeutet, dass ausschließlich Umwelteinflüsse wirksam sind, ein Wert von 1 bedeutet, dass die Eigenschaft vollständig in den Genen angelegt wird.
Umfangreiche Studien aus den USA, UK und aus Schweden zeigen, dass die Fähigkeit, Geschäftsgelegenheiten (Opportunities) überhaupt zu erkennen, eine Vererbbarkeit von 0,45 aufweist. Die tatsächliche Entscheidung, EntrepreneurIn zu werden, hat Heritabilitätswerte zwischen 0,4 und 0,6. Insgesamt zeigt sich also, dass Erbanlagen für Entrepreneurship tatsächlich eine große Rolle spielen.
Die Forschung zur Frage nach den genauen Wirkmechanismen des entdeckten Zusammenhangs steckt erst in den Kinderschuhen. Sicher ist jedoch, dass es nicht „das“ Entrepreneurship-Gen gibt und auch keinen Determinismus, wie es etwa bei manchen (Erb-) Krankheiten vorkommt. Die meisten Theorien zur Vererbbarkeit von Entrepreneurship besagen, dass die Genstruktur bestimmte Fähigkeiten (wie Intelligenz) und Persönlichkeitseigenschaften (wie Akzeptanz von Risiken) prägt und diese wiederum die Wahrscheinlichkeit, unternehmerisch aktiv zu werden, beeinflussen. Anders gesagt: genetisch angelegt ist ein Teil – und nur ein Teil! – des Entrepreneurship-Potenzials. Ob es realisiert wird, hängt wiederum stark vom Umfeld ab.
Die Aufgabe von (Weiter-)Bildung im Bereich Entrepreneurship ist entsprechend, das Potenzial zum/zur EntrepreneurIn „freizulegen“ und gezielt zu fördern. Ähnlich wie bei Musik oder Sport gilt es, Menschen mit der Neigung und der Fähigkeit zu Entrepreneurship bei ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen Grundwissen, Methoden, Werkzeuge sowie Zugang zu Netzwerken an die Hand zu geben. Wer keine Grundsportlichkeit oder Musikalität hat, wird trotz bester Ausbildung nicht über ein mittelmäßiges Niveau hinauskommen. Umgekehrt gibt es jedoch auch keinen Weltklassesportler und Musikstar, der nicht immens von Training und Ausbildung profitiert hat. Und genauso ist es auch mit Entrepreneurship.
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