Führen wie (k)ein Roboter

07. Juli 2020

Wie KI das Leben von Führungskräften ändern wird

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz verändert die Wirtschaft. Doch was bedeutet das für Führungskräfte? Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Sorgen ihrer MitarbeiterInnen „aus Fleisch und Blut“ werden jedenfalls wichtiger.

Manager mit Roboter-Hand
Die rasante Weiterentwicklung der KI in den vergangenen Jahren bringt einen Schub an neuen, teils revolutionären Anwendungen.

Die Vision ist ebenso faszinierend wie erschreckend: Laut einigen ExpertInnen soll ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts von Österreich im Jahr 2035 von Maschinen erzeugt werden – genauer gesagt von Künstlicher Intelligenz (KI). Darunter versteht man den Versuch, Computern menschliche Intelligenz und damit Verhalten beizubringen. Wir begegnen dieser KI unter anderem in Videospielen, bei Suchmaschinen im Internet oder bei der Spracherkennung. Die rasante Weiterentwicklung der KI in den vergangenen Jahren bringt nun einen Schub an neuen, teils revolutionären Anwendungen. So gilt der US-Konzern Google als einer der Vorreiter und lässt gerade in Zürich an einer Weiterentwicklung praktischer Anwendungen forschen. Die Fortschritte sind unter anderem bei der ständigen Verbesserung von Google-Übersetzungen sichtbar.

Portrait Barbara Stöttinger

ao.Univ.Prof. Mag. Dr. Barbara Stöttinger

  • Dekanin der WU Executive Academy

Dabei ist Künstliche Intelligenz nichts Neues. Schon in den 1950ern war erstmals ein Hype darum ausgebrochen, die Prognosen waren damals reichlich überzogen. Nun ist es aber soweit: Basierend auf den enormen Datenmengen, die zur Verfügung stehen, und gesteigerter Rechenleistung dringt KI in alle Lebensbereiche vor und verändert die Wirtschaft, wie wir sie kennen. So überlegt etwa der Versicherungskonzern Zurich, in Zukunft die Schadensabwicklung Maschinen zu überlassen – diese sollen pro Fall wenige Sekunden benötigen, woran ein Mensch beinahe eine Stunde arbeiten würde. Auch in der Finanzbranche sorgt KI für Umstellungen, so sucht die Erste Group derzeit 5000 ProgrammiererInnen.

Roboter als CEOs: bald Realität oder ferne Zukunftsmusik?

Was bedeutet das für Führungskräfte, wie kann das Führen der MitarbeiterInnen vor dem Hintergrund der Bedeutung von KI aussehen? Der Chef des chinesischen Internet-Konzerns Alibaba rechnet bereits damit, dass Roboter als Vorgesetzte und sogar als CEOs von Unternehmen zum Einsatz kommen werden – sie seien objektiver und weniger empfindlich als Menschen. Fest steht: Der Einsatz Künstlicher Intelligenz, die fortschreitende Automatisierung und das Internet der Dinge sowie die Verknüpfung dieser Technologien wirken sich auf den Arbeitsmarkt aus. Zwischen Panikmache wegen angeblicher Massenentlassungen und allzu optimistischen Prognosen bleibt oft wenig Raum für die nüchterne Betrachtung.

Ein Roboter in einem Büro
Objektiver und weniger empfindlich - können Roboter Menschen in der Chefetage ersetzen?

Was der Robo-Boss nie können wird

Vor diesem Hintergrund und als Gegenentwurf zur unheimlichen Vision vom Robo-Boss kommt es beim Führen nun noch stärker auf Einfühlungsvermögen und Unterstützung an. „Bei MitarbeiterInnen löst die Vorstellung, dass Maschinen ihre Jobs übernehmen könnten, Verunsicherung aus. Dem sollten Führungskräfte aktiv und verständnisvoll begegnen“, empfiehlt Prof. Stöttinger. So wie sich die KI erst das Vertrauen der Menschen erarbeiten muss – man denke nur an den Einsatz selbstfahrender Autos –, braucht es im Gegenzug Verständnis für die Sorge der MitarbeiterInnen, welche Rolle sie als Menschen noch im Unternehmen spielen werden.

Während monotone Tätigkeiten zunehmend an die Maschinen ausgelagert werden, können Kreativität und soziales Verhalten kaum ersetzt werden. Neue Jobs entstehen, für die es heute noch gar keine Bezeichnungen gibt. Die Übernahme von Routinearbeiten und der Ersatz menschlicher MitarbeiterInnen in diesen Bereichen verändert auch die Struktur der Unternehmen – in Zukunft werden noch mehr qualifizierte Fachkräfte nötig sein, die auch in puncto Bezahlung höhere Ansprüche stellen. Eines steht daher fest: „Je besser qualifiziert die menschlichen MitarbeiterInnen sind, desto eher behalten sie ihren Job. Und wenn neue Jobs benötigt werden, dann vor allem im Führungsbereich – eine Studie des Beratungsunternehmens Capgemini rechnet vor, dass zwei von drei neuen Stellen im Führungsumfeld entstehen werden“, so Prof. Stöttinger.

Spagat zwischen Vertrauen schaffen und Spielraum geben

Fest steht auch, dass von Führungskräften zunehmend verlangt wird, dass sie selbst Wissen und Gespür für neue Technologien haben. Informationstechnologie einfach der IT-Abteilung zu überlassen, ist heute zu wenig, denn die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche. Zwischen grenzenloser Euphorie und Ablehnung gilt es für Unternehmen, den richtigen Weg beim Einsatz Künstlicher Intelligenz zu finden: Was macht für mich tatsächlich Sinn, wo stecken neue Geschäftsmodelle? Von Führungskräften werden mehr als bisher klare Aussagen erwartet – auch das bedeutet für sie einen ständigen Lernprozess, so wie die gesamte Organisation ständig lernen muss. Einerseits Vertrauen schaffen und die MitarbeiterInnen bei den Umstellungsprozessen begleiten, andererseits den hochqualifizierten Fachkräften ausreichend Spielraum für eigene Ideen und Entwicklung zu geben – dieser Spagat wird für Führungskräfte selbstverständlich.

Fazit

„Künstliche Intelligenz ermöglicht Effizienzsteigerung und das Vordringen in neue Geschäftsfelder. Allerdings braucht es eine umfassende Strategie, wie das in die tägliche Arbeit der MitarbeiterInnen integriert wird und welche Vorteile das konkret bringt“, sagt Barbara Stöttinger. Ethische Fragen rund um intelligente Maschinen und Roboter-Arbeiter müssen indes nicht nur von Unternehmen, sondern vor allem von Staat und Gesellschaft beantwortet werden. Das betrifft einerseits grundlegende Themen wie die Arbeitswelt der Zukunft im Allgemeinen, und andererseits die Grenzen der maschinellen Wirkungsbereiche bzw. welche Chancen und Möglichkeiten sich daraus für uns Menschen ergeben.

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