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Nach den Sternen greifen, mit den Füßen am Boden bleiben
Unter widrigsten Bedingungen und nach hartem Training trat Franz Viehböck am 2. Oktober 1991 seine Himmelsreise zur Raumstation MIR an. Dort lernte er vieles, was er heute als Top-Executive im Management brauchen kann. Wir haben bei Österreichs einzigem A(u)stronauten über sein persönliches Erfolgsrezept als Kosmonaut, aber vor allem auch als Führungskraft nachgefragt.
Als Franz Viehböck im Frühling 1988 die Zeitung liest, bleibt sein Blick an einem unscheinbaren Inserat hängen. „Ausschreibung für österreichische(n) Kosmonaut(in)“, ist zu lesen. Ohne groß zu überlegen, schreibt der Assistent an der TU Wien seine Bewerbung: schließlich ist er sportlich, wissenschaftlich interessiert und sein Traum ist es, ins Weltall zu fliegen. Unter tausenden Bewerber*innen wird er schließlich als einer von 2 Teilnehmer*innen für das Weltraumprojekt „Austromir“ ausgewählt: Er absolviert ein zweijähriges Training in Russland, ehe er am 2. Oktober 1991 als erster Österreicher die Raumkapsel am Kosmodrom Baikanur in Kasachstan betritt. Mit 28.000 km/h fliegt die Rakete durchs All. Neun Tage wird sein Aufenthalt auf der russischen Raumstation MIR dauern. Er wird 15 wissenschaftliche Experimente durchführen und die Auswirkungen der kosmischen Strahlung, der Teilchenstrahlung und der Schwerelosigkeit auf seine Körperfunktionen testen.
Erdboden unter den Füßen erlangte Franz Viehböck neun Tage später am 10. Oktober 1991. Nach den Sternen zu greifen und dabei mit den Füßen am Boden zu bleiben, ist das Motto des heutigen Top-Managers: Er hat als A(u)stronaut vieles gelernt, das ihm später im Management nützlich war. Hier sind seine sieben wichtigsten Learnings:
Schon während seines Studiums hat Franz Viehböck alle Kontinente bereist. „Ich wollte möglichst viele verschiedene Kulturen kennenlernen. Das öffnet den Blick für neue Perspektiven“, sagt er. Technik und Innovation reizten Franz Viehböck aber genauso. „Ich habe nicht lange überlegt, bevor ich mich für die Raumfahrt beworben habe.“ Auf der Raumstation MIR musste er auf engstem Raum mit den anderen Astronauten zusammenarbeiten. Darunter war ein Kasache, ein Russe, zwei Ukrainer. „Man muss offen sein und Sprachbarrieren überwinden“, erzählt Franz Viehböck. Die Globalisierung und Digitalisierung würde Manager*innen dazu zwingen, sich für neue Ideen und andere Kulturen und Denkweisen zu öffnen. „Der Blick vom Weltall auf die Erde war überwältigend. Man sieht keine künstlichen geografischen Grenzen mehr, sondern das große Ganze.“ Den Blick von oben einzunehmen, ganzheitlich zu entscheiden und offen für andere Meinungen zu sein, sei für das moderne Management unerlässlich.
Astronaut*innen müssen in einem breiten Wissensfeld agieren, ähnlich wie Manager*innen. „Es geht natürlich darum, sich dieses Wissen anzueignen“, sagt Franz Viehböck. So musste er Russisch lernen, sich in der Zentrifuge auf 8g durchschleudern lassen und wurde in wissenschaftlichen Tests geschult. Er quälte sich durch den sibirischen Winter, übte Landungen mit der Raumkapsel im Meer und den Raumflug am Simulator. „Die Vorbereitung hat mir damals extrem geholfen. Sie hat mir Sicherheit gegeben und dazu geführt, dass ich auch in belastenden Situationen den Kopf frei für das Wesentliche hatte, sowohl in der Raumfahrt damals, als auch im Management heute“, erzählt Franz Viehböck.
In Phasen, in denen Menschen über sich selbst hinausgehen oder Dinge tun müssen, die sie noch nie getan haben, ist Vorbereitung zwar sehr wichtig, aber nicht ausreichend. In unserer ungewissen, unsicheren und komplexen VUCADD-Welt können wir vieles nicht mehr planen und uns längst nicht mehr auf alle Eventualitäten vorbereiten. Das ist auch in der Raumfahrt ähnlich. Es können unvorhergesehene Probleme beim Raketenstart oder bei der Landung auftreten. Vorbereitung hilft zwar, aber Kosmonaut*innen wie Manager*innen benötigen Mut, Vertrauen und eine schnelle Reaktionsfähigkeit, für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes passiert.
Mit Stress bestmöglich umzugehen, ist auf einer Raumfahrt essentiell – denn falsches Verhalten kann lebensbedrohlich werden. Hilfreich ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Stresslevel und den Stressoren, auf die man reagiert. „Wir wurden in der Astronaut*innen-Ausbildung früh darauf hingewiesen, uns mit uns selbst und unserem Stressverhalten auseinanderzusetzen“, erzählt Franz Viehböck. Er selbst trainierte seine Resilienz intensiv mit autogenem Training. Beim Raketenstart selbst war er ziemlich ruhig – bei einem Puls von 72. Während des Flugs ins Weltalls litt Franz Viehböck tagelang an Kopfschmerzen. Tatsache ist: je öfter wir die Komfortzone verlassen und uns kontrolliert Stress aussetzen, desto besser können wir künftig auch mit unvorhergesehenen Stresssituationen umgehen. Heute schwört Franz Viehböck auf Atemübungen, er verbringt viel Zeit in der Natur und ernährt sich gemüsereich.
Das Astronauten-Team im Austromir-Projekt wurde sehr divers zusammengestellt: die Teilnehmer waren nicht nur aus verschiedenen Ländern, sondern auch mit unterschiedlichen Spezialisierungen und Expertise ausgestattet. Führungskräfte sollten ihre Teams bewusst auswählen. Sorgen Sie für ein diverses Team – jeder Einzelne Ihrer Mitarbeiter*innen sollte in seinem Tätigkeitsfeld besser sein als Sie“, rät Franz Viehböck. Nur dann kann das Team die besten Ergebnisse liefern. Bei Berndorf bringt man mit der auf Augmented Reality spezialisierten Tochterfirma Humai in einem innovativen Projekt „IT-Nerds“ mit traditionellen Ingenieur*innen zusammen. Einziger Nachteil: „Mit Ihrer Expertise werden Sie Ihr Team dann nicht mehr beeindrucken können. Das müssen Sie dann mit Ihren Führungsqualitäten wettmachen“, sagt der Top-Manager.
Fehler zu machen und sie zu verheimlichen oder nicht dazu zu stehen, würde die Mission aber sofort gefährden, sagt Franz Viehböck. Auch im Management auf der Erde kommen Fehler vor – verursacht von den Mitarbeiter*innen und den Führungskräften selbst. „Über Fehler konstruktiv zu sprechen, ist wichtig, damit alle daraus lernen können“, sagt Viehböck. Dabei authentisch zu sein und anderen nichts vorzuspielen, macht Führungskräfte zu echten Leadern, denen die Menschen gern folgen.
Wenn alles glatt läuft, kann man auch in der Schwerelosigkeit auf der Raumstation eine kleine Party feiern. Dann bleibt auch Platz für den Austausch, fürs Philosophieren – ebenso wie in Unternehmen. Allerdings: „Wenn rundherum die Blitze einschlagen und das System Alarm schlägt, ist der kollegiale Austausch und das Philosophieren über Werte und Vision wohl der falsche Weg“, sagt Franz Viehböck. Dann ist klares Entscheiden und rasches Handeln angesagt. Das erfordert dann einen vorübergehenden Command-Führungsstil – wie es eben auch der Commander einer Raumkapsel tut, wenn Turbulenzen auftreten.
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